In einem Rechtsstreit zwischen der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) und der Drogeriemarktkette dm ging es unter anderem um die Klärung der Frage, ob ein Biozidprodukt, hier in Gestalt eines Desinfektionsmittels, mit der Deklaration „hautfreundlich“ versehen werden dürfe.
Der Rechtsstreit mit dem sich in den Vorinstanzen das LG Karlsruhe (Entscheidung vom 25.03.2021 – 14 O 61/20 KfH) und das OLG Karlsruhe (Entscheidung vom 08.06.2022 - 6 U 95/21) zu befassen hatten, landete beim BGH. Dieser legte daraufhin zunächst folgende Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vor:
„Sind „ähnliche Hinweise“ im Sinne von Art. 72 III 2 VO (EU) Nr. 528/2012 nur solche in einer Werbung enthaltenen Hinweise, die genauso wie die in dieser Vorschrift ausdrücklich aufgezählten Begriffe die Eigenschaften des Biozids hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit in pauschaler Weise verharmlosen, oder fallen unter „ähnliche Hinweise“ alle Begriffe, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit einen den konkret aufgezählten Begriffen vergleichbaren verharmlosenden, nicht aber zwingend auch einen generalisierenden Gehalt wie diese aufweisen?“.
Hierüber hat der EuGH mit Urteil vom 20.06.2024 – C-296/23 entschieden und kam im Rahmen seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die Verwendung des Begriffs "hautfreundlich" in der Werbung für Biozidprodukte irreführend sei.
Nachdem der I. Zivilsenat des BGH die Verhandlung fortgesetzt hat, kam es am 10.10.2024 dann schließlich zur Entscheidung des BGH. Dieser folgte der Auffassung des EuGH.
In dem Urteil befassten sich beide Gerichte zentral mit der Frage, wie der Begriff „ähnliche Hinweise“ in Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012, nachfolgend „Biozid-VO“, auszulegen sei.
In ebendieser Vorschrift heißt es:
„In der Werbung für Biozidprodukte darf das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten.“
Der EuGH erläuterte, dass es nicht erlaubt sein könne, Werbeaussagen für Biozidprodukte zu verwenden, die sich auf das Fehlen von Risiken oder ein geringes Risiko oder auf bestimmte positive Wirkungen dieser Produkte bezögen, um diese Risiken zu verharmlosen oder sie sogar zu negieren. Wie die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen im Wesentlichen ausgeführt habe, könnten solche Angaben eine übermäßige, nachlässige oder fehlerhafte Verwendung dieser Produkte fördern, was dem Ziel zuwiderliefe, ihren Einsatz zu minimieren (EuGH, C‑296/23, Rn. 45).
Die Angabe „hautfreundlich“, die auf den ersten Blick eine positive Konnotation habe und die Erwähnung jeglicher Risiken vermeide, sei geeignet, die schädlichen Nebenwirkungen dieses Produkts zu relativieren, oder, wie die griechische Regierung und die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen im Wesentlichen vorgetragen hätten, anzudeuten, dass dieses Produkt für die Haut sogar von Nutzen sein könnte. Eine solche Angabe sei irreführend im Sinne von Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO, sodass das Verbot ihrer Verwendung in der Werbung für dieses Produkt gerechtfertigt sei (EuGH, C‑296/23, Rn. 46).
Der BGH kam auf dieser Grundlage zu dem Urteil, dass die Bezeichnung des Desinfektionsmittels als "Hautfreundlich" eine Angabe darstelle, die als "ähnlicher Hinweis" unter das Verbot des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO fiele.
Fazit:
Da der EuGH und der BGH sich klar dahingehend positioniert haben, dass Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung Nr. 528/2012 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „ähnliche Hinweise“ im Sinne dieser Bestimmung jeden Hinweis in der Werbung für Biozidprodukte umfasst, der – wie die in dieser Bestimmung genannten Angaben – diese Produkte in einer Art und Weise darstellt, die hinsichtlich der Risiken dieser Produkte für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder ihrer Wirksamkeit irreführend ist, indem er diese Risiken verharmlost oder sogar negiert, ohne jedoch zwingend allgemeinen Charakter zu haben, sind auch alle mit der Angabe „hautfreundlich“ vergleichbaren Hinweise im Rahmen der Werbung für Biozide und damit insbesondere auch für Desinfektionsmittel zu unterlassen.
Den Volltext des Urteils des BGH finden Sie unter folgendem Link: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=139281&pos=0&anz=1
Der Volltext zur Entscheidung des EuGH ist unter folgendem Link abrufbar: https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=287308&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1
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EuGH: Werbung für Biozidprodukt mit der Bezeichnung „hautfreundlich“ ist irreführend
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