Feldbrunnenstraße 57,   20148 Hamburg   |   +49 (0)40 33 44 36 90
Erfahrungen & Bewertungen zu DIEKMANN Rechtsanwälte

Haben Sie Fragen? Wir helfen gern!

Falls Sie Fragen zu diesem oder einem ähnlichen Thema haben, freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme mittels des nachstehenden Formulars oder per Email an:

info@diekmann-rechtsanwaelte.de

Sie können uns natürlich auch unter

+49 (40) 33443690 telefonisch erreichen.


FragenForm

Page1
* Pflichtfelder

Sonstige Rechtsgebiete


Beihilfefähigkeit einer Schwellkörperprothese

Anmerkung zu: VG Freiburg (Breisgau) 6. Kammer, Urteil vom 02.05.2013 - 6 K 1483/12 - veröffentlicht in jurisPR-MedizinR 6/2013 Anm. 5

Leitsätze
 

  1. Eine - zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion (nach jahrelangem Diabetes und daraus resultierendem venösem Leck) - implantierte Schwellkörperprothese (oder auch: -implantat) ist kein von der Beihilfefähigkeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO ausgeschlossenes "Mittel", das "zur Potenzsteigerung verordnet" wird.
  2. "Mittel" im Sinne dieser Vorschrift sind nur Arzneimittel, Medikamente und sonstige Stoffe, die dem Körper von außen zugeführt werden (also etwa Tabletten wie Viagra).
  3. Eine Schwellkörperprothese ist auch kein "Hilfsmittel" i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 4 BVO, wie etwa äußerlich mechanisch wirkende Erektionshilfen (Penisvakuumpumpen, Stauringe etc.).
  4. Eine Schwellkörperprothese wird vielmehr nach ganzer bzw. teilweiser Entfernung des körpereigenen defekten Schwellkörpers an dessen Stelle in den ansonsten unversehrten Schwellkörper eingepflanzt und stellt daher ein "Körperersatzstück" dar.
  5. Körperersatzstücke werden in der Ziff. 2.1 der Anlage zur BVO ausdrücklich genannt und sind daher uneingeschränkt beihilfefähig.


A. Problemstellung

Das VG Freiburg (Breisgau) hatte darüber zu entscheiden, ob eine zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion implantierte Schwellkörperprothese bzw. ein -implantat ein von der Beihilfefähigkeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO ausgeschlossenes „Mittel“ ist, das „zur Potenzsteigerung verordnet“ wird oder aber ein gemäß der Anlage zur BVO, Ziff. 2.1., beihilfefähiges „Körperersatzstück“ i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 4 BVO.


B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger benötigte aufgrund eines infolge jahrzehntelanger Diabetes mellitus venösen Lecks mit der Folge vollständiger organischer erektiler Dysfunktion die Implantation eines neuen Drei-Komponenten-Penisschwellkörperimplantats und begehrt Beihilfe zu den Aufwendungen in Höhe von insgesamt 4.141,70 Euro.

Der Beklagte lehnte die Beihilfegewährung ab. Das Penisimplantat SEI nicht beihilfefähig, da es nicht in der abschließenden Liste der beihilfefähigen Hilfsmittel nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 BVO i.V.m. Nr. 2.1 der Anlage zur BVO aufgeführt sei. Dagegen hat der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben.

Er ist der Ansicht, dass es sich bei dem Penisschwellkörperimplantat nicht um ein Hilfsmittel handele wie etwa im Falle einer äußerlich aufzusetzenden Penis-Vakuumpumpe, sondern um ein nach Nr. 2.1. der Anlage zur BVO ausdrücklich als beihilfefähig anerkanntes Körperersatzstück.

Der Beklagte hingegen führt ergänzend zu seinem Vorbringen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens an, dass die fehlende Beihilfefähigkeit der Penisschwellkörperprothese auch aus der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 BVO folge, wonach Mittel, die der Potenzsteigerung dienten, selbst dann von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien, wenn es sich um Arzneimittel i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 BVO handle, welche der Behandlung einer Krankheit i.S.v. § 6 BVO wie etwa einer erektilen Dysfunktion nach operativer Entfernung eines Prostatakarzinoms dienen. Auch bei der Schwellkörperprothese handele es sich um eine Leistung, die in erster Linie der Steigerung der (sexuellen) Lebensqualität diene, nämlich der Behandlung einer erektilen Dysfunktion/Potenzstörung. Die im Rahmen der Implantierung des Penisimplantats erbrachten Krankenhausleistungen nach § 6a BVO seien im Ergebnis medizinisch nicht notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO und daher auch nicht beihilfefähig.

Das VG Freiburg (Breisgau) hat entschieden, dass der Kläger aus den §§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 i.V.m. 2 Abs. 1 Nr. 2 BVO einen Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen hat, die ihm für die Implantation einer neuen Penisschwellkörperprothese entstanden sind.

Die vollständige erektile Dysfunktion des Klägers stelle eine Erkrankung dar (BVerwG, Urt. v. 30.10.2003 - 2 C 26/02; VGH Mannheim, Urt. v. 17.11.2006 - 4 S 101/05), zu deren Behandlung die Implantation einer Schwellkörperprothese nach operativer Entfernung des defekten Schwellkörpers medizinisch „notwendig“ i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO gewesen sei.

Es handele sich bei der Penisschwellkörperprothese nicht um ein nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO ausdrücklich von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossenes „Mittel“, das zur Potenzsteigerung verordnet wurde: Wie auch der Kontext mit dem „Arzneimittel“ betreffenden Satz 1 der Vorschrift zeige, umfasse der Begriff „Mittel“ nur „Arzneimittel“ und „Medizinprodukte“ sowie andere „Stoffe“, die mit diesen Zweckbestimmungen dem Körper als Substanzen zugeführt werden (Schröder/Beckmann/Keufer/Hellstern/Zimmermann, Beihilfevorschriften Baden-Württemberg, Teil I/2 - BVO § 6 Abs. 1 Nr. 2 Anm. 7.1.1). Dies seien im Falle erektiler Dysfunktionen etwa oral einzunehmende „Viagra“- oder „Cialis“-Tabletten bzw. die lokal anzuwendenden Medikamente im Rahmen der Schwellkörper-Auto-Injektionstherapie (SKAT).

Ferner handele es sich bei der Penisschwellkörperprothese auch nicht um ein „Hilfsmittel“ i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 4 BVO. Als solche seien vielmehr Penisvakuumpumpen oder sonstige äußerlich anzuwendenden mechanische Erektionshilfen (wie etwa Stauringe) einzuordnen.

Im Ergebnis kommt die erkennende Kammer unter Bezugnahme auf die Entscheidung des VG Köln (Urt. v. 09.12.2011 - 27 K 7089/09) vielmehr zu dem Schluss, dass es sich bei der Penisschwellkörperprothese um ein gemäß der Anlage zur BVO, Ziff. 2.1., im vollen Umfang beihilfefähiges „Körperersatzstück“ i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 4 BVO handele, der die Körperersatzstücke den daneben gesondert genannten „Hilfsmitteln“ gleichstelle (Schröder/Beckmann/Keufer/Hellstern/Zimmermann, Beihilfevorschriften Baden-Württemberg, Teil I/2 - BVO § 6 Abs. 1, Anm. 10 (1)). Die implantierte Schwellkörperprothese sei mit plausibler und überzeugender Begründung unter den Begriff des „Körperersatzstücks“ zu subsumieren. Hier verweist das erkennende Gericht unter Hinwendung an eine Entscheidung des OLG Koblenz (Urt. v. 01.12.1993 - 7 U 1294/89) insbesondere auf das allgemeine Sprachverständnis, welches anstelle von „Körperersatzstück“ den Begriff „Prothese“ mit dem gleichen Bedeutungsgehalt verwende. Auch spreche für die Einordnung der Penisschwellkörperprothese als „Körperersatzstück“ der Umstand, dass der künstliche Penisschwellkörper tatsächlich den wegen seines Defekts ganz bzw. teilweise entfernten natürlichen körpereigenen Schwellkörper ersetze und von daher wortwörtlich ein Ersatzstück für dieses Körperteil darstelle.

Auf die Entscheidung des LSG Schleswig (Urt. v. 21.01.2007 - L 5 KR 56/06), welches festgestellt hat, dass ein Penisschwellkörperimplantat nicht unter den Begriff „Körperersatzstück“, sondern unter den Begriff „Hilfsmittel“ i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu subsumieren sei, komme es im vorliegenden Fall nicht an, da in diesem Rahmen keine Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen „Körperersatzstück“ sowie „Hilfsmittel“ vorgenommen worden sei.


C. Kontext der Entscheidung

Das VG Freiburg (Breisgau) hat unter Hinwendung an die Rechtsprechung des VG Köln (Urt. v. 09.12.2011 - 27 K 7089/09) sowie des OLG Koblenz (Urt. v. 01.12.1993 - 7 U 1294/89) ausdrücklich klargestellt, dass es sich im Falle einer Penisschwellkörperprothese um ein vollständig beihilfefähiges „Körperersatzstück“ handelt. Eine derartige Prothese sei weder ein nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO ausdrücklich von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossenes „Mittel“ zur Potenzsteigerung noch ein „Hilfsmittel“ i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 4 BVO in Form einer äußerlich anzuwendenden mechanischen Erektionshilfe.


D. Auswirkungen für die Praxis

Durch die auf den Wortlaut des „Körperersatzstücks“ bezogene Einordnung des künstlichen Penisschwellkörpers als Ersatz des wegen seines Defekts ganz bzw. teilweise entfernten natürlichen körpereigenen Schwellkörpers stellte sich das VG Freiburg (Breisgau) einer klaren Abgrenzung der Begriffe „Körperersatzstück“ und „Hilfsmittel“ und ermöglicht somit in vergleichbaren Fällen zur Frage der Beihilfefähigkeit eine eindeutige Einordnung.

Artikel bei juris aufrufen