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Sonstige Rechtsgebiete


EGMR zur Frage ob ein Mensch Unterstützung beim Suizid erfahren darf

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hält an seiner Rechtsprechung fest. Erneut hat er eine Beschwerde zurückgewiesen, die sich im Kern mit der Frage der Mitwirkungspflicht des Staates beschäftigt hat. Diese Pflicht obliege einem Staat nicht. Es müssten keine Medikamente herausgegeben werden, um einen Suizid zu ermöglichen. Im konkreten Fall hatte ein Schweizer Staatsangehöriger Beschwerde eingelegt. Seit 20 Jahren leidet er an manisch-depressiven Schüben. Zwei Selbstmordversuche scheiterten. Im Jahr 2004 suchte er die Organisation "Dignitas" auf. Er konsultierte allein 170 Psychologen, um eine Verordnung über Natrium-Pentobarbital zu erhalten. Keiner wollte die Verordnung ausstellen. Daraufhin wandte er sich an die Behörden und ersuchte um die Befreiung von der Rezeptpflicht des Präparats. Auch hier hatte er keinen Erfolg. Nach Auffassung des EGMR trafen Ärzte und Behörden die richtige Entscheidung. Ein Mensch könne zwar selbst über sein Leben und seinen Tod entscheiden. Ein Staat sei jedoch nicht dazu verpflichtet, ihn bei der Entscheidung für den Tod zu unterstützen.

Der EGMR bleibt seiner Rechtsprechung also treu. Staatliche Behörden trifft keine Mitwirkungspflicht. Ärzte trifft diese Pflicht auch nicht. Hinzu kommt, dass ihnen standesrechtlich die Beihilfe bei der freiverantwortlichen Selbsttötung untersagt ist. Dieses Verbot soll künftig für die Selbsttötung von Schwerstkranken gelockert werden. Der Wunsch nach einer Änderung des Standesrechts wurde nach den Ergebnissen einer Umfrage im Auftrag der Bundesärztekammer laut. Es stellte sich heraus, dass ca. 30 Prozent der Ärzte bereit wären, bei Krebspatienten im Endstadium als Sterbehelfer zu agieren. Diese Situation und damit Ärzte, die mit Patienten konfrontiert werden, die sich ärztliche Unterstützung beim Suizid wünschen, müsse angemessen respektiert werden. Die Bundesärztekammer möchte den Ärzten gewisse Freiräume schaffen. Wenn es nach dem Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, geht, kommt die Lockerung noch in der ersten Jahreshälfte. Derzeit stehen jedoch noch interne Diskussionen an. Auch soll der Ärztetag Ende Mai abgewartet werden. Dort soll das Thema auf die Agenda. Geplant ist nach Angaben von Hoppe, die derzeitigen Verbote in "beschreibende Formulierungen" abzuändern. Die Regelungen sollen von einem Verbot der Begleitung und der Assistenz eines Suizids in eine Erklärung dahingehend, der Suizid gehöre nicht zum ärztlichen Handeln, geändert werden.

Aus juristischer Sicht bedeutet die Streichung des Verbots als solchem, dass Ärzte keine standesrechtlichen Sanktionen mehr zu befürchten hätten, wenn sie Schwerstkranken Medikamente zur Verfügung stellen, als Sterbehelfer agieren. Gerade diese Mitwirkungshandlung als Beihilfe zum Suizid ist auch nicht strafbar. Die angedachten Änderungen des Standesrechts stellen daher eine Annäherung ans Strafrecht dar. Dieses sieht erst dann eine Strafbarkeit des Sterbehelfers, wenn er bei der Einnahme der Medikamente anwesend ist. Denn die Anwesenheit verpflichtet zur Rettung. Werden Rettungsmaßnahmen nicht ergriffen, liegt ein Fall der strafbaren unterlassenen Hilfeleistung vor.

Noch ist die Änderung nicht umgesetzt. Aus den eigenen Reihen macht sich Widerstand breit. So spricht sich der Vorsitzende des Marburger Bundes und Mitglied des Vorstandes der Bundesärztekammer, Rudolf Henke, gegen eine Änderung aus. Diskutabel sei allein eine Klarstellung, dass ein Arzt nicht standeswidrig handelt, wenn er lebensverlängernde Maßnahmen in Übereinstimmung mit dem Patientenwillen beendet. Weitere Änderungen des Standesrechts dürften jedoch nicht erfolgen. Andernfalls könnte vorschnell aus der Streichung des Verbots ein Anspruch der Patienten gelesen werden. Dieser Eindruck dürfe auf keinen Fall entstehen. Unterstützung erfährt Henke von der Deutschen Hospiz-Stiftung. Deren Geschäftsführender Vorstand, Eugen Brysch, warnt ausdrücklich vor einer Aufweichung des Verbotes. Mit ihr würden die Ärzte vor ein nicht lösbares Problem gestellt werden. Die angedachten Änderungen des Standesrechts seien zu unkonkret. Auch dürfe nicht vergessen werden, was eine unzureichende standesrechtliche Regelung für Gewissenskonflikte bei den Ärzten auslösen würde. Anders als Hoppe zu glauben machen versucht, würde eine Neuregelung den Ärzten nichts erleichtern. Das Hauptproblem sei auch nicht über Standesrecht regelbar. Denn es handele sich dabei um ein Versorgungsproblem. Viel mehr Menschen würden eine professionelle Sterbebegleitung benötigen, als derzeit gewährleistet würde. Nach Erkenntnissen der Deutschen Hospiz-Stiftung liegt der jährliche Bedarf bei 500.000 Menschen. Nicht einmal ein Fünftel der Menschen könnten jedoch tatsächlich professionell - sei es im Hospiz oder auf einer Palliativstation - begleitet werden. Diese Unstimmigkeiten gelte es im Sinne und zum Wohle der Patienten zu beseitigen. Der Weg über das Standesrecht sei dazu nicht in der richtige.

Damit hat Brysch sicher nicht unrecht. Es kommt auf mehr an. Die bestehenden Schwierigkeiten nur aus standesrechtlicher Sicht zu betrachten, wird den Problemen und am damit den Patienten nicht gerecht. Denn gerade im Bereich der Palliativmedizin verabreichen Ärzte wie wohl in keinem anderen Bereich Arzneimittel außerhalb der zugelassenen Indikationen, Betäubungsmittel entgegen der gesetzlichen Vorgaben. Abgesehen von strafrechtlichen Konsequenzen, die dabei mitunter befürchtet werden müssen, sind die Krankenversicherungen nur in eng umgrenzten Fällen, im sogenannten Off Label Use, zur Kostenübernahme verpflichtet. In der Rechtsprechung wurde eine solche nur selten zugesprochen. Vergangenen Herbst hat das Bundessozialgericht in seiner jüngsten Rechtsprechung zu diesem Themenbereich eine Kostenübernahme einmal mehr abgelehnt. Die Ärzte stehen also vor mehreren Hürden, die es bei der Leidenslinderung zum Wohle der Patienten zu überwinden gilt. Selbst wenn ihnen das Standesrecht in gewisser Weise einen Weg ebnen sollte, dürfen sie aufgrund der bestehenden Arzneimittelzulassungen zu Lasten der Krankenkassen zu oft nicht dem Patienten das Präparat zukommen lassen, das seine Leiden lindern würde. Das Standesrecht ist daher nur ein Mosaikstein.