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BGH: Ankunftsverspätung bei Anschlussflügen stellt keinen aussergwöhnlichen Umstand iSd VO (EG) Nr. 261/2004 dar

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL


X ZR 123/10

Verkündet am: 17. September 2013


in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens, den Richter Gröning, die Richterin Schuster und den Richter Dr. Deichfuß

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 20. August 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen


Tatbestand:

Die Kläger buchten bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen Flüge von Miami über Madrid nach Düsseldorf. Der Flug von Miami nach Madrid war für den 17. Juli 2009 17.05 Uhr vorgesehen und sollte am 18. Juli 2009 um 7.45 Uhr in Madrid eintreffen. Der Weiterflug nach Düsseldorf sollte um 8.50 Uhr in Madrid starten und um 11.20 Uhr in Düsseldorf ankommen.

Der Abflug von Miami nach Madrid verzögerte sich bis 18.25 Uhr (um 1 Stunde 20 Minuten). Die bereits bei Flugantritt in Miami mit Bordkarten für die gesamte Reise versehenen Kläger erreichten Madrid um 8.40 Uhr. Der Weiterflug der Kläger sollte an einem ausgelagerten Terminal des Flughafens erfolgen, den die Kläger nicht mehr rechtzeitig erreichen konnten. Bei ihrer Ankunft in Madrid erhielten sie neue Bordkarten für einen Flug, der um 16.20 Uhr mit 20 Minuten Verspätung startete. Die Kläger erreichten Düsseldorf um 19.00 Uhr.

Die Kläger verlangen eine Ausgleichszahlung von je 600 € nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (im Folgenden: Fluggastrechteverordnung). Das Amtsgericht hat die hierauf gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt, an die Kläger jeweils 600 € nebst Zinsen zu zahlen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter. Die Kläger treten dem Rechtsmittel entgegen. Eine den Zinsanspruch betreffende Anschlussrevision haben die Kläger zurückgenommen.


Entscheidungsgründe:


I.

Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Kläger auf Ausgleichszahlung für begründet gehalten und seine Entscheidung wie folgt begründet: Den Klägern stünden gemäß § 4 Abs. 3 FluggastrechteVO wegen Nichtbeförderung Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO zu. Die Kläger hätten über eine Buchung für die Flugreise von Miami über Madrid nach Düsseldorf verfügt. Da sie auch bereits Bordkarten für den Flug von Madrid nach Düsseldorf erhalten hätten, habe die Beklagte, indem sie gleichwohl das Flugzeug in Madrid habe starten lassen, ohne auf das Eintreffen der Kläger zu warten, diesen den Einstieg verweigert.


II.

Dies hält der Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, den Klägern stehe ein Anspruch wegen Nichtbeförderung (Art. 4 Abs. 3 FluggastrechteVO) zu. Eine Nichtbeförderung liegt nach Art. 2 Buchst. j FluggastrechteVO vor, wenn das Luftfahrtunternehmen sich weigert, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Art. 3 Abs. 2 FluggastrechteVO genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben. Der Ausgleichsanspruch nach dieser Vorschrift setzt mithin voraus, dass dem am Flugsteig erschienenen Fluggast der Einstieg ("Boarding") gegen seinen Willen verweigert worden ist (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 78/08, RRa 2009, 239 = NJW 2009, 2740 Rn. 7; Beschluss vom 9. Dezember 2010 - Xa ZR 80/10, RRa 2011, 84 Rn. 11). Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Die Kläger sind - wenngleich ohne ihr Verschulden - vor Abflug des vorgesehenen Anschlussflugs nicht am Flugsteig erschienen. Eine Verweigerung der Beförderung scheidet damit aus.


III.

Das Berufungsurteil ist im Ergebnis gleichwohl zutreffend, da die Klageforderung unter dem Gesichtspunkt der Verspätung begründet ist. Den Fluggästen eines verspäteten, wie im Streitfall nach Art. 3 Abs. 1 in den Anwendungsbereich der Flugastrechteverordnung fallenden Flugs steht ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 zu, soweit sie wie die Kläger infolge der Flugverspätung ihr individuelles Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreichen. Dies gilt auch, wenn die verspätete Ankunft am Endziel darauf beruht, dass infolge der Flugverspätung ein selbst nicht verspäteter Anschlussflug verpasst wird (BGH, Urteil vom 7. Mai 2013 - X ZR 127/11, NJW-RR 2013, 1065 im Anschluss an EuGH, Urteil vom 19. November 2009 - C-402/07, NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 - Sturgeon/Condor; Urteil vom 23. Oktober 2012 - C-581/10 - Nelson/ Lufthansa; Urteil vom 26. Februar 2013 - C-11/11 - Air France/Folkerts). Bedenken gegen diese Auslegung der Fluggastrechteverordnung ergeben sich weder aus dem Primärrecht der Europäischen Union noch aus dem Grundgesetz (BGH, aaO Rn. 14 ff.).


IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.


Vorinstanzen:

AG Düsseldorf, Entscheidung vom 03.02.2010 - 25 C 10071/09 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.08.2010 - 22 S 41/10