Feldbrunnenstraße 57,   20148 Hamburg   |   +49 (0)40 33 44 36 90
Erfahrungen & Bewertungen zu DIEKMANN Rechtsanwälte

Haben Sie Fragen? Wir helfen gern!


Falls Sie Fragen zu diesem oder einem ähnlichen Thema haben, freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme mittels des nachstehenden Formulars oder per Email an:

info@diekmann-rechtsanwaelte.de

Sie können uns natürlich auch unter

+49 (40) 33443690 telefonisch erreichen.


FragenForm

Page1
* Pflichtfelder

Sonstige Rechtsgebiete


LG München I: Erstattung des Sekundärmarktpreises für geraubte Rolex Uhr zum Schadenszeitpunkt – Lieferzeit von länger als 6 Monaten für Kauf zum Listenpreis unzumutbar

(Auch) das LG München I hat in einem von uns erstrittenen Urteil (LG München I – Urteil vom 27.03.2025 (nicht rechtskräftig – Az. 23 O 2696/23) entschieden, dass die beklagte Hausratversicherung für eine (hier: geraubte) Rolex-Uhr nicht nur den Listenpreis, sondern den Sekundärmarktpreis zum Schadenszeitpunkt (hier: 09/2022) entschädigen muss (vgl. insoweit bereits Urteil d. LG Hamburg v. 12.02.2021 - Az. 306 O 330/19 – rechtskräftig).

„Lieferzeiten“ von länger als 6 Monaten für Kauf zum Listenpreis (beim Rolex- Konzessionär) so das LG München I seien dem Versicherungsnehmer unzumutbar. Laut Gutachter betrugen die Wartezeiten für „GMT-Master II“ Modelle zum Schadenszeitpunkt „2-4 Jahre“. Derartige Wartezeiten seien dem Versicherungsnehmer nicht zumutbar, sodass es auf den Preis am Sekundärmarkt zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls ankomme.

Der Kläger machte einen Anspruch aus seiner Hausratversicherung geltend, da ihm auf Ibiza seine Rolex GMT-Master II (Ref. 16710) geraubt wurde. Die Versicherung zahlte zunächst 9.800 € (Listenpreis des Nachfolgemodells Ref. 126710 BLRO), verweigerte aber eine weitere Zahlung (Differenz zwischen Listenpreis und seinerzeitigem Sekundärmarktpreis).

Der Wiederbeschaffungspreis war laut Versicherungsbedingungen der Preis für eine Uhr gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand. Da Wartezeiten von mehreren Jahren für eine neue Rolex unzumutbar seien, sei der Sekundärmarktpreis entscheidend.

Das Gericht folgte im Streitfall dem Gerichtssachverständigengutachten, das den Preis für eine vergleichbare Uhr wie die dem Kläger geraubte auf 20.280,- € festlegte.

Maßgeblich sei der Preis am Schadenstag, wobei nur Angebote zu berücksichtigen seien, bei denen der Kläger nicht länger als 6 Monate hätte warten müsse (was dann in Ansehung der gutachterlich festgestellten Wartezeit von „2-4 Jahren“ auf Angebote auf dem Sekundärmarkt hinausläuft – Anm. d. Verf.).

Aus dem Urteil:

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

- Kläger -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Diekmann, Feldbrunnenstraße 57, 20148 Hamburg,

gegen

- Beklagte -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

wegen Forderung

erlässt das Landgericht München I - 23. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht als Einzelrichter am 27.03.2025 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO folgendes

Endurteil

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.560 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 % p.a. vom 02.11.2022 bis zum 02.02.2023 sowie ab dem 03.02.2023 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 498,73 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 03.02.2023 zu zahlen.
  3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

 

Beschluss

Der Streitwert wird auf 9.560,00 € festgesetzt.


Tatbestand

Der Kläger macht einen Anspruch aus seinem Versicherungsvertrag geltend. Der Kläger ist bei der Beklagten hausratversichert.

Dem Kläger wurde auf der Insel Ibiza am 28.09.2022 abends von einem unbekannten Täter seine Armbanduhr der Marke Rolex, Modell GMT-Master II, geraubt.

Am 01.10.2022 meldete der Kläger, dass ihm seine Armbanduhr in Ibiza geraubt worden sei, über das Internet an die Beklagte.

Die Beklagte leistete eine Zahlung in Höhe von 9.800 € an den Kläger und lehnte eine darüber hinausgehende Regulierung ab.

Der Kläger behauptet, der Marktpreis der entwendeten Uhr auf dem Sekundärmarkt habe sich zum Schadenszeitpunkt auf 24.721 € belaufen. Daher seien noch 14.921 € offen. Da die Deckungsgrenze jedoch bei 19.360 € liege, werde lediglich ein Betrag von 9.560 € geltend gemacht.

Der Kläger behauptet weiter, aufgrund der knappen Liefersituation sei der Erwerb einer neuen Rolex Uhr über einen Vertragshändler nicht möglich gewesen.

Der Kläger beantragt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 9.560 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % p.a. vom 02.11.2022 bis zum 02.02.2023 sowie ab dem 03.02.2023 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen;
  2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 498,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 03.02.2023 zu zahlen.


Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Sachverständigengutachten. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten Bezug genommen. Zur Ergänzung des Tatbestands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

A) Die zulässige Klage ist begründet.

I. Dem Kläger steht ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag zu.

1. Der Versicherungsfall ist durch den Raub der Uhr am 28.09.2022 eingetreten.

2. Die Beklagte hat dem Kläger weitere 9.560 € zu zahlen.

a) Gemäß Ziffer 1.4.1 Abs. 1 der AVB wird der Versicherungswert zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls ersetzt. Gemäß Ziffer 1.4.1 Abs. 2 der AVB ist der Versicherungswert der Wiederbeschaffungspreis von Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand (Neuwert).

Der Wiederbeschaffungspreis ist nach dem Verständnis eines typischen Versicherungsnehmers der Preis, der für eine zeitnahe Wiederbeschaffung der Sache zu zahlen ist. Zweck der Hausratversicherung ist es, dem Versicherungsnehmer eine Ersatzbeschaffung zu ermöglichen. Diesem Zweck entsprechend kann von einem Versicherungsnehmer nicht erwartet werden, 2-3 Jahre auf einen Ersatz zu warten. Das Gericht hält hier eine Wartezeit von höchstens 6 Monaten für zumutbar. Maßgeblich ist somit der Preis am Schadenstag, wobei nur Angebote zu berücksichtigen sind, bei denen der Kläger nicht länger als 6 Monate hätte warten müssen. Der Einwand der Beklagten, maßgeblich sei ausschließlich der Listenpreis, da es sich beim Zweitmarktpreis um Spekulationspreise handele, überzeugt nicht. Nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen kommt es auf den Wiederbeschaffungspreis an. Hätte die Beklagte einen abstrakten Listenpreis vereinbaren wollen, dann hätte sie dies auch in die Vertragsbedingungen so aufnehmen müssen. Dies hat sie nicht getan. Maßgeblich ist daher der tatsächlich erforderliche Zahlbetrag für die zeitnahe Wiederbeschaffung der Uhr. Dem lässt sich auch nicht das Argument entgegenhalten, aufgrund der Spekulationen am Sekundärmarkt für Uhren sei das versicherte Risiko für die Beklagte unkalkulierbar. Denn gerade diesem Zweck dient die vertraglich vereinbarte Deckungsgrenze.

Im Ergänzungsgutachten vom 31.10.2024 stellte der Sachverständige fest, dass die Wartezeiten für die Lieferung von Rolex GMT Master II - Modellen bei Rolex Konzessionären zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls ca. 2-4 Jahre betrugen. Nach dem oben Gesagten sind derartige Wartezeiten dem Versicherungsnehmer nicht zumutbar, sodass es auf den Preis am Sekundärmarkt zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls ankommt.

Im Gutachten vom 22.5.2024 stellte der Sachverständige fest, dass das Modell Rolex, GMT-Master II, Referenz 16710, im Zeitraum September 2022 bis etwa März 2023 direkt auf dem Zweitmarkt erworben werden konnte. In gutem bis neuwertigem Zustand komplett mit Box und Papieren belief sich der Preis auf 16.000 € bis etwa 21.000 €, wobei anzunehmen sei, „dass der Kaufpreis mit Zustand Sehr gut / Fast neu am oberen Limit“ liege. Die Ausführungen des Sachverständigen sind nachvollziehbar und schlüssig begründet. Die Beweisfrage wurde vom Sachverständigen jedenfalls im Ergebnis richtig erfasst und vollständig bearbeitet. Soweit der Sachverständige ausführt, dass es auf die Preise bis zu einem halben Jahr nach dem Schadenstag ankomme, hat er den Beweisbeschluss missverstanden. Danach sollte der Wiederbeschaffungspreis einer Uhr der gleichen Art und Güte wie die entwendete Uhr in neuwertigen Zustand am 28.09.2022 festgestellt werden, wobei nur Angebote mit einer Lieferzeit von höchstens 6 Monaten berücksichtigt werden sollten. In seinem Ergänzungsgutachten kam der Sachverständige aber zu dem Ergebnis, dass die Preise für die Uhr im Zeitraum September 2022 bis März 2023 gefallen seien. Da er für den Zustand „Fast neu“ beim oberen Preislimit war, also bei 21.000 €, und die Preise gefallen sind, ist zum Schadentag der Preis von 21.000 € maßgeblich. Laut Ergänzungsgutachten ist der Preis vergleichbarer Modelle im September 2022 mit mindestens 20.280 € zu beziffern (Seite 12 des Ergänzungsgutachtens). Andere Modelle mit dem Namen GMT Master II (abgesehen vom Nachfolgemodell) habe nicht dieselben Funktionen (Ergänzungsgutachten Seite 14) und sind daher nicht für die Preisermittlung heranzuziehen. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen sind logisch und überzeugend. Anhaltspunkte dafür, dass die Methoden des Sachverständigen nicht dem Stand der Wissenschaft und Technik entsprechen, sind nicht ersichtlich. Der Sachverständige hat sowohl die Preise von Händlern als auch auf dem Portal Chrono 24 berücksichtigt. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass der Wiederbeschaffungspreis einer Uhr gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand zum Schadenzeitpunkt mit 20.280 € zu bemessen ist.

b) Die vertragliche Entschädigungsgrenze liegt bei 19.360 €, sodass darüber hinausgehende Kosten ohnehin von der Beklagten nicht zu ersetzen sind. Hiervon hat die Beklagte bereits 9.800 € an den Kläger gezahlt. Offen sind daher noch 9.560 €.

II. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Zinsen zu.

1. Der Kläger zunächst ein Anspruch auf Zinsen gemäß § 91 VVG. Die Schadensmeldung erfolgte am 01.10.2022. Nach Ablauf eines Monats stehen dem Kläger Zinsen in Höhe von 4 % p.a. zu.

2. Darüber hinaus steht dem Kläger ein Anspruch aus §§ 288, 286 BGB zu. Eine Mahnung erfolgte mit Schreiben des Klägervertreters vom 19.01.2023 mit Fristsetzung bis zum 02.02.2023. Da eine Zahlung nicht erfolgte, schuldet die Beklagte dem Kläger Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 03.02.2023.

III. Dem Kläger steht zu dem ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu, §§ 280, 286 BGB.

Die Beklagte war zur Zahlung weiterer 9.560 € verpflichtet. Mit Schreiben vom 20.12.2022 erklärte sie: „Wir werden für die Rolex-Uhr keine weitere Entschädigung leisten“ (Anlage K3). Dies ist eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung im Sinne des § 286 Abs. 2 Nummer 3 BGB. Eine Mahnung war somit entbehrlich. Das Verschulden wird gemäß § 286 Abs. 4 BGB vermutet und ist hier nicht widerlegt. Die Beklagte befand sich daher ab Zugang des Schreibens in Anlage K3 beim Kläger in Verzug. Infolgedessen wurde der Klägervertreter mandatiert, sodass in den hierdurch entstandenen Kosten ein kausaler Verzugsschaden liegt. Die Beklagte hat daher die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 9.560 € zu ersetzen.

Die Klageseite macht die Geschäftsgebühr in Höhe von 1,3 unter Abzug der Verfahrensgebühr in Höhe von 0,65 zuzüglich Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer in Höhe von 498,73 € geltend, die der Klageseite aus §§ 280, 286 BGB auch zustehen.

Dem Kläger steht auch hieraus ein Anspruch auf Verzugszinsen ab dem 03.02.2023 zu (s.o.).

B) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

C) Der Streitwert richtet sich nach dem Zahlungsantrag in der Hauptsache.

gez.
Richter am Landgericht