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Wettbewerbsrechtliche Ansprüche im Rahmen von Paragraph 69 SGB V

 

Veröffentlicht in NZS (Neue Zeitschrift für Sozialrecht) 2004, S. 15 ff.

I. Einleitung

Das am 1.1.2000 in Kraft getretene GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000[1] hat tiefgreifende Änderungen für das Verhältnis der Leistungserbringer, aber auch von privaten Konkurrenten zu den gesetzlichen Krankenkassen mit sich gebracht. Besondere Bedeutung hat dabei die Änderung des § 69 SGB V erlangt, der in seiner Neufassung die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden nun abschließend regelt. Umstritten waren, insbesondere im Zusammenhang mit Klagen privater Konkurrenten oder der Pharmaindustrie gegen die Krankenkassen und ihre Verbände wegen angeblich wettbewerbswidrigen Verhaltens, die Verbandsklagebefugnis und die Anwendbarkeit des UWG und des GWB im Rahmen des geänderten § 69 SGB V. Nach der nunmehr gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts können solche Ansprüche privater Konkurrenten oder Pharmahersteller bzw. –händler gegenüber den gesetzlichen Krankenversicherungen jetzt nur noch aus Art. 12 bzw. 3 GG und nicht mehr aus dem UWG oder GWB hergeleitet werden.[2] Diese Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat auch sogleich eine Vielzahl von untergerichtlich anhängigen Verfahren beeinflusst und zu einer „Welle“ von Klageabweisungen wegen mangelnder Klagebefugnis geführt.[3] Dennoch ist die, vom Bundessozialgericht ausdrücklich offengelassene, Frage zu beleuchten, ob die zum Wettbewerbsrecht entwickelten Grundsätze im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Abwehransprüche Anwendung finden können.


II. Inhalt des § 69 SGB V

Nach § 69 S. 1 SGB V regelt das Vierte Kapitel des 5. Sozialgesetzbuchs sowie die §§ 63 und 64 SGB V die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Leistungserbringern nun „abschließend“. § 69 S. 3 SGB V ordnet die entsprechende Geltung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die Rechtsbeziehungen der vorher erfassten Personengruppen an, soweit sie nicht im Widerspruch zu Regelungen des SGB V stehen. § 69 S. 4 SGB V stellt klar, dass die Sätze 1 und 3 auch gelten, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Dritte betroffen sind. Die Änderung lässt schon aufgrund des eindeutigen Wortlauts den Schluss zu, dass zivilrechtliche Vorschriften außerhalb des BGB, also insbesondere das UWG und das GWB im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung keine Anwendung mehr finden sollen. Aber auch die Begründung des Gesetzentwurfs macht deutlich, dass die Rechtsbeziehungen der gesetzlichen Krankenkassen zu den Leistungserbringern des SGB V, aber auch zu Dritten (bspw. Pharmahersteller bzw. –händler) nunmehr allein öffentlich-rechtlicher Natur sind. Entgegen anderweitiger Interpretationsversuche stellt die Begründung klar, dass § 69 S. 1 SGB V „als Grundsatznorm des Leistungserbringungsrechts (regelt), dass die dort genannten Rechtsbeziehungen allein sozialversicherungsrechtlicher und nicht privatrechtlicher Natur sind. (...) Die Krankenkassen und ihre Verbände erfüllen in diesen Rechtsbeziehungen ihren öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag und handeln deshalb nicht als Unternehmen im Sinne des Privatrechts, einschließlich des Wettbewerbs- und Kartellrechts.“[4]

Die Neufassung des § 69 SGB V führte zunächst zu einem erheblichen Plus an Klarheit hinsichtlich des Rechtsweges bei Klagen von privaten Konkurrenten gegen die gesetzlichen Krankenkassen. Der BGH hatte früher in diesen Fällen aufgrund der „Doppelnatur“[5] des Handelns der gesetzlichen Krankenkassen zumeist eine privatrechtliche Streitigkeit angenommen und daraufhin den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten bejaht, das BSG war zumeist von einer Zuständigkeit des Sozialgerichts ausgegangen.[6] Fragwürdige Konsequenz dieser "Doppelqualifizierung" war, daß selbst bei eindeutig hoheitlichen Akten wie der Festsetzung von Arzneimittelfestbeträgen (§§ 35, 36 SGB V) oder dem Erlass von Richtlinien nach § 92 I SGB V bürgerlich-rechtliche Wettbewerbsstreitigkeiten angenommen und die Zuständigkeit der Kartellgerichte bejaht wurde.[7] Durch die flankierende Änderung des § 51 II SGG sind nun diese Streitfälle der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen.

Über diese Klarstellungsfunktion hinsichtlich des Rechtswegs zu den Sozialgerichten besitzt der neugefasste § 69 SGB V aber auch eine Funktion als materiellrechtliche „Grundsatznorm“.[8] Durch die Zuweisung des gesamten Leistungserbringerrecht zum öffentliche Recht, wird als materieller Kern der Regelung bestimmt, dass Rechtsbeziehungen, die ihre Grundlage im Leistungserbringungsrecht haben, ausschließlich sozialversicherungsrechtlicher Natur sind.[9]

1. Kritik

Die umfassenden Änderungen des § 69 SGB V sind in vielen Beiträgen zwiespältig bzw. kritisch aufgenommen worden. Insbesondere wurde bezweifelt, ob aufgrund der Neufassung tatsächlich Wettbewerbs- und Kartellrecht keine Anwendung mehr finde. Die Regelung sei vielmehr dahin gehend zu verstehen, dass sich die Rechtsbeziehungen der Beteiligten nach dem SGB V richten sollen. Aus dem Gesetzestext ergäbe sich keineswegs, dass das gesamte Wettbewerbsrecht unanwendbar sei.[10] Im übrigen sei eine solche Deutung verfassungsrechtlich und europarechtlich höchst bedenklich.[11] Schwerdtfeger hält die Neufassung des § 69 SGB V für verfassungswidrig, da darin ein rechtsstaatlicher Rückschritt ohne sachliche Rechtfertigung zum Ausdruck komme.[12] Es sei insbesondere zu befürchten, dass nach dem Wegfall der wettbewerbs- und kartellrechtlichen Abwehransprüche der Betroffenen gegen SGB V-widriges Verhalten der gesetzlichen Krankenkassen rechtsstaatlich ausreichende Möglichkeiten des Rechtschutz nicht mehr zur Verfügung stünden.[13] Weiterhin wird den Änderungen entgegengebracht, dass die vom Gesetzgeber vorgenommene Festlegung der Rechtsnatur der Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern rechtlich nicht möglich sei, da dem Gesetzgeber nicht die Befugnis zustehe, die Rechtsnatur eines Rechtsverhältnisses, aus dem ein Klageanspruch hergeleitet wird, entgegen seiner tatsächlichen Natur festzulegen.[14]

2. Gegenargumente

Der an der Neufassung des § 69 SGB V geäußerten Kritik ist entgegenzuhalten, dass die Rechtsnatur der Beziehungen der gesetzlichen Krankenkassen, den Leistungserbringern nach SGB V und Dritten auch vor der Neufassung des SGB V durchaus umstritten war.[15] Auch der BGH, der zumeist von privatrechtlichen Streitigkeiten ausging, begründete dies wie bereits erwähnt über die „Doppelnatur“[16] des Handelns der Krankenkassen. Geht man aber von einer Doppelnatur aus, ist die Einordnung einer Streitigkeit in dieser Rechtsmaterie in das öffentliche oder das private Recht jedenfalls nicht so eindeutig, wie es die oben genannten Beiträge erscheinen lassen. So erscheint es zweifelhaft, wenn im Bereich der gesetzlichen Krankenkassen hoheitliche Handlungen, die Auswirkungen auf private Dritte haben, zumeist von den Zivilgerichten überprüft wurden und in anderen Bereichen selbstverständlich der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten zu begehen ist. Der Nachbar, der gegen die Erteilung einer Baugenehmigung vorgehen will, kann dies unzweifelhaft nur vor dem Verwaltungsgericht erreichen, die Ausgabe von Rollstühlen durch eine gesetzliche Krankenkasse[17] soll hingegen dem Privatrecht zuzuordnen sein.

Der vorgebrachten Kritik ist weiter entgegenzuhalten, dass der Staat bzw. die Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Wahrnehmung einer ihnen durch eine „Aufgabennorm“ zugewiesenen Kompetenz sich entweder des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts bedienen können.[18] Eine solche Wahlmöglichkeit erscheint auch insofern notwendig und berechtigt, als die Kompetenz regelmäßig nur die Zuweisung einer Aufgabe als Staatsfunktion an eine bestimmte Stelle bedeutet. Gemeinden können ihnen zugewiesene Aufgaben der Daseinsvorsorge beispielsweise in der Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts oder in Form einer privatrechtlichen Kapitalgesellschaft erfüllen. Soweit sich die Behörden zulässigerweise für eine öffentlich-rechtliche Kompetenzausübung entscheiden (gesetzliche Krankenkassen), unterstehen sie jedenfalls vollständig dem öffentlichen Recht.

Dieses muss auch für das Wettbewerbsrecht gelten. So könnte eine öffentlich-rechtliche Kompetenzausübung wie etwa der Gesundheitsschutz der Bevölkerung durch die gesetzlichen Krankenkassen nur dann dem Wettbewerbsrecht unterliegen, wenn ihm der Gesetzgeber aufgrund einer besonders angeordneten Anwendungserstreckung zur Geltung verhelfen würde.[19]


III. Rechtsprechung des BSG

Das Urteil des 6. Senats des BSG vom 28.6.2000[20] schien zunächst alle diejenigen zu bestätigen, die davon ausgingen, dass trotz des eindeutigen Wortlaut des neugefassten § 69 SGB V die Grundsätze des nationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht weiter anwendbar seien.[21] Der Senat führte darin aus, „dass nunmehr die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (auch) verpflichtet sind zu prüfen, ob die Auswirkungen des Handelns der Institutionen der gesetzlichen Krankenversicherung im Verhältnis zu den Leistungserbringern materiell kartellwidrig sind.“ Die nachfolgenden Urteile des Bundessoszialgerichts vom 25.09.2001 in zwei gleichgelagerten Fällen sorgten dann aber für eine deutliche Klarstellung im Bereich der Neuregelungen des § 69 SGB V. Im Fall des BSG Urteils (B 3 KR 3/01) wendeten sich die Kläger, eine Landesinnung sowie der Bundesinnungsverband der Orthopädiemechaniker und Bandagisten gegen die Durchführung eines zwischen den beklagten Ersatzkassenverbänden und dem beigeladenen Dachverband der Landesapotheker-Verbände abgeschlossenen Hilfsmittellieferungsvertrags soweit es darin um Hilfsmittel ging, die handwerklich individuell angefertigt werden mussten. Die Kläger rügten insbesondere eine Verletzung der §§ 126, 127, 129 SGB V sowie der §§ 1, 13 UWG iVm § 25 ApBetrO bzw. § 1, 3, 46 HWO. Das Urteil des 3. Senates vom gleichen Tage zu dem Az. (B 3 KR 17/00 R) betraf einen nahezu identischen Fall.

In beiden Fällen wurden die Revisionen der Kläger mit folgenden Begründungen zurückgewiesen.

1. Unanwendbarkeit des UWG

Der Senat führte aus, dass die Kläger „etwaige Verstöße gegen das deutsche Wettbewerbsrecht nicht mehr geltend machen können, weil das UWG aufgrund der Neuregelung des § 69 SGB V ab 1. Januar 2000 auf das Verhältnis der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nicht mehr anwendbar ist und daher auch die allein auf § 13 UWG zu stützende Befugnis zur Verbandsklage entfallen ist.“ Im übrigen führt das BSG aus, dass die einzelnen Leistungserbringer trotz des Wegfalls der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche immer noch in der Lage seien, sich gegen sie beeinträchtigendes bzw. diskriminierendes Verhalten der Krankenkassen zur Wehr zu setzen.

2. Ansprüche nur noch aus Art. 12 und 3 GG

Unterlassungsansprüche der durch wettbewerbswidriges Verhalten der Krankenkassen Betroffenen können nach Auffassung des BSG „seit dem 1. Januar 2000 immer noch auf eine Verletzung der Art. 12 und 3 GG gestützt werden, wenn Krankenkassen durch ihr hoheitliches Verhalten das Recht der freien Berufsausübung oder der Gleichbehandlung im Wettbewerb beeinträchtigen.“

Im übrigen lässt der Senat bewusst offen, ob die von der Zivilrechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Untersagung unlauteren Wettbewerbs von Seiten der Krankenkassen in vollem Umfang auf die nunmehr ausschließlich öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen übertragen werden können, da der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz in jedem Fall gewährleistet sei.

Bezüglich der Rechtsprechung des 6. Senats, die noch von einer Anwendbarkeit bzw. Übertragbarkeit der Grundsätze des einfachgesetzlichen Wettbewerbs- und Kartellrechts ausging, führt der Senat nur aus: „soweit darin die Ansicht vertreten wird, die Neuregelung des § 69 SGB V habe über die geänderte Rechtswegzuweisung hinaus auch zur Folge, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit verpflichtet seien zu prüfen, ob die Auswirkungen des Handelns der Institutionen der gesetzlichen Krankenversicherung im Verhältnis zu den Leistungserbringern materiell kartellwidrig sind (was zugleich bedeuten würde, dass auch Verstöße gegen das UWG zu untersuchen wären, Anm. d. Verf.), handelt es sich um die Entscheidung nicht tragende und auch den vorliegenden Fall nur mittelbar betreffende Ausführungen.“


IV. Prüfungsmaßstab der Art. 12 und 3 GG in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht

Nach der eben dargestellten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts können durch wettbewerbswidriges Verhalten der gesetzlichen Krankenkassen Betroffene Rechtsverletzungen nur im Wege des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs geltend machen, der sich nach dem heutigen Stand der Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung in der Literatur unmittelbar aus den Grundrechten, insbesondere aus Art. 12 GG, ergibt.[22] Da sowohl die Intensität als auch die Qualität des wettbewerbsrechtlichen Schutzes im UWG einerseits und in Art. 12 GG andererseits höchst unterschiedlich ausgeprägt ist, würde eine Übertragung der anhand der UWG-Vorschriften entwickelten Grundsätze auf wettbewerbsrechtliche Aspekte des Art. 12 GG einen Verstoß gegen den Vorrang der grundrechtlichen Dogmatik gegenüber dem Wettbewerbsrecht bedeuten. Zudem ließe sich auch kaum dogmatisch begründen, wie die durch fast inflationäre Rechtsprechung der Zivilgerichte entwickelten Rechtsgrundsätze zum UWG in die Prüfung von Ansprüchen aus Art. 12 GG bzw. 3 GG einfließen sollten. Dem steht einerseits der eindeutige Wortlaut des § 69 SGB V sowie auch die bestätigende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entgegen, wonach die Vorschriften des UWG und des GWB auf die entsprechenden Rechtsbeziehungen gerade nicht mehr anwendbar sein sollen. Darüber hinaus ist die Beeinflussung von Rechtsnormen durch andere Rechtsnormen bisher immer nur umgekehrt über eine Drittwirkung der Grundrechte angenommen worden.[23] Sogenannte „Einfallstore“ für Grundrechte in das Zivilrecht bieten die Generalklauseln, etwa die §§ 138, 242, 826 BGB. Dass andersherum zivilrechtliche Grundsätze über die Grundrechte in das Verfassungsrecht einstrahlen sollen, ließe sich hingegen rechtsdogmatisch aus Gründen der Normenhierarchie nur schwer begründen. Sowohl die Intensität als auch die Qualität des wettbewerbsrechtlichen Schutzes im UWG einerseits bzw. in Art. 12 GG andererseits ist höchst unterschiedlich ausgeprägt, so dass eine umfassende Einbeziehung auch aus diesem Grund problematisch wäre.

1. Maßstab der Art. 12 und 3 GG

Die grundgesetzlich gewährte Wettbewerbsfreiheit ist ebenso wie die Vertragsfreiheit nur eine konkrete Erscheinungsform des Grundrechts auf freie wirtschaftliche Betätigung.[24] Auch das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG schließt den freien Wettbewerb der Anbieter oder Nachfrager der auf dem Markt auftretenden Unternehmer notwendig ein.[25] Die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des einzelnen Unternehmers besteht dabei nur neben der gleichen persönlichen Betätigungsfreiheit anderer Unternehmer, das Hinzutreten des Staates als Konkurrent beinhaltet lediglich eine systemimmanente Verschärfung des marktwirtschaftlichen Konkurrenzdrucks,[26] vor der Art. 12 GG nicht bewahrt, solange dadurch nicht die private Konkurrenz unmöglich wird.[27] Art. 12 GG gibt daher nur das Recht auf Wettbewerb, schützt aber nicht notwendigerweise davor. Eine subjektive Rechtsverletzung ist daher nur in Ausnahmefällen anzunehmen, und zwar wenn der Privatunternehmer in seinen Wettbewerbsmöglichkeiten unzumutbar eingeschränkt wird.[28] Daraus folgt, dass im Hinblick auf die Klagebefugnis zumindest eine Verletzung eigener Rechte möglich sein muss,[29] so dass eine Verbandsklagebefugnis, wie etwa in § 13 II Nr. 1 UWG geregelt, ausscheidet.

Da das UWG einen umfassenden und differenzierten Rechtschutz, der vor allem durch die umfangreiche Rechtsprechung zur Generalklausel des § 1 UWG entwickelt worden ist, gewährt, setzt der Rechtschutz aus § 1 UWG viel früher ein, als der Schutz des Wettbewerbs direkt aus den Grundrechten. Der gerichtliche Schutz nach UWG-Vorschriften greift beispielsweise bereits ein, wenn ein Konkurrent einen Vorsprung vor seinem Mitbewerber erlangt, indem er die durch Gesetz festgelegten Bedingungen missachtet, an die sich seine Konkurrenten halten. Es wird für den betroffenen Wettbewerber dadurch unzumutbar, durch Gesetz oder Vertrag festgelegte gemeinsame Bedingungen zu beachten, wenn seine Mitbewerber diese Bedingungen abschütteln und sich dadurch einen sachlich ungerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb verschaffen.[30] Aber auch im „einfachgesetzlichen“ Wettbewerbsrecht stellt nicht jeder Gesetzesverstoß gleichzeitig auch eine wettbewerbs- bzw. sittenwidrige Handlung im Sinne des § 1 UWG dar; erforderlich ist vielmehr eine wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Vorschrift als wertbezogen. „Wertbezogen“ ist eine Norm im Sinne des § 1 UWG dann, wenn ihre Einhaltung einem sittlich-rechtlichem Gebot entspricht.[31] „Wertneutral“ dagegen sind Vorschriften, die nur aus Gründen ordnender Zweckmäßigkeit erlassen worden sind, jedoch weder einem sittlichen Gebot Geltung verschaffen noch dem Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter oder allgemeiner Interessen dienen.[32] Ein Verstoß des Mitbewerbers gegen wertneutrale Vorschriften vermag dem Konkurrenten daher auch nach einfachgesetzlichem Recht keinen Abwehranspruch zu verschaffen.

Eine ähnliche Prüfung setzt der Abwehranspruch aus öffentlichem Recht voraus, wonach ein Anspruch nur besteht, wenn die Norm als Schutznorm bzw. als drittschützend zu qualifizieren ist. Erforderlich ist danach, dass die in Frage stehenden Rechtssätze ausschließlich oder doch jedenfalls neben dem mit ihnen verfolgten allgemeinen Interesse zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt sind.[33]

Das einfachgesetzliche Wettbewerbsrecht des UWG nimmt diesen „drittschützenden“ bzw. wertbezogenen Charakter einer Norm früher an, als es im öffentlichen Recht vertreten wird. Beispiele lassen sich exemplarisch in den Vorschriften des ArzneimittelG oder HeilmittelG finden, die aus Sicht des UWG generell als werthaltig aufgefasst werden.[34] Eine solche pauschale Einstufung als drittschützende bzw. als Schutznormen kann aber nach der öffentlich-rechtlichen Schutznormdogmatik nicht vorgenommen werden.[35]

2. Wettbewerbsrechtliche Grundsätze direkt aus dem SGB V?

Das Leistungserbringungsrecht des 5. Sozialgesetzbuches ist durch die wesentlichen Elemente des Wirtschaftlichkeitsgebots, der freien Wahl des Versicherten bzgl. verschiedener Leistungserbringer sowie dem Vertragsprinzip gekennzeichnet. Diese Strukturvorgaben bringen zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber eine Vielzahl von Leistungserbringern und mithin auch einen gewissen Wettbewerb unter diesen vorausgesetzt hat.[36] Das in den §§ 2 I, IV, 12 I und 70 I 2 SGB V verankerte Gebot der Wirtschaftlichkeit kann nur verwirklicht werden, wenn eine ausreichende Zahl von Leistungserbringern miteinander im Wettbewerb steht, um zu verhindern, dass durch die Bildung von Monopolen die Krankenkassen im Bestreben nach einer wirtschaftlichen Tätigkeit behindert werden. Aber auch das aus Art. 2 I GG abzuleitende Recht der Versicherten auf freie Wahl der Leistungserbringer impliziert, dass ein Wettbewerb von Leistungserbringern aus Sicht des SGB V gewährt sein muss, um der in § 2 III 1 SGB V bestimmten Verpflichtung zur Beachtung der Vielfalt der Leistungserbringer zu entsprechen. Nur wenn mehrere Leistungserbringer gleichberechtigt um die Gunst der Versicherten buhlen, kann es zu einer wirklich freien Wahl des Leistungserbringers durch den Versicherten kommen. Darüber hinaus spricht auch das in § 127 III SGB V festgelegte Vertragsprinzip für einen im SGB V angelegten Schutz des Wettbewerbs, denn der Abschluss von Verträgen ist nur dann sinnvoll, wenn beide Vertragsparteien sich bei Vertragsabschluss zumindest auf ähnlichem Niveau befinden. Dies wäre nicht gewährleistet, wenn ein Leistungserbringer ein faktisches Monopol besäße. Aus diesem Grund sind die Krankenkassen und ihre Verbände bereits aus den Vorschriften des SGB V heraus verpflichtet, die einzelnen Leistungserbringer zumindest nicht willkürlich unterschiedlich zu behandeln, indem sie sich zum Beispiel generell weigern, mit bestimmten Leistungserbringern Verträge abzuschließen.[37] Dieser sozialversicherungsrechtliche Schutz gegen Ungleichbehandlungen schützt aber lediglich vor gravierenden Benachteilungen, welche die Gefahr einer Monopolbildung hervorrufen können und ist daher bei weitem nicht so umfassend wie der Rechtschutz nach UWG und GWB.

3. Wettbewerbsrechtliche Grundsätze aus § 69 Satz 3 bzw. 4 SGB V iVm §§ 138, 242, 826 BGB?

Eine Einstrahlung der wettbewerbsrechtlichen Grundsätze in das öffentliche Recht wird teilweise über den Verweis auf die Vorschriften des BGB und damit insbesondere auch in Bezug auf die Generalklauseln erwogen. So wird die Ansicht vertreten, über das Hilfsmittel des § 242 BGB könne die Einordnung, ob ein bestimmtes Verhalten der Krankenkassen zulässig oder unzulässig sei, nach kartellrechtlichen Grundsätzen erfolgen und diese somit trotz des Ausschlusses des GWB im § 69 S. 1 SGB V „fruchtbar“ gemacht werden.[38] Diese Deutung widerspricht jedoch sowohl dem eindeutigen Wortlaut und der Begründung des § 69 SGB V als auch den zu § 242 BGB entwickelten „kartell-“ und „wettbewerbsrechtlichen“ Grundsätzen. § 69 S. 3 SGB V gestattet ausdrücklich nur eine entsprechende Anwendung des „Bürgerlichen Gesetzbuches“ und nicht etwa des gesamten „Bürgerlichen Rechts“. Zudem werden bisher unter die Generalklauseln der §§ 138 und 242 BGB nur einzelne „Wettbewerbsverstöße“ subsumiert,[39] da durch die hohe Regelungsdichte im Bereich des eigentlichen Wettbewerbsrecht des UWG und GWB kein Anlass bestand, die Generalklauseln des BGB auch zur Schaffung von wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen heranzuziehen. Da im Bereich der Generalklauseln des BGB keine so umfangreiche Kasuistik wie etwa zu § 1 UWG existiert, sind unmittelbar den Vorschriften des BGB daher keine besonderen wettbewerbsrechtlich relevanten Grundsätze zu entnehmen. Nach dem Grundsatz lex specialis derogat lex generalis können aber die explizit zu den Vorschriften des UWG oder GWB entwickelten Grundsätze aus systematischen Gründen auch nicht einfach auf die BGB Vorschriften übertragen werden, um sie dann in den Prüfungsmaßstab der Art. 12 bzw. 3 GG einfließen zu lassen.


V. Konsequenzen und ihre Rechtfertigung

Es lässt sich zusammenfassend festhalten, dass nach der derzeitigen eindeutigen Gesetzeslage die Vorschriften des einfachgesetzlichen Wettbewerbsrechts und vor allem die dazu entwickelte umfangreiche Rechtsprechung nicht auf die Rechtsverhältnisse der gesetzlichen Krankenkassen zu Leistungserbringern und privaten Konkurrenten zu übertragen ist. Die gesetzliche Zuweisung der bezeichneten Rechtsbeziehungen ausschließlich ins öffentliche Recht führt dazu, dass allein die Grundsätze des öffentlichen Rechts Anwendung finden. Ansprüche der Leistungserbringer oder Dritter gegen die Krankenkassen können sich daher nur im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs direkt aus Art. 3 und 12 GG ergeben. Es ist mithin für Leistungserbringer und private Konkurrenten der Krankenkassen schwieriger geworden, potentiell wettbewerbswidriges Verhalten der gesetzlichen Krankenkassen gerichtlich überprüfen zu lassen, da nach überwiegender Ansicht und gefestigter Rechtsprechung Art. 3 und 12 GG im Unterschied zu den Vorschriften des UWG nur vor schwerwiegenden und unzumutbaren Rechtsverletzungen schützen.[40] Ein weniger ausgeformter, in gewisser Weise schwieriger zu erlangender, aber dennoch effektiver Rechtschutz der privaten Konkurrenten gegen vermeintlich wettbewerbswidrige Handlungen gesetzlicher Krankenkassen muss also hingenommen werden. Nach der hier vertretenen Auffassung erscheint die „Benachteiligung“ privater Konkurrenten durch die aufgezeigten Änderungen sachlich gerechtfertigt.

Es vermag nicht zu überzeugen, dass der Staat in den Bereichen, in denen er zur Wahrnehmung seiner Aufgaben ein öffentlich-rechtliches Monopol aufrechterhält (wie z.B. im Bereich des Polizeirechts), lediglich das öffentliche Recht Geltung erlangt. Kommt der Staat aber in Ansehung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit zu einer Lockerung seiner Monopolstellung und lässt er eine gleichartige Leistungserbringung durch Private zu, soll er damit gleichsam auch die öffentlich-rechtliche Sonderstellung für seine Aufgabenwahrnehmung oder sogar insgesamt seine Regelungsbefugnis verlieren.[41] Das Sozialrecht ist traditionell eines der wichtigsten Instrumente staatlicher Sozialpolitik. Der Schutz der Bevölkerung in Fällen von Krankheit ist Ausdruck des Sozialstaatsprinzips aus Art. 20 GG und eine der Grundaufgaben des Staates.[42] Dieser Aufgabe ist der Gesetzgeber durch die Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung als öffentlich-rechtlicher Pflichtversicherung für den Krankenschutz eines Großteils der Bevölkerung nachgekommen.[43] Wer daher dem Gesetzgeber abspricht, den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung hinsichtlich der Rechtsbeziehungen der daran Beteiligten regeln zu dürfen, um zu verhindern, dass eine hoheitliche Tätigkeit wegen ihrer Auswirkungen auf gesellschaftliche, privatrechtliche Positionen Dritter zwangsläufig nach Privatrecht zu beurteilen wäre, würde den Gesetzgeber hindern, die Wahrnehmung staatlicher Aufgabenkompetenzen gegenüber partikularen und individuellen Interessen zu gewährleisten.[44] Es muss daher im Sozialstaat möglich sein, wettbewerbsrelevante Aufgaben kraft öffentlichen Rechts und auch in den Grenzen des öffentlichen Rechts außerhalb der für den Markt bestehenden einfachgesetzlichen Wettbewerbsregeln wahrzunehmen.[45]

Die Änderungen des § 69 SGB V sind letztlich auch im Hinblick auf Art. 19 IV GG nicht zu beanstanden, da der Rechtsweg lediglich geändert, aber keineswegs ausgeschlossen wird. Auch der einstweilige Rechtsschutz, der im sonstigen Wettbewerbsrecht eine hohe Bedeutung hat, ist durch das 6. SGGÄndG vom 17.08.01[46] durch die mit Wirkung vom 02.01.02 eingefügten §§ 86 a und b SGG gewährleistet.[47]

Abschließend ist noch anzumerken, dass trotz der Änderungen des § 69 SGB V die Vorschriften des europäischen Wettbewerbsrechts in den Art. 81, 82 und 86 EGV[48] unberührt bleiben und als unmittelbar geltendes Recht den nationalen Bestimmungen vorgehen.[49]


FUSSNOTEN:

[1] BGBl. 1999 I, S. 2626.
[2] BSG Urteile v. 25.9.2001, Az.: B 3 KR 3/01 R; B 3 KR 17/00 R.
[3] Vgl. beispielhaft: Beschlüsse des Bay. LSG v. 16.08.02 (L 4 B 193/02), 02.09.02 ( L 4 B 174/02); SG München v. 26.08.02 ( S 19 KR 283/02).
[4] BT-Drucksache, 14/1245, Nr. 29, S. 67 f.
[5] BGHZ 82, 375, 382; 102, 280.
[6] Zum Streit bzgl. der Rechtsnatur vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz Kommentar, 7. Auflage, § 51, Rn. 20.
[7] OLG Düsseldorf, NZS 1998, 567;