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Urteil des Landgerichts Saarbrücken in dem Rechtsstreit Stadt-Apotheke Saarbrücken gegen die Filialapotheke von DocMorris in Saarbrücken

L a n d g e r i c h t S a a r b r ü c k e n

9. August 2006. Az.: 7 I O 77/06

U R T E I L

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren


XXX, Inhaberin der Stadt-Apotheke, Bahnhofstraße 37, 66111 Saarbrücken

- Verfügungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte: XXX

gegen

Apotheek 0800Doc Morris N.V., Kaiserstraße 16-18, 66111 Saarbrücken

- Verfügungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte: DIEKMANN Rechtsanwälte, Ballindamm 35, 20095 Hamburg,


hat die Kammer für Handelssachen I

auf die mündliche Verhandlung vom 26.7.2006

durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Kratz

sowie die Handelsrichter Wild und Klos


für R e c h t erkannt:

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


T a t b e s t a n d :

Die Verfügungsklägerin ist Inhaberin der Stadt-Apotheke in Saarbrücken. Seit dem 27.04.2004 ist sie Inhaberin einer Versandhandelserlaubnis nach § 11 a Apothekengesetz und bietet den Versand von Arzneimitteln im gesamten Bundesgebiet an.

Bei der Verfügungsbeklagten handelt es sich um einen nach niederländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit Sitz in Heerlen, Niederlande, die den Versandhandel mit Medikamenten betreibt.

Die Verfügungsbeklagte hat am 03.07.2006 in Saarbrücken, Kaiserstraße 16-18, eine Fililalapotheke mit Versanderlaubnis eröffnet. Ihr ist die Erlaubnis hierzu durch Erlaubnisurkunden des Ministeriums für Justiz, Gesundheit und Soziales vom 28.06.2006 (Bl. 119 d.A.) bzw. 29.06.2006 (Bl. 118 d.A.) erteilt worden.

In einer Pressemitteilung des Ministeriums für Justiz, Gesundheit und Soziales vom 03.07.2006 (Bl. 17 d.A.) hat der Gesundheitsminister anlässlich der Aufnahme des Geschäftsbetriebes der Filialapotheke erklärt, es sei gelungen, die europaweit bekannt holländische Internetapotheke Doc Morris mit einem neuen Standort im Saarland anzusiedeln. In der Anfangphase könnten bei Doc Morris schon 50 Menschen arbeiten, in den kommenden Jahren würden ca. 300 qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen.

Die Verfügungsklägerin meint, sie habe gemäß §§ 8, 3, 4 Ziffer 11 UWG i.V. mit §§ 1, 2, 8 Apothekengesetz einen Unterlassungsanspruch.

Bei §§ 1 Abs. 1, 2 und 8 Apothekengesetz handele es sich um Vorschriften, die das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer regelten.

Ein Verstoß hiergegen sei gegeben, da die Erlaubnis zum Führen einer Apotheke, wie sich aus §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 Nr. 3, 2 Abs. 1 Nr. 4 Apothekengesetz eindeutig ergebe, nur natürlichen Personen erteilt werden dürfe, die über eine entsprechende pharmazeutische Ausbildung sowie die erforderliche charakterliche und gesundheitliche Eignung verfügen (sog. Fremdbesitzverbot). Diese Voraussetzungen erfülle die Verfügungsbeklagte offensichtlich nicht.

Auf die erteilte Apothekenbetriebserlaubnis könne sich die Verfügungsbeklagte nicht berufen, da diese wegen Verstoßes gegen §§ 44 VwVfG nichtig sei. Die Erlaubnis stelle ihrer Bedeutung nach bereits keinen Verwaltungsakt, sondern einen politischen Akt dar. Die Grundsätze, die der BGH zur Vereinbarung behördlicher Genehmigungen mit dem Wettbewerbsrecht aufgestellt habe, könnten daher keine Anwendung finden.

Die Behörde sei gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Diese Vorgaben habe sie durch die Erteilung, die unter Verstoß gegen das Bundesrecht auf sachfremde Erwägungen (Schaffung von Arbeitsplätzen und fiskalisches Interesse des Saarlandes) gestützt sei, ohne jeden Bezug zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, missachtet.

Das Bundesverfassungsgericht habe das Fremdbesitzverbot, also die unmittelbare persönliche Verantwortlichkeit von Apothekern für den Betrieb von Apotheken verfassungsrechtlich bestätigt. Die Entscheidung, ob eine Norm wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nicht angewendet werde, obliege dem EuGH, nicht der Behörde. Das Auslegungsmonopol liege beim EuGH, wie sich letztlich auch aus Art. 234 EGV ergebe.

Aus der Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht gemäß Art. 20 Abs. 3 GG folge deshalb, dass die Verwaltung deutsches Recht erst dann wegen entgegenstehenden Gemeinschaftsrechts nicht anwenden dürfe, wenn der EuGH entschieden habe, dass die betreffende Norm des deutschen Rechts mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar sei. Eine Ausnahme hiervon im vorliegenden Fall komme nicht in Betracht. Es liege weder eine Entscheidung des EuGH zu §§ 1, 2 und 8 Apothekengesetz vor, noch sei ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht evident.

Das apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot sei nach herrschender Meinung gemeinschaftskonform.

Nach Art. 30 EGV sei es Sache der Mitgliedsstaaten zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz von Gesundheit und Leben der Menschen gewährleisten wollen. Zudem liege nach Art. 152 Abs. 5 EGV die Verantwortung für die Organisation des Gesundheitswesens einschließlich der pharmazeutischen Tätigkeit ausschließlich bei den Mitgliedsstaaten. Das apothekenrechtliche Fremdbesitzverbot diene der Sicherung des finanziellen Gleichgewichtes des Systems der sozialen Sicherung und der Arzneimittelsicherheit.

Angesichts des Fehlens einer Harmonisierung der Vorschriften über den Vertrieb von Arzneimitteln sei es Sache der Mitgliedsstaaten zu bestimmen, in welchem Umfang sie den Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten wollen, soweit dies offensichtlich nicht unverhältnismäßig sei. Dem Apotheker seien Dienste höherer Art aufgetragen, hinter die das Streben nach Gewinn zurücktrete. Statt Gewinnerzielung sei die geordnete Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln die erste Aufgabe des Apothekerberufes.
Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung könnten nicht nur von fahrlässig verursachtem Fehlgebrauch, sondern von einem kommerziell beeinflussten Fehl- und insbesondere Mehrgebrauch ausgehen.

Apotheker müssten anders als kommerzielle Unternehmen den gesundheitlichen Interessen der Patienten Vorrang vor den eigenen wirtschaftlichen Interessen einräumen. Die persönliche Anwesenheit eines qualifizierten Berufsträgers reiche wegen dessen Abhängigkeit nicht aus, um den kommerziellen Verkaufsförderungsstrategien der Eigentümer- und Managementebene entgegen zu wirken.

Über das Approbationserfordernis wirke das Fremdbesitzverbot wie ein Filter, der das Eindringen fachlich und charakterlich ungeeigneter Personen in die Eigentümer- und Führungsebene von Apotheken als heilberufliche Unternehmer mit hoher Sicherheit und Wirksamkeit verhindere. Das Approbationsgebot für Apothekenbesitzer solle gewährleisten, dass für die Eigentümer dieselben ethischen Maßstäbe, beruflichen Anforderungen, Pflichten, Sanktionen und Risiken und derselbe unmittelbare Kontakt zum Patienten bestehe wie für angestellte Apotheker.

Darüber hinaus bilde der drohende Verlust der Approbation in der Person de Eigentümers und Apothekers selbst ein wirtschaftliches Gegengewicht zum eigenen Gewinninteresse. Bei Entzug der Approbation sei der Apotheker selbst an der Ausübung seines Berufes als Angestellter gehindert und dieser habe damit für ihn gravierende persönliche Folgen.

Dem gegenüber fehle es bei kommerziellen Eigentümern sowohl an der Kontrolle ihres Charakters als auch am Instrumentarium zur Disziplinierung ihres Gewinnstrebens. Soweit es sich bei den Anteilsinhabern – wie bei der Verfügungsbeklagten – um Kapitalanlagengesellschaften handele, sei deren alleiniges Ziel, im Gewinnmaximierungsinteresse der Anleger neue Geschäftsfelder zu erschließen. Ein heilberuflicher Auftrag sei Kapitalanlagegesellschaften fremd.

Das Fremdbesitzverbot sei zudem geeignet und erforderlich, um die Trennung von Verordnung und Abgabe in Deutschland zu gewährleisten, wodurch die Entstehung finanzieller Anreize für die Verordnung von Arzneimitteln bei Ärzten verhindert werden solle. Solche Anreize förderten den Mehrgebrauch von Arzneimitteln und könnten sowohl zu Gesundheitsschäden als zur Störung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherung führen.

Gäbe es kein Fremdbesitzverbot für Apotheken und Ärzte könnten Kapitalgesellschaften bundesweit Apotheken betreiben und sich gleichzeitig an Arztgesellschaften beteiligen.

Entsprechend sei das Fremdbesitzverbot als Schutz gegen die Kommerzialisierung von Heilberufen weltweit anerkannt.

Auch nach der allgemeinen Rechtsprechung des EuGH stelle das Fremdbesitzverbot ein für die Erzielung eines hohen Gesundheitsschutzes geeignetes und erforderliches Mittel dar. Maßnahmen im Bereich des Gesundheitswesens seien nur dann unverhältnismäßig, wenn sie auf offensichtlich unvernünftigen Erwägungen oder offensichtlichen Beurteilungsfehlern beruhten und zur Erreichung des Zieles offensichtlich ungeeignet und offensichtlich nicht erforderlich seien.

Auf die Entscheidung des EuGH zum Fremdbesitzverbot für Optiker in Griechenland könne sich die Verfügungsbeklagte nicht stützen, da mit dem Betrieb von Apotheken ganz andere Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung verbunden seien als mit dem Betrieb von Optikergeschäften. Insbesondere könne ein durch kommerzielle Eigentümer beeinflusster Mehrgebrauch oder Missbrauch von Arzneimitteln zu schweren Gesundheitsschäden oder gar zum Tod führen.


Die Verfügungsklägerin beantragt:

1.
Der Antragsgegnerin wird es verboten, in Deutschland Apotheken, insbesondere die Doc Morris-Apotheke, Kaiserstraße 16-18, 66111 Saarbrücken, zu betreiben.

2.
Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1. ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf.


Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie meint, die ihr erteilte Betriebserlaubnis sei nicht fehlerhaft, insbesondere nicht nichtig.

Das sich aus den Vorschriften des Apothekengesetzes ergebende Fremdbesitzverbot sei wegen Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit der Art. 43, 48 EGV gemeinschaftsrechtswidrig. Der Anwendbarkeit von Art. 43 EGV stünden weder Art. 47 Abs. 3 noch Art. 152 Abs. 5 EG-Vertrag entgegen. Die Niederlassungsfreiheit enthalte auch ein Beschränkungsverbot. Dieses gelte auch für Sachverhalte, die Leistungen im Krankheitsfall betreffen. Eine solche Beschränkung liege vor, wenn ein Träger der Grundrechte des EG-Vertrages durch die speziellen Maßnahmen in seinem Zugang zum Markt behindert werde, wie es im Fall einer in der Form einer Kapitalgesellschaft im Ausland betriebenen Apotheke der Fall sei.

Mitgliedschaftsrechtliche Vorschriften, durch die ein Mehr- und Fremdbesitzverbot begründet werde, seien gemeinschaftsrechtlich nur zulässig, wenn sie gerechtfertigt werden könnten.

Von den Regelungszielen des Apothekengesetzes (Gesundheitsschutz, Schutz des Mittelstandes und Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung) könne nur der Gesundheitsschutz als Rechtfertigung in Frage kommen, da rein wirtschaftliche Erwägungen regelmäßig keine Grundrechtseingriffe tragen würden.

Das Prinzip des Fremdbesitzverbotes stelle keine notwendige Bedingung des Apothekenwesens als Ordnungssystem in Deutschland dar. Eine Aufweichung dieses Prinzips liege bereits in der Einführung des eingeschränkten Mehrbesitzes.

Die Beschränkung sei nicht verhältnismäßig. Es bestünden bereits Zweifel, ob das Mehr- und Fremdbesitzverbot geeignet sei, die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Die Unterstellung, ein selbständiger Apotheker übe seinen Beruf stets gewissenhafter und in stärker der besonderen öffentlichen Gemeinwohlbildung verpflichteter Weise aus als der approbierte, aber angestellte Apotheker sei nicht nachzuvollziehen, ebenso wenig wieso das Gewinnstreben eines „eigenbesitzenden“ Apotheker weniger ausgeprägt sein solle als das eines Fremdbesitzers.

Jedenfalls mangele an der Erforderlichkeit des Mehr- und Fremdbesitzverbotes, wie sich aus der Entscheidung des EuGH Rs C-140/03 hinsichtlich des Fremdbesitzverbotes für Optiker in Griechenland ergebe. Der Gesundheitsschutz über eine sorgfältige Arzneimittelabgabe könne auch über andere Maßnahmen erreicht werden. Das Erfordernis der persönlichen Anwesenheit eines qualifizierten Berufsträgers müsse regelmäßig ausreichen, um die fachlich korrekte Leistungserbringung sicherzustellen wie es auch bei Filialapotheken gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 2 Apothekengesetz vorgesehen ist. Hinsichtlich des Fremdbesitzverbotes entspreche allein diese Auffassung der grundsätzlichen Gleichstellung von juristischen und natürlichen Personen nach Art. 48 EGV.

Nationale Vorschriften, die mit Gemeinschaftsrecht nicht in Einklang stehen, dürften von den Behörden der Mitgliedsstaaten nicht angewendet werden. Eine Verwerfung durch die Behörden sei dann geboten, wenn der Verstoß der betroffenen Norm gegen Gemeinschaftsrecht von EuGH bereits festgestellt oder wenn er evident sei. Im vorliegenden Fall ergebe sich die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Vorgabe des Apothekengesetzes zum Fremdbesitzverbot aus der Entscheidung des EuGH zu der vergleichbaren Regelung des griechischen Rechts über das Betreiben von Optikergeschäften. Die zuständige Behörde sei folglich verpflichtet gewesen, das gemeinschaftsrechtswidrige deutsche Recht außer Acht zu lassen und die beantragte Apothekenbetriebserlaubnis gemeinschaftsrechtskonform zu erteilen.

Nichtigkeit gemäß § 44 VVG sei daher nicht gegeben. Sie komme selbst dann nicht in Betracht, wenn man die Erteilung der Erlaubnis als fehlerhaft ansehen würde. Aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben liege ein besonders schwerwiegender Fehler nicht vor. Ein derartiger Fehler wäre aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auch nicht offenkundig i.S. des § 44 VwVfG.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Verfügungsklägerin ist gemäß § 8 Abs. 3 Ziffer 1 UWG klagebefugt.

Sie hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass ihr der geltend gemachte Verfügungsanspruch gemäß §§ 935, 940 ZPO zusteht.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus §§ 3, 4 Ziffer 11 UWG.

Zwar stellt das Apothekengesetz eine Marktverhaltensregelung im Interesse der Marktteilnehmer dar, sodass § 4 Ziffer 11 UWG anwendbar ist (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Ziffer 11, Rdnr. 11.77 mwN).

Aus der Verletzung von Marktverhaltensregelungen ergibt sich daher grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch zu Gunsten der Wettbewerber, sofern der Wettbewerb hierdurch nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird.

Vorliegend ist zu Gunsten der Verfügungsbeklagten durch das Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales als zuständiger Verwaltungsbehörde aber ein Verwaltungsakt ergangen, durch den der Verfügungsbeklagten ausdrücklich gestattet wurde, in der Kaiserstraße 16-18 in Saarbrücken eine Filialapotheke zu betreiben, die durch eine verantwortliche Apothekerin geleitet wird.

Unabhängig von den Umständen, die zum Zustandekommen der Erlaubnis zum Betrieb der Filialapotheke geführt haben, handelt es sich hierbei entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Abs. 1 VwVfG. Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, da der Verfügungsbeklagten ein bestimmtes Verhalten - nämlich das Betreiben einer Filialapotheke - gestattet wird. Auf die Art und Weise des Zustandekommens der Entscheidung der Verwaltungsbehörde kommt es für die Einordnung als Verwaltungsakt nicht an. Selbst bei Vorliegen der von der Verfügungsklägerin als kollusives Zusammenwirken zwischen der Genehmigungsbehörde und der Verfügungsbeklagten bezeichneten Umstände, unter denen die Erteilung der Betriebserlaubnis nach Darstellung der Verfügungsklägerin zustande gekommen sein soll, würde dies nichts an der Natur der Entscheidung als Verwaltungsakt ändern. Dies ergibt sich bereits aus § 48 II Nr. 1 VwVfG. Dort wird eine Entscheidung der Verwaltungsbehörde, die aufgrund von Täuschung, Drohung oder Bestechung zustande gekommen ist, ohne weiteres als – lediglich – anfechtbarer Verwaltungsakt definiert.

Ein Verhalten, das sich auf einen von einer zuständigen Verwaltungsbehörde erlassenen Verwaltungsakt stützt, ist aber nur dann unlauter, wenn dieser Verwaltungsakt gemäß § 44 VwVfG nichtig ist (BGH WRP 05, 1161, 1162 – Atemtest; Hefermehl/Köhler/Bornkamm UWG, § 4 Ziffer 11, Anm. 11.20 mwN).

Hiervon ist vorliegend jedoch nicht auszugehen.

Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes setzt – da die Katalogfälle des § 44 Abs. 2 VwVfG nicht einschlägig sind – nach dem zur Anwendung kommenden §§ 44 Abs. 1 VwVfG voraus, dass der Verwaltungsakt an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

Der Begriff „besonders schwerwiegend“ bezieht sich dabei auf den Verwaltungsakt als solchen, nicht auf ein eventuelles Fehlverhalten der erlassenden Behörde. Denn der Fehler, von dem in § 44 Abs. 1 VwVfG die Rede ist, bezieht sich nach dessen Wortlaut auf den Verwaltungsakt, nicht auf das Verhalten der Behörde (vgl. BVerwG, NJW 85, 2659). Folglich ist unerheblich, aus welchen Gründen der in Rede stehende Verwaltungsakt erlassen worden ist, insbesondere ob es sich um Gründe handelt, die mit dem Zweck des Gesetzes, auf dem er letztlich beruht, vereinbar sind. Gleichfalls unerheblich ist, ob die Behörde selbst von einem Verstoß gegen das betreffende Gesetz ausgegangen ist, wie es die Verfügungsklägerin im Hinblick auf die von dem Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales herausgegebenen Presseerklärungen behauptet. Entscheidend ist allein, ob der Verwaltungsakt als solcher an einem besonders schweren Fehler leidet.

Besonders schwerwiegende Fehler im Sinne des § 44 Abs.1 VwVfG sind solche, die in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und der ihr zugrundeliegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft stehen, dass es unerträglich wäre, wenn der Verwaltungsakt die mit ihm intendierten Wirkungen hätte (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 44 Anm. 8).

Maßgebend ist nicht primär der Verstoß gegen bestimmte Rechtsvorschriften als solcher, sondern der Verstoß gegen die der Rechtsordnung insgesamt oder in bestimmter Hinsicht zugrundeliegenden und diese tragenden Zweck- und Wertvorstellungen, insbesondere auch gegen Verfassungsprinzipien und das Ausmaß des Widerspruches zu diesen. Der Verstoß muss nach Art und Ausmaß ein Gewicht haben, dass eine Einschränkung des Gebotes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zugunsten der Stabilität des Verwaltungsaktes und damit der Rechtssicherheit nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Deshalb kommt es auch nicht entscheidend auf den Rang der Rechtsvorschriften an, gegen die der Verwaltungsakt verstößt. Das Gewicht des Fehlers entscheidet sich nach den verletzten Werten, der rechtsethischen oder gesellschaftlichen Bedeutung der verletzten Rechtsnorm und dem Ausmaß der Verletzung.


Die streitgegenständliche Betriebserlaubnis ist entgegen dem Wortlaut der §§ 1, 2, 8 Apothekengesetz ergangen. Danach darf die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke bzw. Filialapotheke nur natürlichen Personen erteilt werden, die eine Approbation als Apotheker besitzen. Bei der Verfügungsbeklagten handelt es sich demgegenüber um eine juristische Person niederländischen Rechts, deren Gesellschafter unstreitig keine Apotheker sind.

Ein Verstoß gegen das Apothekengesetz als solches führt – wie oben dargelegt – für sich allein noch nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes. In Betracht kommt jedoch ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG, in dem die Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht normiert ist.

Wie den Presseerklärungen des Ministeriums für Justiz, Gesundheit und Soziales zu entnehmen ist, beruft sich die erlassende Behörde darauf, die Vorschriften des Apothekengesetzes würden den höherrangigen Vorschriften des EG-Rechts widersprechen.

Die Verfügungsbeklagte trägt hierzu vor, die Vorschriften des deutschen Apothekengesetz würden den Art. 43, 48 EGV, durch die Niederlassungsfreiheit auch für juristische Personen im Gebiet der EG auch in der Form des Beschränkungsverbotes begründet wird, widersprechen und seien daher mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar.

Dem gegenüber beruft sich die Verfügungsklägerin für die gemeinschaftsrechtliche Konformität dieser Vorschriften auf Art. 30, 152 Abs. 5 EG-Vertrag. Da die Regeln für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung der Bevölkerung, worunter auch das Apothekenrecht zählt, nicht harmonisiert sind, gelten für dieses Rechtsgebiet Art. 30, 152 Abs. 5 EGV. Es ist daher Sache der Mitgliedsstaaten in den durch den Vertrag gesetzten Grenzen zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz für Gesundheit und Leben von Menschen gewährleisten wollen (s. EuGH Rs C – 322/01 Deutscher Apothekerverband/ Doc Morris, Rdz. 103). Maßnahmen der Mitgliedsstaaten sind mit dem Vertrag zu vereinbaren, soweit sie zu einem wirksamen Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen notwendig sind (Rz. 104) bzw. dass sie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen vorfolgten Zweckes zur gewährleisten und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zweckes erforderlich ist (Rs C 140/03 Kommission/Griechenland, Rz 34).

Ob danach die Regelungen des Apothekengesetzes mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, kann im vorliegenden Fall jedoch dahinstehen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes entfalten die Vorschriften des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts im innerstaatlichen Raum unmittelbare Wirkung und überlagern und verdrängen entgegenstehendes nationales Recht (BVerfGE31, 145, 174; BVerwGE 87, 154, 158 ff; Wolff/Bachoff, Verwaltungsrecht Band 1, § 26 III 9). Die Grenzen dieses Anwendungsvorranges ergeben sich vornehmlich aus den hier nicht betroffenen Art. 23, 79 Abs. 3 und 19 Abs. 2 GG. Die Anerkennung des Vorranges bedeutet für die Verwaltung, dass gemeinschaftswidrige Rechtsvorschriften, ohne dass eine Vorlagemöglichkeit nach Art. 100 Abs. 1 GG besteht, nicht angewendet werden dürfen.

Der EuGH verlangt von den mitgliedstaatlichen Verwaltungsbehörden in ständiger Rechtsprechung, dass diese das nationale Recht auf seine Vereinbarung mit dem EG-Recht nicht nur überprüfen, sondern es gegebenenfalls auch unangewendet lassen (vgl. Schmidt-Aßmann, Festschrift für Stern, Seite 745, 761; Streinz, Festschrift für Söllner, 1139, 1152; Wolff/Bachoff Band 1, § 17 IV 2, Anm. 16, § 28 III 1, Anm. 22 jeweils mwN), wobei die Verwaltung keine Möglichkeit hat, ein Vorabentscheidungs- oder -Vorlageverfahren einzuleiten.

Der EuGH postuliert danach eine im Vorrang des EG-Rechts gründende Normverwerfungspflicht der mitgliedstaatlichen Verwaltung, die verlangt, vom staatlichen Recht gleich welcher Normebene abzuweichen, wenn es einer unmittelbar geltenden Bestimmung des Gemeinschaftsrecht entgegen steht.

Dies kann in der Praxis zu erheblichen Problemen führen. Es besteht die Gefahr von Rechtsunsicherheiten im Bestand des nationalen Rechts, da die Maßstäbe des EG-Rechts nicht selten unsicher sind und der Exekutive keine Verfahren zur verbindlichen Klärung zur Verfügung stehen.

Um die deswegen befürchtete „Anarchie“ zu vermeiden, wird daher die Meinung vertreten, in der Praxis sei hinsichtlich der Verwerfung nationaler Gesetze eine besonders sorgfältige Prüfung und Zurückhaltung geboten (Streinz, 1153; Schmidt/Aßmann, Seite 759, Wolff/Bachoff, § 28 Rndr. 21).

Vorliegend war lediglich zu überprüfen, ob ein besonders schwerwiegender und offensichtlicher Fehler des Genehmigungsbescheides im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG vorliegt, der diesen nichtig macht. Ein solcher Fehler liegt nur ausnahmsweise vor. Im Zweifelsfall ist von der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes auszugehen (BVerwGE 61, 67; BGHZ 48, 239; EuGH NJW 87, 3074; Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 44 Anm. 31).

Von einer Nichtigkeit, also dem Vorliegen eines Fehlers, der in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrundeliegenden Wertvorstellungen steht, dass es unerträglich wäre, wenn der Verwaltungsakt die mit ihm intendierten Rechtswirkungen hätte, wäre vorliegend im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH zur Verwerfungskompetenz und sogar Verwerfungspflicht der Verwaltungsbehörde daher nur dann auszugehen, wenn die Verletzung von EG-Recht völlig ausgeschlossen wäre. Hiervon kann aber insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-140/03 Kommission/ Griechenland zum Mehr- und Fremdbesitzverbot für Optikergeschäfte sowie die Ausführungen der Verfügungsbeklagten nicht ohne weiteres ausgegangen werden.

Jedenfalls wäre aber ein besonders schwerwiegender Fehler nicht offensichtlich im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG. Die schwere Fehlerhaftigkeit muss danach ohne weiteres erkennbar sein. Nur in einem solchen Fall ist es nämlich aus Gründen der Rechtssicherheit vertretbar, einem Hoheitsakt alle mit ihm beabsichtigten Rechtswirkungen von Anfang an zu nehmen (Knack, VwVfG, § 44 Anm. 28). Offensichtlichkeit bedeutet, dass die schwere Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich sein muss, sie sich geradezu aufdrängen muss. Dem Verwaltungsakt muss die Fehlerhaftigkeit auf die Stirn geschrieben sein, d.h. es darf die ernsthafte Möglichkeit, dass der Verwaltungsakt doch rechtmäßig sein könnte, nach Lage der Dinge für einen unvoreingenommenen, urteilsfähigen, weder besonders sach- noch rechtskundigen aber aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter nicht bestehen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 44 Anm. 12).

Diese Voraussetzungen sind angesichts der vorhandenen europarechtlichen Problematik im vorliegenden Fall nicht gegeben.


Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war daher mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 6, 711 ZPO.