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Über die Integration einer EU-ausländischen Apotheke in das deutsche Sachleistungssystem mit Blick auf die Herstellerrabattregelung gem. Pargraph 130a SGB V

Stellungnahme zu den Urteilen des Sozialgerichts Freiburg vom 21.06.2005 (Az.: S 11 KR 4074/03) und des Sozialgerichts Köln vom 21.09.2005 (Az.: S 5 KR 292/03), veröffentlicht in A&R (Apotheke & Recht) 2005, S. 111 f.

I. Einführung

Derzeit sind vor verschiedenen Sozialgerichten ca. 20 Verfahren anhängig, mit denen eine EU-ausländische Apotheke gegenüber deutschen Arzneimittelherstellern einen Herstellerrabatterstattungsanspruch gem. § 130a Abs. 1 S. 2 SGB V einklagt.

Während die Geltendmachung des Herstellerrabatterstattungsanspruchs eine Vielzahl von Rechtsfragen aufgeworfen hat, zeichnet sich mit Blick auf die ersten erstinstanzlichen Urteile (Sozialgericht Freiburg vom 21.06.2005, Az.: S 11 KR 4074/03; Sozialgericht Köln vom 21.09.2005, Az.: S 5 KR 292/03) ab, dass zentrale Voraussetzung eines derartigen Anspruchs offenbar die Teilnahme am deutschen Sachleistungsprinzip bilden soll.

Eine Teilnahme am deutschen Sachleistungssystem wiederum sei nach Auffassung der Gerichte nur dann gegeben, wenn eine Apotheke entweder

  1. einem Mitgliederverband der Spitzenorganisation angehört und die Satzung des Verbandes vorsieht, dass von der Spitzenorganisation abgeschlossenen Verträge nach Art des Rahmenvertrages gem. § 129 SGB V Rechtswirkung für die dem Verband angehörenden Apotheken entfaltet, oder
  2. dem Rahmenvertrag nach § 129 SGB V beigetreten ist.


Nachfolgend wird aufgezeigt, dass eine Teilnahme einer EU-ausländischen Apotheke am deutschen Sachleistungssystem – ungeachtet des § 129 SGB – möglich bzw. vom deutschen Gesetzgeber vorgesehen ist.


II. Grenzüberschreitende Erbringung und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen in Sozialversicherungssystemen

Dass für einen Versicherten grundsätzlich die Möglichkeit besteht, einen EU-ausländischen Leistungserbringer zu Lasten seiner Krankenkasse in Anspruch zu nehmen, ist heute weitgehend anerkannt.

1. Erbringung von Leistungen im Wege der Kostenerstattung

Bereits seit den Entscheidungen Decker und Kohll ist vom EuGH klargestellt worden, dass die grenzüberschreitende Erbringung und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen in Sozialversicherungssystemen grundsätzlich durch die Grundfreiheiten der Art. 28, 43, 49 EGV geschützt ist . Unter Berücksichtigung der EuGH-Entscheidungen Smits/Peerboom und Vanbraekel , ist insbesondere unabhängig von dem in Deutschland gem. § 2 Abs. 2 SGB V vorgeschriebenen Sachleistungsprinzip ein kompensationsfähiger Leistungsaustausch mit EU-ausländischen Leistenden EG-vertragskonform. Die Krankenkassen dürfen demnach die Erstattung von Leistungen aus dem EU-Ausland nicht unter Hinweis auf das geltende Sachleistungsprinzip ablehnen .

Allerdings lag vorgenannten EuGH-Entscheidungen jeweils die Besonderheit zu Grunde, dass der Versicherte die Leistungen des EU-ausländischen Leistungserbringers im Wege des Kostenerstattungsprinzips in Anspruch genommen hat. Der Versicherte bezahlte den EU-ausländischen Leistungserbringer also direkt und verlangte im Nachhinein die Erstattung seiner verauslagten Kosten von seiner Krankenkasse.

Die Feststellungen des EuGH, also die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines EU-ausländischen Leistungserbringers im Wege der Kostenerstattung, wurde mit Inkrafttreten des GMG nunmehr vom deutschen Gesetzgeber klarstellend in das SGB V aufgenommen:

§ 13 Abs. 4 SGB V bestimmt, dass „(4) Versicherte berechtigt (sind), auch Leistungserbringer in anderen Staaten im Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen aufgrund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.“

2. Erbringung von Leistungen im Sachleistungssystem

Neben der in § 13 Abs. 4 normierten Möglichkeit der Inanspruchnahme eines EU-ausländischen Leistungserbringers im Wege der Kostenerstattung, sieht der deutsche Gesetzgeber mit Einführung des neuen § 140e SGB V alternativ die Möglichkeit vor, einen EU-ausländischen Leistungserbringer in das deutsche Sachleistungssystem zu integrieren.

In § 140e SGB V heißt es, dass „Krankenkassen zur Versorgung ihrer Versicherten nach Maßgabe des Dritten Kapitels und des dazugehörigen Rechts Verträge mit Leistungserbringern nach § 13 Abs. 4 S. 2 (SGB V) im Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum abschließen (dürfen).“

Der Gesetzesbegründung zu § 140e SGB V ist zu entnehmen, dass Gegenstand dieser Verträge die Verpflichtung (der EU-ausländischen Leistungserbringer) sein soll, die Versicherten im Krankheitsfall zu Lasten der Krankenkassen zu behandeln. Derartige Verträge dürfen jedoch nur nach Maßgabe des im Inland geltenden Leistungsrechts geschlossen werden. Während die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. § 13 Abs. 4 SGB V) dazu geführt hat, dass Versicherte auch Leistungserbringer in anderen Mitgliedstaaten der EG und des EWR-Abkommens in Anspruch nehmen können, und zwar aufgrund von zwischen den Versicherten und den ausländischen Leistungserbringern autonom geschlossenen Liefer- und Dienstleistungsverträgen, ermöglicht das auf Vertrag gegründete Sachleistungsprinzip (§ 140e SGB V) es den Versicherten, nicht auf ihre europarechtlich begründete Berechtigung (§ 13 Abs. 4 SGB V) zurückgreifen zu müssen, sich medizinische Waren- und Dienstleistungen selbst vertraglich – mit anschließender Kostenerstattung – zu beschaffen. Vielmehr versetzt § 140e SGB V die Krankenkasse in die Lage, das Versorgungsangebot im EG- bzw. EWR-Ausland nach den maßgeblichen Versorgungskriterien selbst zu gestalten und dann für die Versicherten vorzuhalten. Bestehen Verträge nach § 140e SGB V, erfolgt die Abrechnung für erbrachte Leistungen direkt zwischen dem EU-ausländischen Leistungserbringer und der Krankenkasse.


III. Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.06.2005 (Az.: S 11 KR 4074/03)

1. Keine Teilnahme am deutschen Sachleistungsprinzip über Verträge nach § 140e SGB V

Das Sozialgericht Freiburg ist der Auffassung, ein in Deutschland Versicherter könne einen EU-ausländischen Leistungserbringer ausschließlich im Wege der Kostenerstattung in Anspruch nehmen; § 13 Abs. 4 SGB V. Der im Rahmen des GMG neu eingeführte § 140e SGB V gebe den Krankenkassen in diesem Zusammenhang lediglich die Möglichkeit, Verträge mit EU-ausländischen Leistungserbringern zu schließen, um diese Kostenerstattung vertraglich näher auszugestalten. In diesem Zusammenhang bezieht sich das Sozialgericht Freiburg auf die in § 140e SGB V enthaltene Verweisung auf § 13 SGB V. Mit Abschluss der Verträge nach § 140e SGB V komme es aber nicht zur Mitwirkung der EU-ausländischen Leistungserbringer an der Versorgung der Versicherten mit Sachleistungen.

Das Sozialgericht Freiburg verkennt den Sinn und Zweck des § 140e SGB V.

Die Inanspruchnahme eines EU-ausländischen Leistungserbringers im Wege der Kostenerstattung durch einen in Deutschland Versicherten gem. § 13 Abs. 4 SGB V und die Integration eines EU-ausländischen Leistungserbringers in das deutsche Sachleistungsprinzip im Wege der EU-Rechtslage und/oder des Vertragsschlusses nach § 140e SGB V stehen alternativ nebeneinander. Dies geht aus der oben dargestellten Gesetzesbegründung der Fraktionen zu § 140e SGB V klar hervor.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Freiburg nimmt § 140e SGB V keinen Bezug auf die in § 13 Abs. 4 SGB V normierte Möglichkeit eines Versicherten, EU-ausländische Leistungserbringer – auch – im Wege der Kostenerstattung in Anspruch nehmen zu können.

Die systemwidrige Verknüpfung beider Vorschriften durch das Sozialgericht Freiburg resultiert offenbar aus einem „Lesefehler“ hinsichtlich des § 140e SGB V.

Wörtlich heißt es in § 140e SGB V: „Krankenkassen dürfen zur Versorgung ihrer Versicherten nach Maßgabe des Dritten Kapitels und des dazugehörigen untergesetzlichen Rechts Verträge mit Leistungserbringern nach § 13 Abs. 4 Satz 2 im Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum abschließen.“

Mit dem Verweis auf § 13 Abs. 4 Satz 2 SGB V soll lediglich klargestellt werden, mit welcher Art von Leistungserbringern Sachleistungsverträge nach § 140e SGB V abgeschlossen werden dürfen.

In § 13 Abs. 4 Satz 2 SGB V heißt es: „Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsortes zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind.“

§ 140e SGB V ist demnach folgendermaßen zu lesen: „Krankenkassen dürfen zur Versorgung ihrer Versicherten nach Maßgabe des Dritten Kapitels und des dazugehörigen untergesetzlichen Rechts Verträge mit Leistungserbringern, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsortes zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind, im Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum abschließen.“

Wollte der Gesetzgeber bezwecken, dass mit den nach § 140e SGB V geschlossenen Verträgen tatsächlich nur der Kostenerstattungsanspruch der Versicherten näher ausgestaltet werden kann, so hätte er nicht nur auf § 13 Abs. 4 Satz 2 SGB V sondern auf den gesamten § 13 Abs. 4 SGB V verwiesen.

Überdies widerspricht eine Interpretation des Sinns und Zwecks des § 140e SGB V, wie von dem Sozialgericht Freiburg vorgenommen, der Rechtsprechung des EuGH.

In seinem Müller-Fauré-Urteil vom 13. Mai 2003 hat der EuGH in Randnummer 109 festgestellt, dass die Art. 49 und Art. 50 EGV (Dienstleistungsfreiheit) solchen Rechtvorschriften entgegen stehen, die die Übernahme der Kosten für eine Versorgung durch einen Leistungserbringer, die in einem anderen Mitgliedstaat erfolgt, mit der die Krankenkasse des Versicherten keine vertragliche Vereinbarung getroffen hat, davon abhängig machen, dass die betreffende Kasse vorher ihre Genehmigung erteilt, auch wenn die fraglichen nationalen Rechtsvorschriften ein Sachleistungssystem einführen, in dessen Rahmen die Versicherten Anspruch nicht auf die Erstattung der Kosten für die medizinische Versorgung, sondern auf die Versorgung selbst haben, die kostenlos erfolgt.

Weder die vorherige Genehmigung einer Krankenkasse noch eine vertragliche Vereinbarung zwischen einem EU-ausländischen Leistungserbringer und einer Krankenkasse bilden eine Voraussetzung für die Kostenerstattungspflicht einer Krankenkasse für die von einem EU-ausländischen Leistungserbringer erbrachten Leistungen. Eine nähere vertragliche Ausgestaltung der in § 13 Abs. 4 SGB V normierten Option ist daher in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH überflüssig.

Indem das Sozialgericht Freiburg davon ausgeht, § 140e SGB V legitimiere die Krankenkassen dazu, Verträge abzuschließen, die die EU-ausländischen Leistungserbringer verpflichten, Gesundheitsleistungen im Rahmen der Kostenerstattung vorzuhalten, verkennt das Sozialgericht überdies folgenden wichtigen wirtschaftlichen Gesichtspunkt. Für die Krankenkassen ist eine Abrechnung von Kostenerstattungen aufgrund des verbundenen Verwaltungsaufwandes sehr viel kostspieliger als eine Abrechnung im Sachleistungssystem. Aus diesem Grund würden die Krankenkassen den Abschluss von Verträgen nach § 140e SGB V, legte man die Auslegung des Sozialgerichts Freiburg zu Grunde, keinesfalls forcieren, sondern derartige Verträge nach § 140e SGB V nicht abschließen.

2. Regelungsinhalte der nach § 140e SGB V zu schließenden Verträge

§ 140e SGB V bestimmt, dass die Krankenkassen zur Versorgung ihrer Versicherten Verträge nach Maßgabe des Dritten Kapitels und des dazugehörigen untergesetzlichen Rechts mit EU-ausländischen Leistungserbringern schließen dürfen.

§ 31 SGB V, der die Versorgung der Versicherten mit Arznei- und Verbandmittel als Sach- und Dienstleistung ausgestaltet, befindet sich im Dritten Kapitel des SGB V.

In § 31 Abs. 2 SGB V heißt es: „(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 oder § 35a festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler.“

Deutlich wird, dass die Krankenkassen nach § 140e SGB V legitimiert sind, Sachleistungsverträge mit EU-ausländischen Leistungserbringern zu schließen, in denen der Vergütungsanspruch eines EU-ausländischen Leistungserbringers gegenüber einer Krankenkasse unter Berücksichtigung des Herstellerrabatts nach § 130a SGB V – wie bei einer inländischen Apotheke – näher geregelt wird.


IV. Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.09.2005 (Az.: S 5 KR 292/03)

1. Erbringung von Sach- und Dienstleistungen nur über § 129 SGB V

Nach Auffassung des Sozialgerichts Köln könne nur eine Apotheke, die an der Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln im Wege des Sachleistungsprinzips teilnehmen, einen Anspruch auf Erstattung nach § 130a Abs. 1 S. 2 SGB V haben. Eine Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln im Wege des Sachleistungsprinzips sei nur gegeben, soweit der Rahmenvertrag nach § 129 SGB V Rechtswirkung für die Apotheke entfaltet. Dies folge nach Meinung des Gerichts aus § 2 SGB V.

§ 2 SGB V lautet:

"(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen können auf Antrag auch als Teil eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets erbracht werden; § 17 Abs. 2 bis 4 des Neunten Buches in Verbindung mit der Budgetverordnung und § 159 des Neunten Buches finden Anwendung. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern."

Entgegen der Auffassung des Gerichts verweist § 2 SGB V nicht ausschließlich auf § 129 SGB V, sofern über die Erbringung von Sach- und Dienstleistungen durch Apotheken Verträge abgeschlossen werden sollen. § 2 Abs. 2 S. 3 SGB V stellt klar, dass über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern schließen. § 140e SGB V befindet sich im Vierten Kapitel des SGB V; gleichermaßen wie § 129 SGB V. Würde man von einer EU-ausländischen Apotheke – entsprechend dem Sozialgericht Köln – verlangen, dem Rahmenvertrag nach § 129 SGB V beizutreten, sofern eine Teilnahme am deutschen Sachleistungssystem beabsichtigt wird, so stellt sich die Frage, welchen Sinn und Zweck dem § 140e SGB V eigentlich zukommen soll. Eine Antwort blieb das Sozialgericht Köln schuldig.

2. Vertrag zu Lasten Dritter

Selbst wenn eine EU-ausländische Apotheke mit einer Krankenkasse einen Vertrag nach § 140e SGB V geschlossen habe, soll nach Auffassung des Sozialgerichts Köln ein derartiger Vertrag nicht zur Folge haben, dass die EU-ausländische Apotheke den Herstellerrabatterstattungsanspruch gem. § 130a Abs. 1 S. 2 SGB V gelten machen könne. Ein derartiger Vertrag wäre insofern als ein „Vertrag zu Lasten Dritter“ unwirksam. Dem Argument des Sozialgerichts Köln ist allerdings die Frage entgegenzuhalten, weshalb der Rahmenvertrag nach § 129 SGB V nicht als ein „Vertrag zu Lasten Dritter“ interpretiert wird.

3. Bindung an die Arzneimittelpreisverordnung

Einer „gleichwertigen“ Teilnahme am deutschen Sachleistungssystem über einen Vertrag nach § 140e SGB V stehe nach Meinung des Sozialgerichts Köln überdies entgegen, dass allein der Beitritt zum Rahmenvertrag nach § 129 SGB V eine Apotheke verpflichten könne, die Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung einzuhalten. Nur wenn die Verpflichtung zur Einhaltung der Arzneimittelpreisverordnung auch bei der Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels gewährleistet ist, sei es sachgerecht, dass eine Apotheke im Nachhinein den Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1 SGB V von den Herstellern zurückfordere.

An dieser Stelle ist anzumerken, dass der Rahmenvertrag nach § 129 SGB V nur die Abrechnungsmethode zwischen einer Apotheke und den Krankenkassen näher regelt. Die gesetzliche Verpflichtung, sich an die Arzneimittelpreisverordnung zu halten bzw. die Preise nach der Arzneimittelpreisverordnung zu verlangen, ergibt sich nicht aus den Rahmenverträgen nach § 129 SGB V; mithin nicht aus Normen des SGB V . Eine derartige Verpflichtung ist vielmehr dem Arzneimittelmittelgesetz zu entnehmen; vgl. § 78 AMG.

Insgesamt wird deutlich dass das Sozialgericht Köln seine Entscheidung auf Argumente stützt, die nach einer Gesamtbetrachtung des deutschen Sozialversicherungssystems nicht zu überzeugen vermögen.


V. Konsequenz der Urteile der Sozialgerichte aus europarechtlicher Sicht

Nach Auffassung des Sozialgerichts Freiburg soll ein in Deutschland Versicherter die „Dienstleistung“ eines EU-ausländischen Leistungserbringers ausschließlich im Wege der Kostenerstattung gem. § 13 Abs. 4 SGB V in Anspruch nehmen können. In einem solchen Fall muss der Versicherte demnach, bedient er sich eines EU-ausländischen Leistungserbringers, in finanzielle Vorleistung treten. Anschließend kann sich der Versicherte direkt an seine Krankenkasse wenden, um den vorausgeleisteten Betrag erstattet zu bekommen. Der Erstattungsbetrag, den die Krankenkassen dem Versicherten gewähren, ist – unabhängig von dem tatsächlich bezahlten Preis – jedenfalls um den Herstellerabschlag nach § 130a SGB V reduziert. Denn der Betrag, den die Krankenkassen im Wege der Kostenerstattung erstatten, ist identisch mit dem Betrag, den die Krankenkassen im Wege der Sachleistung dem Leistungserbringer direkt erstattet hätten.

In diesem Zusammenhang führt das Sozialgericht Freiburg aus, die einzige Möglichkeit eines EU-ausländischen Leistungserbringers, den Betrag in Höhe des Herstellerabschlags zu erhalten, wäre, den Versicherten beim Einkauf des Arzneimittels mit dem Herstellerabschlag zu belasten. Es stehe dem EU-ausländischen Leistungserbringer insofern frei, einen – nicht um den Herstellerabschlag gekürzten - Betrag dem Versicherten selbst abzuverlangen.

Einhergehend mit diesem wirtschaftlichen Nachteil der Versicherten, den die Versicherten nicht akzeptieren würden, wäre es einem EU-ausländischen Leistungserbringer faktisch verwehrt, sich auf dem deutschen Apothekenmarkt zu etablieren. Dem EU-ausländischen Leistungserbringer bliebe allein die Möglichkeit, den Betrag, den er gegenüber dem Versicherten im Rahmen der Kostenerstattung für ein Arzneimittel verlangt, um den Herstellerabschlag zu reduzieren.

Der EU-ausländische Leistungserbringer hätte demnach folgende Nachteile gegenüber einem inländischen Leistungserbringer:

  1. Der EU-ausländische Leistungserbringer erhielte im Vergleich zu einem inländischen Leistungserbringer für ein abgegebenes Arzneimittel einen um den Herstellerabschlag (6% bzw. 16% bezogen auf den Herstellerabgabepreis) geminderten Betrag.
  2. Während in Deutschland versicherte Personen die Dienstleistung eines inländischen Leistungserbringers auch im Wege der Sachleistung in Anspruch nehmen können, stünde ihnen die Dienstleistung der EU-ausländischen Leistungserbringer nur im Wege der Kostenerstattung frei. Im Wege der Kostenerstattung müssen die Versicherten regelmäßig in finanzielle Vorleistung treten. Diesem Umstand – die vorübergehende Belastung des eigenen Kontos – kommt eine abschreckende Wirkung zu.


Diese Nachteile stellen eine extreme Beschränkung der Geschäftsaussichten der EU-ausländischen Leistungserbringer dar, die nicht zu überwinden wären und damit als eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des Art. 28 EGV anzusehen sind .

Die faktische Schlechterstellung eines EU-ausländischen Leistungserbringers bei der Teilnahme an der Arzneimittelversorgung in Deutschland, wäre ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit gem. Art. 28 EGV, der nicht nach Art. 30 EGV gerechtfertigt wäre.

Überdies ist in dieser faktischen Schlechterstellung eines EU-ausländischen Leistungserbringers ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot gem. Art. 12 EGV zu sehen. Art. 12 EGV enthält eine gemeinschaftsrechtliche Ausprägung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes und verbietet die Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Verwehrte man dem EU-ausländischen Leistungserbringer die Teilnahme am deutschen Sachleistungsprinzip, so verstieße dies ungerechtfertigt gegen das Diskriminierungsverbot gem. Art. 12 EGV.

Die weitere Entwicklung der derzeit anhängigen Verfahren bleibt abzuwarten. Allerdings kann bereits heute davon ausgegangen werden, dass sich der EuGH der diesem Verfahren zu Grunde liegenden Rechtsfragen annehmen wird.

Nachdem der EuGH bisher zu beurteilen hatte, unter welchen Bedingungen die Inanspruchnahme eines EU-ausländischen Leistungserbringers im Wege der Kostenerstattung aus europarechtlicher Sicht zuzulassen ist, wäre nunmehr die Ausprägung der gleichberechtigten Teilnahme eines EU-ausländischen Leistungserbringers am deutschen Sachleistungssystem europarechtlich zu beurteilen.