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OLG Hamburg: Mieterin einer Apotheke muss wegen Verletzung ihrer Betriebspflicht Zwangsgeld leisten

Regelt ein Mietvertrag eine Betriebspflicht des Mieters zum Betrieb eines bestimmten Gewerbes (hier Apotheke), muss der Mieter darlegen, dass die Erlaubnis unzweifelhaft nicht zu erlangen ist, um von dieser Verpflichtung frei zu werden. Der Umstand, dass der Apotheker keine Finanzierungszusage für notwendige Investitionen in Höhe von ca. € 200.000,- erhalten wird, ist für eine Darlegung nicht ausreichend.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 8. Zivilsenat, Beschluss vom 21.08.2013, 8 W 72/13


Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 05.06.2013, Aktenzeichen 333 O 100/12, wird zurückgewiesen.
2. Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 5.032,72 Euro zu tragen.


Gründe

I.

Die Gläubigerin ist Eigentümerin des Gebäudes in der in Hamburg-Rahlstedt. Die Schuldnerin ist seit dem 01.12.2008 Mieterin der darin befindlichen Apothekenräumlichkeiten zzgl. Arzneikeller. Gemäß § 2 des Mietvertrages ist die Schuldnerin verpflichtet, in diesen Räumlichkeiten eine Apotheke zu betreiben. Das Mietverhältnis kann ausweislich § 4 Nr. 2 des Mietvertrages frühestens zum 30. November 2018 gekündigt werden. Die Schuldnerin stellte den Betrieb der Apotheke zum 01.02.2012 ein.

Die Schuldnerin wurde mit am 10.01.2013 verkündeten - rechtkräftigen - Urteil des Landgerichts Hamburg – 333 O 100/12 – u.a. dazu verurteilt, die Apotheke in der 22143 Hamburg zu betreiben.

Die Schuldnerin nahm den Betrieb der Apotheke in der Folge nicht auf.

Auf Antrag der Gläubigerin setzte das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 05.06.2013 gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von € 300,00,-, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Zwangshaft von 3 Tagen fest, um sie zur Vornahme der titulierten Handlung anzuhalten.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Schuldnerin, welche sie am 24.06.2013 vor dem Landgericht Hamburg erhoben hat. Das Landgericht Hamburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 793, 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben.

In der Sache ist sie jedoch unbegründet.

1. Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin liegen vor. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Hamburg ist ein wirksamer Vollstreckungstitel, § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Er ist der Schuldnerin am 11.06.2013 wirksam zugestellt worden.

Auch ist das Landgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen des § 888 Abs. 1 ZPO vorliegen.
Die von der Schuldnerin zu erzwingende Handlung, der Betrieb einer Apotheke in einem gemieteten Gewerberaum, ist eine unvertretbare Handlung, die nach § 888 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken ist. Das Beschwerdegericht schließt sich der Auffassung an, es handele sich bei der Betriebspflicht um einen Leistungsanspruch auf Erlangung einer nicht vertretbaren Handlung, die nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist (OLG Hamburg, B. v. 06.01.2003, 4 W 1/03, WuM 2003, 641).

Eine Vollstreckung scheidet vorliegend auch nicht deshalb aus, weil die Erbringung der Leistung nicht ausschließlich von dem Willen der Schuldnerin abhängt.

Zwar gilt § 888 Abs. 1 ZPO nach seinem Wortlaut für alle unvertretbaren Handlungen, soweit diese ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängen. Eine Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO ist jedoch trotz dieses Wortlautes nicht immer schon dann ausgeschlossen, wenn die Mitwirkung eines Dritten erforderlich ist. Vielmehr ist die in § 888 Abs. 1 ZPO enthaltene Ausnahmeregelung restriktiv dahingehend auszulegen, dass eine Zwangsvollstreckung nur dann ausscheidet, wenn es dem Schuldner eindeutig unmöglich ist, die Mitwirkung oder die Zustimmung des Dritten zu erlangen (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 443, 444; Grunsky, JuS 1973, 553, 555; MüKo ZPO/ Gruber, § 888, Rn. 13; Zöller/Stöber, 29. Auflage, § 888, Rn. 2). Die Feststellung dieser Unmöglichkeit setzt dabei voraus, dass der Vollstreckungsschuldner alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Mitwirkung oder die Zustimmung des Dritten zu erlangen und dass er seine darauf gerichteten Bemühungen im Einzelnen dargelegt hat (vgl. BGH, aaO; MüKo ZPO/Gruber, aaO, § 888, Rn. 15). Diese restriktive Auslegung der Ausnahme in § 888 Abs. 1 ZPO ist sachlich durch den Grundsatz gerechtfertigt, dass jedes Leistungsurteil vollstreckbar sein muss. Würde es aber für eine Vollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO auf den alleinigen Erfüllungswillen des Schuldners ankommen, hätte diese Regelung praktisch keinen Anwendungsbereich mehr. Denn der Schuldner muss sich in den meisten dem § 888 Abs. 1 ZPO unterfallenden typischen Fällen dritter Hilfspersonen zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedienen. Vielmehr soll die in § 888 Abs. 1 ZPO erwähnte Ausnahme der Sicherung dienen, dass von dem Schuldner nicht etwas ihm Unmögliches verlangt wird. Dem Schuldner wird durch diese restriktive Auslegung auch nichts Unzumutbares aufgebürdet. Denn es ist folgerichtig, dass er angehalten wird, dem rechtskräftigen Vollstreckungstitel nachzukommen.

Vorliegend ist zwar davon auszugehen, dass die Betriebsaufnahme durch die Schuldnerin von der Mitwirkung Dritter abhängig ist. Denn die Apotheke kann und darf seitens der Schuldnerin nur betrieben werden, wenn eine entsprechende behördliche Erlaubnis vorliegt. Ob dies der Fall ist, ist im Hinblick auf § 3 Nr. 4 ApoG zumindest zweifelhaft, denn hiernach erlischt eine bereits erteilte Erlaubnis von Gesetzes wegen, wenn diese länger als ein Jahr nicht ausgeübt und eine entsprechende Fristverlängerung nicht beantragt wurde. Die Schuldnerin hat die ihr erteilte Erlaubnis für die genannten Räumlichkeiten länger als ein Jahr nicht ausgeübt, denn sie hat von ihr seit der Einstellung des Betriebes am 01.02.2012 keinen Gebrauch mehr gemacht. Zu einer etwaig von der Schuldnerin beantragten Fristverlängerung haben die Parteien nichts vorgetragen.

Gleichwohl hat die Schuldnerin nicht dargelegt, dass eine behördliche Erlaubniserteilung für sie unzweifelhaft nicht zu erlangen ist. Eigene Bemühungen, eine Erlaubnis bei der entsprechenden Behörde zu erlangen, hat die Schuldnerin nicht vorgetragen. Vielmehr beruft Sie sich darauf, dass eine Erlaubniserteilung von vornherein ausgeschlossen sei. Mangels Darlegung evidenter Versagensgründe kann das Beschwerdegericht aber darin keine Rechtfertigung für den von ihr unterlassenen Versuch eine Betriebserlaubnis zu erhalten erblicken.

So behauptet die Schuldnerin zwar, sie könne die gemieteten Apothekenbetriebsräume nicht in einen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Zustand bringen (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 ApoG), weil sie keine Finanzierungszusage für notwendige Investitionen in Höhe von ca. € 200.000,- erhalten werde. Sie hat jedoch nicht konkret dargelegt, woraus sich ein solcher Investitionsbedarf im Einzelnen ergibt. Die Höhe beruht auf einer bloßen Schätzung, ohne dass vorgetragen wird, in welchem Zustand sich die Räumlichkeiten befinden und welche konkreten Maßnahmen ihrer Ansicht nach notwendig sind, um die Räumlichkeiten einem ordnungsgemäßen Apothekenbetrieb zugänglich zu machen.

Auch die von der Schuldnerin vorgetragenen Zweifel an der Erlaubniserteilung im Hinblick auf die von ihr in der Vergangenheit erwirtschafteten Verluste stellen keinen offensichtlichen Versagensgrund dar. Die von der Schuldnerin in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, es könnte ihr an der nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG erforderlichen persönlichen Zuverlässigkeit für den Betrieb einer Apotheke fehlen, ist nicht schlüssig. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass sich eine persönliche Unzuverlässigkeit im Sinne des ApoG auch aufgrund der konkreten finanziellen Verhältnisse ergeben kann. Eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ergibt sich aber aus ihrem Vortrag nicht. Die Behauptung, der weitere Betrieb der Apotheke könne in Zukunft zu einer Insolvenz der Schuldnerin führen, weil sie die erwirtschafteten Verluste nicht dauerhaft aus ihrem Privatvermögen ausgleichen könne, ist nicht hinreichend substantiiert.

2. Das Zwangsgeld erscheint dem Beschwerdegericht auch der Höhe nach angemessen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil es an den Voraussetzungen hierfür mangelt.

5. Der Streitwert entspricht dem Wert der Betriebspflicht. Diesen setzt das Beschwerdegericht mit 20 % des Jahresentgelts an.