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Der Notfallarzt als Verrichtungsgehilfe

Kritische Würdigung des BGH-Urteils VI ZR 39/08, veröffentlicht in AZR 2009, S. 90 ff.

I.  EINLEITUNG

In jüngster Zeit hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) [1] im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses mit der Frage zu beschäftigen, ob ein zum Notfalldienst verpflichteter niedergelassener Arzt für denjenigen haften muss, der an seiner Stelle tätig geworden ist.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Es war eine Nacht im August in der ein Mann über starke Schmerzen in der Magengegend klagte. Die Ehefrau nahm den Hörer zur Hand und wendete sich an die Gemeinschaftspraxis zweier Ärzte [2]. Der Anrufbeantworter der Praxis verwies auf den Umstand, dass der Anruf außerhalb der üblichen Zeiten stattfinde. Zwar waren sie nach § 1 Abs. 1 und 2 der Gemeinsamen Notfalldienstordnung der zuständigen Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung grundsätzlich zur Erfüllung des Notfalldienstes verpflichtet. Sie hatten jedoch von ihrem Recht Gebrauch gemacht, sich durch einen anderen Arzt vertreten zu lassen. Anrufende wie die Ehefrau des Erkrankten wurden auf den ärztlichen Notdienst verwiesen, den die Ehefrau sodann auch kontaktierte.

Der notdiensthabende Arzt [3], der den Notfalldienst anstelle der Praxisärzte wahrnahm erschien bei den Eheleuten und untersuchte den erkrankten Mann. Der Notfallarzt kam zu dem Ergebnis, dass der Mann an einer Gastroenteritis leide und verabreichte ihm 2 ml Metoclopramid (MCP). Zudem verordnete er auf dem Rezeptformular der Praxisärzte das Medikament Buscopan. Nur der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass auch die Abrechnung durch die Praxisärzte mit der kassenärztlicher Vereinigung stattfand.

Dass es sich bei den Beschwerden des Mannes nicht um eine Gastroenteritis handelte, wurde am darauf folgenden Tag deutlich. Der Mann erlitt einen Herzinfarkt. Er verstarb einige Monate später an den Folgen.

Die Ehefrau warf dem Notfallarzt vor, keine ausreichende Anamnese vorgenommen zu haben. Er hätte die Anzeichen des nahenden Herzinfarktes erkennen können und auch müssen. Neben dem Notfallarzt wollte sie auch die Praxisärzte, deren Stempel auf der Verordnung auftauchte in die Haftung nehmen und verklagte neben dem Notfallarzt auch diese auf Schadensersatz wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung, Erstattung der Behandlungskosten und Feststellung der Ersatzpflicht von gegenwärtigen und künftigen Unterhaltsschäden. Eine Haftung wiesen die Praxisärzte weit von sich. Schließlich hätten sie weder persönlichen Kontakt zum behandelnden Notfallarzt noch zu dem Patienten gehabt. Das Rezeptformular der Praxisärzte sowie die Abrechnung über diese sei nur aus Praktikabilitätsgründen erfolgt.

Dass ein Behandlungsfehler tatsächlich vorgelegen hat und der behandelnden Notfallarzt hätte erkennen können, dass es sich bei den vermeintlichen Magenschmerzen um Herzbeschwerden gehandelt hatte, haben alle befassten Instanzen bestätigt. Strittig blieb allein, wer für diese fehlerhafte Behandlung einzustehen hat. Das Landgericht Köln verurteilte nicht nur den Notfallarzt sondern auch die Praxisärzte [4]. Dem wollte sich das Oberlandesgericht Köln als Berufungsgericht nicht anschließen und wies die Klage gegen die Praxisärzte ab [5]. Die dagegen eingelegte Revision war zumindest zunächst erfolgreich.


II.  DIE ENTSCHEIDUNG DES BUNDESGERICHTSHOFES

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes müssen Praxisärzte zwar nicht per se für die Handlungen des ärztlichen Notfalldienstes einstehen. Insbesondere führe der Hinweis auf den kassenärztlichen Notdienst allein noch nicht zu einer Haftung. Diese sei aber dann begründet, wenn Notfallarzt und Praxisärzte eine Einheit darstellen, in der eine organisatorische Abhängigkeit besteht.

Ob im vorliegenden Fall eine Einheit vorgelegen hat, konnte der Bundesgerichtshof nicht abschließend feststellen und verwies insoweit zurück an das Oberlandesgericht. Festzustellen inwieweit Notfallarzt und Praxisärzte im vorliegenden Fall eine Einheit bilden und ob die Praxisärzte ein Verschulden hinsichtlich der Überwachung und Auswahl trifft, ist nun dessen Aufgabe.

Welche Voraussetzungen der Bundesgerichtshof dem Oberlandesgericht zu diese Entscheidungen mitgegeben hat und wie diese zu bewerten sind, soll an dieser Stelle besprochen werden. Die Abhandlung beschäftigt sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arzt für einen anderen Verrichtungsgehilfe sein kann und ob es die Möglichkeit gibt, sich dieser im Wege der sogenannten Exkulpation zu entledigen.


III.  DER VERRICHTUNGSGEHILFE

Dreh- und Angelpunkt der Diskussion ist die Regelung des § 831 BGB, nach der derjenige, der einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zugefügt hat. Die Regelung statuiert den Begriff des „Verrichtungsgehilfen“. Wann wird aber jemand zu einer sogenannten Verrichtung bestellt?

Der Begriff des „Verrichtungsgehilfen“ setzt nicht notwendig voraus, dass er den Geschäftsherrn rechtsgeschäftlich vertreten darf. So weit geht die Begriffsbestimmung nicht. Maßgebliches Kriterium für die Einordnung als „Verrichtungsgehilfe“ ist, dass zwischen ihm und dem Geschäftsherrn eine Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit besteht [6]. Dem Verrichtungsgehilfen muss die Tätigkeit von jemandem übertragen worden sein, in dessen Einflussbereich er allgemein oder im konkreten Fall und zu dem er in einer gewissen Abhängigkeit steht [7]. Zudem muss die Tätigkeit in erheblichem Umfang von der Weisung des Geschäftsherrn abhängig sein [8]. Ob die zu erbringende Tätigkeit entgeltlich oder unentgeltlich ist, sie eine tatsächliche Handlung oder ein Rechtsgeschäft darstellt, ist irrelevant [9]. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob die Tätigkeit wirksam vereinbart, oder ob sie stillschweigend oder ausdrücklich übertragen worden ist [10].

Zur Bejahung der „Weisungsgebundenheit“ reicht es aus, wenn der Geschäftsherr die konkrete Tätigkeit des Handelnden jederzeit beschränken, untersagen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann [11]. Ob eine weisungsabhängige Tätigkeit vorliegt oder es sich um die selbständige Wahrnehmung einer Aufgabe handelt, ist nicht immer einfach voneinander abzugrenzen. Gerade im Gesundheitswesen sind die Übergänge fließend. Die Gründe dafür liegen nicht nur in den fachlichen Kompetenzen sondern auch im Zeitfaktor begründet. Die Rechtsprechung hat daraus Konsequenzen gezogen.

So hat das OLG Hamm im Bereich der Inanspruchnahme externer Unternehmer entschieden, dass eine Weisungsgebundenheit eines ärztlichen Geburtshelfers gegenüber der Betreiberin eines Geburtshauses nicht besteht [12]. Die Grenze sei aber erreicht, wenn eine Eingliederung in den Organisationsbereich und die Unterwerfung an die Weisungen des Geschäftsherrn vorliege [13]. Auf der anderen Seite wurde die Pflicht der sorgfältigen Auswahl und Überwachung der Tätigkeitsausführung auch für die unternehmensexternen Organisation ausgedehnt [14].

Im Ergebnis soll es zur Annahme eines Verrichtungsgehilfen genügen, wenn dieser den Weisungen des Geschäftsherrn unterworfen ist und die Tätigkeit jederzeit beschränken, entziehen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann [15]. In der Konsequenz sind all diejenigen, gleich ob sie wirtschaftlich oder sozial abhängig sind oder nicht, unter den Begriff des Verrichtungsgehilfen zu definieren, wenn sie bei der Verrichtung selbst in Einzelheiten den Weisungen des Auftraggebers unterliegen und von seinem Willen abhängig sind [16].
Bei der Betrachtung ist insbesondere die für das Gesundheitswesen ergangene Rechtsprechung zu betrachten. So hat ein Krankenhausträger grundsätzlich für die bei ihm tätigen Ärzte als Verrichtungsgehilfen einzustehen [17]. Gleiches soll für Krankenschwestern [18] und Krankenpflegerhelferinnen [19] gelten. Etwas anderes soll nur für den fachlich weisungsfreien (Chef)Arzt gelten, der als Repräsentant des Krankenhausträgers nach § 31 einzustufen ist [20]. Dabei komme es nicht darauf an, ob er satzungsgemäß bestellt worden ist oder nicht.

Im Gegensatz dazu soll bei einem Belegarzt oder einer Beleghebamme keine Weisungsgebundenheit bestehen [21]. Gleiches soll für den Konsiliararzt [22], der durch Internet oder Videoübertragung tätig werdende Telearzt [23], der selbstliquidierende Chefarzt im Rahmen eines gespaltenen Arzt- und Krankenhausvertrages [24] oder den weiter behandelnden Arzt im Verhältnis zum erst behandelnden Arzt [25] gelten. Im Gegensatz dazu soll der für die vorübergehende Abwesenheit eines Arztes bestellte Vertreter Verrichtungsgehilfe des abwesenden Arztes sein [26].

Diese Rechtsprechung setzt der Bundesgerichthof nun fort und führt aus, dass auch im Verhältnis Notfallarzt und Praxisarzt zur Annahme eines Verrichtungsgehilfen eine organisatorische Einheit vorliegen muss. Hieran ändere sich auch nichts, wenn der Aushilfsarzt im Einzelfall die Behandlung eines Patienten nach eigener Entschließung aus eigener ärztlicher Kenntnis vornimmt [27]. Eine solche organisatorische Einheit läge im vorliegenden Fall vor. Hierfür spreche zunächst, dass der Notfallarzt die Rezeptbögen der Praxisärzte inklusive Praxisstempel verwendet hat. Zudem sei er derart in die Praxisverwaltung eingebunden gewesen, dass seine Leistungen durch die Praxisärzte gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet wurden. Weiter hätte die zu jedem im Rahmen des Notdienstes behandelten Patienten die übliche Dokumentation stattgefunden, welche nach Beendigung der Tätigkeit den Praxisärzten zur Kenntnisnahme bzw. Verwahrung übergeben worden sei. Nach alledem geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass der Notfallarzt als Verrichtungsgehilfe der Praxisärzte tätig geworden sei.

Um eine Haftung im Sinne des § 831 BGB auslösen zu können, muss der Schaden im Sinne des § 831 BGB widerrechtlich zugefügt worden sein. Dieser Bezug zu § 823 BGB stellt klar, dass zumindest der objektive Tatbestand des § 823 BGB erfüllt sein muss. Auf ein Verschulden kommt es hingegen grundsätzlich nicht an [28]. Das Schutzgut Leben aus § 823 BGB ist vorliegend betroffen. Dass der Verrichtungsgehilfe den Schaden bei der Ausführung der Verrichtung verursacht hat, dürfte außer Frage stehen. Vorliegend besteht ein unmittelbarer innerer Zusammenhang zwischen der ihm aufgetragenen Verrichtung nach ihrer Art und ihrem Zweck einerseits und der schädigenden Handlung andererseits [29].


IV.  EXKULPATION

Von der Möglichkeit, sich der Haftung zu entledigen, hat der Bundesgerichtshof nur am Rande gesprochen und dahingehend eine weitere Sachverhaltsaufklärung gefordert. Die Praxisärzte haben in der Konsequenz noch die Möglichkeit, einen Entlastungsbeweis im Sinne des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB zu führen. Dabei stellt sich die Frage, in welchen Fällen im Allgemeinen eine Entlastung erfolgen kann, besonders im Falle von Ärzten als Verrichtungsgehilfen.

Ein Geschäftsherr kann sich dann der gesetzlich vermuteten Haftung entziehen, wenn er nachweisen kann, bei der Auswahl des Verrichtungsgehilfen und bei der Leitung der Geschäftsangelegenheiten die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet zu haben. Die Haftung entfällt ebenfalls, wenn der Schaden selbst bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre.

Klar dürfte sein, dass je gefährlicher, verantwortungsvoller und komplexer die Tätigkeit ist, die der Verrichtungsgehilfe ausüben soll, desto größere Anforderungen an den Geschäftsherrn bei der Auswahl, Überwachung und Leitung gestellt werden [30]. Besonders strenge Maßstäbe sind in den Fällen heranzuziehen, in denen die Tätigkeit des Verrichtungsgehilfen mit Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder mit gravierenden Risiken für Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter verbunden ist [31]. Auf vorgelegte Zeugnisse darf sich der Geschäftsherr nur bedingt verlassen. Es wird ihm in bestimmten Fällen zugemutet, Nachforschungen anzustellen [32]. Nur in dem Fall in dem der Geschäftsherr selbst keine eigene Fachkenntnis besitzt, wird ihm zugestanden, sich bei bestimmten Berufsgruppen, zu denen auch die Ärzte zählen sollen, auf die vorgelegten Qualifikationen verlassen zu dürfen. Gerade dies könnte den Ärzten im vorliegenden Fall zum „Verhängnis“ werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Praxisärzte über die Prüfung der Vertretungseignung (Qualifikation bzw. Aufnahme ins Vertretungsregister) hinaus, weitere Informationen eingeholt haben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie auf eine korrekte Vorauswahl vertraut haben.
Unabhängig von der sorgfältigen Auswahl obliegt dem Geschäftsherrn auch die Pflicht zur sorgfältigen Überwachung und Leitung [33]. Entsprechend muss bei Tätigkeiten mit besonderem Gefahrenpotential, wie dies in der Gesundheitsversorgung der Fall ist, eine laufende Kontrolle stattfinden, um bei Verdachtsmomenten unverzüglich einschreiten zu können [34]. Erst wenn sich der Verrichtungsgehilfe über Jahre hinweg etabliert hat, kann in Betracht gezogen werden, die Kontrollpflicht des Geschäftsherrn bei langjähriger Bewährung entsprechend zu reduzieren [35].

Im Besonderen Bereich des Einsatzes von Ärzten als Verrichtungsgehilfen hat die Rechtsprechung festgelegt, dass bei der Auswahl eines Arztes der selbständig tätige Klinikarzt als Orientierungspunkt dienen soll [36]. Handelt es sich um einen Berufsanfänger, ist dieser streng zu kontrollieren [37]. Kann ein Arzt eine besondere Qualifikation sowie eine langjährige Berufserfahrung und Bewährung nachweisen, kann sich die Kontrolle reduzieren [38]. Um die Sorgfaltspflichten zu erfüllen, reicht es nicht aus, wenn der Krankenhausträger lediglich die Chefärzte allgemein auf die erforderliche Aufklärung vor der Operation hinweist und einschlägige Urteile übersendet [39]. So kann sich auch der Krankenhausträger nicht dadurch entlasten, dass der Chefarzt seine Aufgaben über einen langen Zeitraum hinweg ohne Beanstandungen durchgeführt hat [40].

Betrachtet man die Exkulpationsmöglichkeiten wird schnell klar, dass sich die Praxisärzte auf das seitens der zuständigen Ärztekammer organisierte und verwaltete Vertreterverzeichnis allein verlassen haben. Zwar ist es einem Geschäftsherrn unbenommen, die Leitung einem anderen Angestellten zu übertragen [41]. Zweifel ergeben sich im vorliegenden Fall jedoch nicht nur wegen des Begriffes des „Angestellten“ sondern auch wegen des Erfordernisses der sorgfältigen Auswahl dessen. Schließlich wird die Ärztekammer nicht in dem Sinne von den Ärzten „ausgewählt“. Landesärztekammern stellen Körperschaften des öffentlichen Rechts und ein Organ der ärztlichen Selbstverwaltung dar. Derjenige der in Deutschland als Arzt tätig ist, oder als Arzt in Deutschland wohnt, die Approbation oder eine Berufserlaubnis besitzt, selbst wenn er in Deutschland nicht berufstätig ist, Mitglied in der Ärztekammer werden muss. Eine Abwälzung der den Praxisärzten als Geschäftsherrn obliegenden Pflichten auf die Ärztekammer scheint mangels einer „freien Wahl“ daher abwegig.


IV. FAZIT

Es ist im konkreten Fall aus verschiedenen Gründen durchaus vertretbar, den Notfallarzt als Verrichtungsgehilfen der Praxisärzte anzusehen. Zum einen tritt er nach außen hin als der Ärztegemeinschaft zugehörig auf, indem er den Stempel der Praxisärzte verwendet hat. Zudem erweckt die Abrechnung über die Praxisärzte auch den Anschein der Integration in die organisatorischen Strukturen der Praxis. Das Argument des Berufungsgerichts, die Praxisärzte hätten durch die Verweisung an den Notfalldienst zum Ausdruck gebracht, keine vertragliche Beziehung zu den Anrufern eingehen zu wollen, kann diesen Anschein nicht entkräften.
Dafür spricht auch der Aspekt, dass im Sinne der Notfalldienstordnungen ein Notdienstvertreter nur für die Zeit der Vertretung den Notfall behandeln darf. Danach soll der vertretene Arzt die Behandlung fortführen. Der Notfallarzt kann demzufolge quasi als eine Art „Abschlussvermittlers“ gesehen werden.

Für den vorliegenden Fall ist seitens der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, ob die Praxisärzte sich erfolgreich im Sinne des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB exkulpieren werden können. Dass Argument, der Notfallarzt sei als Arzt zugelassen, wird aller Voraussicht nach nicht weiterhelfen können. Denn bislang kam die Rechtsprechung zu dem Ergebnis, dass die Zulassung an sich in den Fällen nicht ausreicht, in denen der Geschäftsherr selbst über einschlägige Fachkenntnis verfügt. Welche weiteren Nachforschungen die Praxisärzte hätten anstellen müssen, um sich erfolgreich der Haftung entledigen zu können, ist noch offen. Dabei wird auch die Frage auftauchen, was den Praxisärzten zumutbar ist.

Sollte die Berufung auf das Vertreterverzeichnis nicht ausreichen und dem Arzt, der eine Vertretung sucht, die Pflicht auferlegt werden, sich über die Eignung des Notfallarztes ein Bild zu machen, ist eines klar: so geht in der Praxis kein Arzt vor. Sollten tatsächliche durch die Rechtsprechung weitere Pflichten entwickelt werden, läuft die Möglichkeit, sich für den Notdienst vertreten zu lassen, ins Leere. Auch dies sollte das nun wieder mit dem Verfahren betraute Oberlandesgericht berücksichtigen.


FUSSNOTEN:

[1] BGH Urt. v. 10.03.2009 = VI ZR 39/08
[2] Nachfolgend: Praxisärzte.
[3] Nachfolgend: Notfallarzt.
[4] Entscheidung vom 02.05.2007, Az.: 25 O 250/03.
[5] Entscheidung vom 14.01.2008, Az.: 5 U 119/07.
[6] Vgl. MüKo/Wagner, BGB, 5. Auflage 2009, § 831, Rdnr. 14.
[7] BGH VersR 1998, 862 f; BGHZ 45, 311, 313 = NJW 1966, 1807; BGHZ 103, 298, 303 = NJW 1988, 1380; BGH, Urteil vom 14.02.1989 – VI ZR 121/88VersR 1989, 522, 523.
[8] BGH VersR 1998, 862 f; BGHZ 80, 1, 3 = NJW 1981, 1516; BGHZ 45, 311, 313 = NJW 1966, 1807; BGH NJW 1994, 2756, 2757; OLG Karlsruhe VersR 1990, 860 f; OLG Köln TranspR 1995, 440, 441 für Gelegenheitshilfen außerhalb der Verrichtung; BGH VersR 1979, 844 f für behandelnde Ärzte; Staudinger/Belling/Eberl-Borges Rdnr. 56 ff.
[9] RGZ 91, 363 f; BGH FamRZ 1964, 84.
[10] Palandt/Sprau Rdnr. 5.
[11] Vgl. Palandt/Sprau, BGB, 68. Auflage 2009, § 831, Rdnr. 5.
[12] OLG Hamm VersR 2006, 512, 514 Tz. 82ff. – zweifelhaft; anders zu Recht Gehrlein ZGMR 2005, 77 f.
[13] Vgl. BGH VersR 1998, 862 f für Testesser als freien Mitarbeiter; BGHZ 45, 311, 313 = NJW 1966, 1807 für Gesellschafter einer GbR; BGH NJW 1980, 941; WM 1989, 1047, 1050; OLG Düsseldorf VersR 1996, 511 für Kranführer als Leiharbeitnehmer; Erman/Schiemann Rdnr. 6; Staudinger/Belling/Eberl-Borges Rdnr. 60 m.w.N.; Larenz/Canaris § 79 III 2a.
[14] Für Entsorgungspflichten BGH NJW 1976, 46, 47 f; OLG Dresden VersR 1995, 836; OLG Düsseldorf VersR 1995, 1363, 1364; ähnlich die strafrechtliche Rspr, BGHSt 40, 84, 86 ff = NJW 1994, 1745; für Zulieferer BGH NJW 1994, 3349, 3350; vgl. BGH NJW 1975, 1827, 1828.
[15] Vgl. BGH VersR 1998, 862 f; BGHZ 45, 311, 313 = NJW 1966, 1807 für BGB-Gesellschafter.
[16] BGH NJW 1956, 1715 für Generalvertreter.
[17] BGHZ 96, 360, 369 = NJW 1986, 1542; BGHZ 95, 63, 71 = NJW 1985, 2189; BGH NJW 1985, 2193; NJW 1986, 776; NJW 1988, 2298, 2300; OLG Brandenburg NJW-RR 2000, 24, 25; Laufs/Uhlenbruck , HdB Arztrecht, § 104 Rdnr. 8, 11; Deutsch Medizinrecht Rdnr. 236, 252; ausführlich: Reiling MedR 1995, 443, 447 ff; Büsken/Klüglich VersR 1994, 1141, 1145 f.
[18] BGH NJW 1959, 2302; OLG Köln VersR 1999, 624, 626; Deutsch Medizinrecht Rdnr. 255.
[19] BGH NJW 1979, 1935.
[20] BGHZ 101, 215, 218 = NJW 1987, 2925; BGHZ 77, 74, 79 = NJW 1980, 1901; OLG Brandenburg NJW-RR 2000, 24, 25; NJW-RR 2000, 398, 399; Steffen/Dressler Arzthaftungsrecht Rdnr. 97.
[21] BGHZ 129, 6, 14 f = NJW 1995, 1611; vgl. auch BGH NJW 1992, 2962; Laufs/Uhlenbruck , HdB Arztrecht, § 104 Rdnr. 7; zum Belegarzt Franzki/Hansen NJW 1990, 737, 739; anders für den ansonsten frei praktizierenden Kinderarzt in der Neugeborenenstation eines Krankenhauses, OLG Oldenburg VersR 1989, 1300f.
[22] OLG Stuttgart VersR 1992, 55, 57; Steffen/Dressler Arzthaftungsrecht Rdnr. 93.
[23] Pflüger VersR 1999, 1070, 1074.
[24] BGHZ 85, 393, 397; BGH NJW 1975, 1463, 1465; s auch Deutsch Medizinrecht Rdnr 95.
[25] OLG Koblenz vom 9.5.2005, 12 U 420/05 Tz 68; Katzenmeier Arzthaftungsrecht, 2002, S 127.
[26] BGH NJW 1956, 1834 f; OLG Oldenburg VersR 2003, 375, 376.
[27] BGH Urt. v. 16.10.1956 = NJW 1956, 1834 f.
[28] BGH NJW 1996, 3205/3207
[29] BGH NJW 1971, 31/32
[30] OLG Braunschweig VersR 1999, 502 = RTkom 1999, 93 betreffend Fräsmaschine; OLG Celle,VersR 1988, 617 f betreffend Schweißgerät; OLG Köln NJW-RR 1997, 471; KG NJW-RR 2003, 24; Filthaut NZV 2006, 176, 178.
[31] BGH NJW 2002, 288, 289 = NZV 2003, 27, 28; OLG Köln VersR 1988, 44.
[32] Siehe dazu insbesondere die Rspr. zu Kraftfahrern Rdnr. 36 sowie BGH VersR 1970, 327; VersR 1984, 67; NJW 1964, 2401, 2402; MünchKommBGB/ Wagner Rdnr. 33.
[33] Vgl. BGHZ 8, 239, 243 = NJW 1953, 584; BGH NJW 1978, 1681 f; NJW-RR 1996, 867 f; s bereits RGZ 78, 107, 109 f; 87, 1, 4; 128, 149, 152 ff; 142, 356, 361; anders noch RGZ 53, 123, 125; zur Entwicklung Helm AcP 166 (1966), 389, 392 f; Soergel/Krause Rdnr. 45; Erman/Schiemann Rdnr. 18.
[34] RGZ 142, 356, 361 f; BGH NJW 1978, 1681 Arzt ohne Kittel bei einer Entbindung.
[35] BGHZ 1, 383, 388 betreffend eines Chefarztes, der lange Jahre hindurch seine Pflichten vollständig erfüllt hat; BGHZ 105, 189 = NJW 1989, 769, 771 f, erfahrener Assistenzarzt erfordert nicht unbedingt stichprobenartige persönliche Überwachung; BGH VersR 1983, 668; OLG Bamberg VersR 1994, 813, 815; Staudinger/Belling/Eberl-Borges Rdnr. 97.
[36] BGH NJW 1978, 1681 für Assistenzarzt.
[37] BGH NJW 1988, 2298, 2300; zur Anfängeroperation § 823 Rdnr. 678 ff sowie BGH NJW 1984, 655.
[38] OLG Köln VersR 1989, 708 f.
[39] KG VersR 1979, 260 f.
[40] KG VersR 1979, 260 f.
[41] Palandt/Sprau, , BGB, 68. Auflage 2009, § 831 BGB Rdnr. 15.

von Dr. Fabienne Diekmann