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BGH: Kondome dürfen nur als „Made in Germany“ bezeichnet werden wenn der wesentliche Produktionsschritt in Deutschland erfolgt

Der BGH hat im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entschieden, dass für Produkte – hier Kondome – mit der Angabe „Made in Germany“ nur geworben werden darf, wenn die Leistungen, durch die das Produkt seine aus Sicht des Verkehrs im Vordergrund stehenden qualitätsrelevanten Bestandteile oder wesentlichen produktspezifischen Eigenschaften erhält, in Deutschland erbracht werden.


BUNDESGERICHTSHOF
Beschluss vom 27. November 2014, Az. I ZR 16/14

in dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2014 beschlossen:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. November 2013 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 75.000 € festgesetzt.


Gründe:

I. Die Parteien produzieren und vertreiben Kondome.

Die Beklagte bezieht aus dem Ausland entsprechend geformte Erzeugnisse aus Naturkautschuklatex. In ihrem deutschen Werk werden die Produkte sofern sie als "feuchte Kondome" vertrieben werden sollen, nach der Befeuchtung - einzeln in Folien eingeschweißt, die Folien mit den vorgeschriebenen Kennzeichnungen versehen und die Siegelpackungen zusammen mit Gebrauchsanweisungen in Faltschachteln verpackt und versiegelt. Ferner erfolgt im deutschen Prüflabor der Beklagten eine der Produkte nach deutschen DIN-Vorschiften, bei der stichprobenartig ausgewählte Produkte unter anderem auf ihre Dichtigkeit und Reißfestigkeit überprüft werden.

Die Beklagte bewirbt ihre Produkte im Internet mit der siegelartig ausgestalteten Angabe "KONDOME - Made in Germany".

Die Klägerin sieht in dieser Angabe eine Irreführung über den Produktionsort der Erzeugnisse. Sie hat gegen die Beklagte eine einstweilige Verfügung erwirkt. Mit der vorliegenden Hauptsacheklage hat sie die Beklagte auf Unterlassung der Bewerbung ihrer Kondome mit der Angabe "KONDOME - Made in Germany" und auf Ersatz der Kosten für das anwaltliche Abschlussschreiben in Anspruch genommen.

Die Beklagte hat eingewandt, ihre Produkte würden erst durch die Siegelung und Qualitätskontrolle in Deutschland als Kondome verkehrsfähig.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Angabe "KONDOME - Made in Germany" sei irreführend, weil sie dem Verbraucher den unzutreffenden Eindruck vermittle, die Produkte seien in Deutschland hergestellt worden. Tatsächlich würden die Kondome erst nach ihrer Fertigung im Ausland in das deutsche Werk der Beklagten ausgeliefert, wo nur noch eine Kontrolle stattfinde, ob die Produkte die für die Wertschätzung des Verbrauchers maßgeblichen

Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten. Mit der angestrebten Revision möchte sie die Abweisung der Klage erreichen.


II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

1. Die Beschwerde macht geltend, die Annahme des Berufungsgerichts, der nach der Verkehrsauffassung entscheidende Herstellungsvorgang finde nicht in Deutschland statt, beruhe auf in sich widersprüchlichen Erwägungen und sei wegen Verstoßes gegen die Denkgesetze objektiv willkürlich (Art. 3 Abs. 1 GG). Das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, dass der Verkehr aufgrund der Angabe "KONDOME - Made in Germany" erwarte, der für die wertbestimmenden Eigenschaften der Produkte maßgebliche Herstellungsvorgang erfolge in Deutschland, und in dieser Erwartung enttäuscht werde. Diese Ausführungen ließen sich nicht mit seiner Annahme in Einklang bringen, der Schutz vor übertragbaren Krankheiten und Schwangerschaften, die für den Verkehr beim Erwerb von Kondomen im Vordergrund stehe, werde durch die im deutschen Werk der Beklagten erfolgende Verpackung, Versiegelung und Qualitätskontrolle gesichert. Diese Rüge bleibt erfolglos.

a) Das Berufungsgericht ist bei seiner Annahme einer Irreführung des Verbrauchers nicht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Angabe "KONDOME - Made in Germany" aus Sicht des Verkehrs die allgemeine Garantie beinhaltet, die Einhaltung der für den Verbraucher wesentlichen Sicherheitskriterien werde durch Geschäftsvorgänge in Deutschland gewährleistet. Stattdessen hat es angenommen, der Verkehr entnehme der streitgegenständlichen Angabe, dass die für die Herstellung eines Kondoms maßgeblichen Produktionsschritte in Deutschland stattfänden. Dabei ist es davon ausgegangen, dass der Verbraucher die Werbeaussage auf das Produkt als solches beziehe. Soweit das Berufungsgericht als wesentliche Qualitätsmerkmale des Erzeugnisses die Verhütung von Krankheiten und Schwangerschaften angesehen hat, hat es angenommen, dass sich schon anhand des vollständig im Ausland stattfindenden Herstellungsprozesses und nicht erst durch die in Deutschland erfolgende, nicht mehr zum Fertigungsprozess gehörende nachträgliche Kontrolle entscheide, ob das Kondom die erforderliche Dichtigkeit und Reißfestigkeit aufweise.

b) Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde nicht widersprüchlich. Das Berufungsgericht hat die im Ausland hergestellten Waren als Endprodukte bewertet, die nach ihrer Fertigung im deutschen Werk der Beklagten nur noch verpackt, versiegelt und einer Qualitätskontrolle unterzogen werden. Dabei hat es berücksichtigt, dass die Verpackung, Versiegelung und Kontrolle nach den Vorgaben des Medizinproduktegesetzes Voraussetzungen dafür sind, dass die Kondome in den Verkehr gebracht werden dürfen. Das Berufungsgericht hat jedoch zwischen der Fertigung der Kondome als solcher und der Herstellung ihrer Verkehrsfähigkeit differenziert. Da sich nach seiner Beurteilung die Angabe "Made in Germany" auf den tatsächlichen Fabrikationsvorgang bezieht, hat es zu Recht als entscheidungserheblich angesehen, dass die maßgeblichen Produktionsschritte nicht im Inland, sondern im Ausland stattfinden.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde führt an, der Rechtsstreit werfe die rechtsgrundsätzliche Frage auf, nach welchen Kriterien die Zulässigkeit der Bezeichnung "Made in Germany" für Erzeugnisse, die nicht ausschließlich in Deutschland hergestellt worden sind, zu beurteilen ist, insbesondere bei technischen Geräten wie Medizinprodukten, bei denen die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben für die Verkehrsfähigkeit erforderlich ist.

Dieses Vorbringen erfordert nicht die Zulassung der Revision, weil die von der Beschwerde angesprochene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig ist.

a) Für die Beurteilung, welcher Aussagegehalt einer Herkunftsangabe wie "Made in Germany" aus Sicht des Verkehrs zukommt, hat die Rechtsprechung Kriterien entwickelt, die auch im Schrifttum herangezogen werden und an denen sich das Berufungsgericht orientiert hat.

aa) Da der Verkehr das Phänomen der internationalen Arbeitsteilung kennt, erwartet er im Allgemeinen nicht, dass alle Produktionsvorgänge am selben Ort stattfinden (OLG Stuttgart, NJWE-WettbR 1996, 53, 54; GroßKomm.UWG/Lindacher, 2. Aufl., § 5 Rn. 548; Helm in Gloy/Loschelder/Erdmann, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., § 73 Rn. 35). Er weiß allerdings, dass industriell gefertigte Erzeugnisse ihre Qualität und charakteristischen Eigenschaften in aller Regel allein oder jedenfalls ganz überwiegend der Güte und Art ihrer Verarbeitung verdanken. Bei einem Industrieprodukt bezieht der Verkehr eine Herkunftsangabe deshalb grundsätzlich auf denjenigen Ort der Herstellung der Ware, an dem das Industrieerzeugnis seine für die Verkehrsvorstellung maßgebende Qualität und charakteristischen Eigenschaften erhält (GroßKomm.UWG/Lindacher aaO § 5 Rn. 548; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 5 Rn. 381; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 127 MarkenG Rn. 9 f.).

Danach ist es für die Richtigkeit der Angabe "Made in Germany" notwendig, aber auch ausreichend, dass die Leistungen in Deutschland erbracht worden sind, durch die das zu produzierende Industrieerzeugnis seine aus Sicht des Verkehrs im Vordergrund stehenden qualitätsrelevanten Bestandteile oder wesentlichen produktspezifischen Eigenschaften erhält (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 1973 - I ZR 33/72, GRUR 1973, 594, 595 = WRP 1973, 407 - Ski-Sicherheitsbindung; OLG Frankfurt, GRUR 1991, 690 - Werbung mit West-Germany; OLG Stuttgart, NJWE-WettbR 1996, 53, 54; OLG Düsseldorf, WRP 2011, 939, 940 - Produziert in Deutschland; OLG Köln, WRP 2014, 1082 Rn. 15 - Schmiedekolben "Made in Germany").

Die vorgenannten Beurteilungsgrundsätze werden auch im wettbewerbsechtlichen Schrifttum als maßgeblich angesehen (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 5 Rn. 4.84; Dreyer in Harte/Henning, UWG, 3. Aufl., § 5 Abschn. C Rn. 213; Nordemann in Götting/Nordemann, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 1.65; GroßKomm.UWG/Lindacher aaO § 5 Rn. 548; Sosnitza in Ohly/Sosnitza aaO § 5 Rn. 381; MünchKomm.UWG/Busche, 2. Aufl., § 5 Rn. 683; Helm in Gloy/Loschelder/Erdmann aaO § 73 Rn. 35; Aßhoff, GRUR-Prax 2011, 280).

bb) Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht angenommen, die aus Sicht des Verbrauchers wesentlichen Eigenschaften der Dichtigkeit und Reißfestigkeit eines Kondoms bildeten sich während der Fertigung des Produkts im Ausland heraus. Die Chargenprüfungen im deutschen Werk der Beklagten dienten nicht der Schaffung dieser Eigenschaften, sondern der nachträglichen Kontrolle auf ihr Vorhandensein. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

b) Für die Frage, ob ein Produkt die Angabe "Made in Germany" verdient, wird im Schrifttum allerdings teilweise abweichend die Regelung in Art. 24 der Verordnung (EWG) 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften zum zollrechtlichen Ursprung einer in mehreren Ländern hergestellten Ware herangezogen, wonach Ursprungsland dasjenige Land ist, in dem die Ware der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen worden ist (vgl. Slopek, GRUR-Prax 2011, 291, 292; Dück, GRUR 2013, 576, 581; Ziegenaus, GRUR-Prax 2014, 440; Mey/Eberli, GRUR Int. 2014, 321, 332). Teilweise wird auch der Anteil der im jeweiligen Land erfolgenden Wertschöpfung berücksichtigt (vgl. Gündling, GRUR 2007, 921, 924 f.). Solchen Maßstäben kann jedoch keine entscheidende Bedeutung für den Irreführungscharakter der Angabe "Made in Germany" zukommen, weil dafür auf das Begriffsverständnis der angesprochenen Verkehrskreise abzustellen ist (vgl. OLG Düsseldorf, WRP 2011, 939, 940 - Produziert in Deutschland; OLG Köln, WRP 2014, 1082 Rn. 16 - Schmiedekolben "Made in Germany"; Helm in Gloy/Loschelder/Erdmann aaO § 73 Rn. 35; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 127 MarkenG Rn. 10; Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 127 Rn. 7). Die vorgenannten Kriterien sind deshalb in der Rechtsprechung - und mit Recht auch vom Berufungsgericht - nicht als ausschlaggebend erachtet worden.

c) Vereinzelt wird die Angabe "Made in Germany" wegen der damit regelmäßig verbundenen Verkehrserwartungen an die Qualität und Zuverlässigkeit des beworbenen Produkts (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 1974 - I ZR 19/73, GRUR 1974, 665, 666 = WRP 1974, 487 - Germany; OLG Frankfurt, GRUR 1991, 690 - Werbung mit West-Germany; Gündling, GRUR 2007, 921, 922) als Garantie der Einhaltung deutscher Qualitätsstandards, etwa durch die Gewährleistung von Qualitätssicherungsmechanismen oder deutschen Produktsicherheitsvorschriften, angesehen (vgl. Klein/Sieger, GRUR-Prax 2013, 57, 58). Auch die Nichtzulassungsbeschwerde vertritt die Ansicht, angesichts der für den Verbraucher maßgeblichen Qualitätsaussage und Produktverantwortung erwarte er von einem Produkt "Made in Germany", dass der damit werbende Unternehmer nach inländischen Maßstäben die Qualität sichere und dafür einstehe.

Eine solche Deutung entfernt sich allerdings vom Wortsinn der Wendung "Made in …", die nach der Bewertung des Berufungsgerichts vom Verkehr als geläufiger Anglizismus für "hergestellt in …" verstanden wird und üblicherweise auf den Fertigungsprozess in Deutschland hinweist. Die tatrichterliche Beurteilung der Verkehrsauffassung ist weder erfahrungswidrig noch sonst rechtsfehlerhaft. Sie entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung, die in der Angabe "Made in Germany" einen Hinweis auf die mit der Warenfertigung zusammenhängenden Produktionsschritte sieht (vgl. OLG Stuttgart, NJWE-WettbR 1996, 53, 54; OLG Düsseldorf, WRP 2011, 939, 940 - Produziert in Deutschland; OLG Köln, WRP 2014, 1082, 1084 - Schmiedekolben "Made in Germany").
3. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.


III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 23.04.2013 - 15 O 37/13 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 28.11.2013 - I-4 U 81/13 -