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BGH fällt Grundsatzentscheidung zur Verweisung eines Patienten an einen Leistungserbringer durch einen Arzt

Die Musterberufsordnung der Ärzte sieht in § 34 Abs. 5 vor, dass Ärzte ihre Patienten nicht an bestimmte Leistungserbringer, Geschäfte oder Anbieter verweisen dürfen. Eine Ausnahme ist für den Fall vorgesehen, dass für die Verweisung ein "hinreichender Grund" besteht. Aber wann liegt ein hinreichender Grund vor? Das Gesetz gibt dazu selbst keine Antwort. In der Folge beschäftigen sich seit geraumer Zeit die Gerichte mit dieser Begrifflichkeit.

So führte der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 09. Juli 2009 (Az.: I ZR 13/07) aus, dass ein hinreichender Grund beispielsweise in der „Vermeidung von wegen bei gehbehinderten Patienten oder in der Vergangenheit gemachte schlechte Erfahrungen mit ortsansässigen Hilfsmittellieferanten“ (siehe dort Rdnr. 14) liegen kann. Der Bundesgerichtshof nahm dabei Bezug auf eine Entscheidung aus dem Jahr 2000 zum verkürzten Versorgungsweg bei der Zusammenarbeit zwischen einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt und einem Hörgeräteakustiker (BGH GRUR 2000, 1080, 1082). Diese Entscheidung verdeutlichte, dass als hinreichende Gründe auch nicht-medizinische Gründe in Betracht kommen können. Vielmehr können hinreichende Gründe „auch mit der Qualität der Versorgung, mit der Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten und mit schlechten Erfahrungen mit anderen Anbietern begründet werden“ (BGH vom 09. Juli 2009 unter Verweis auf BGH GRUR 2000, 1080, 1082 – Verkürzter Versorgungsweg sowie vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2000 - I ZR 59/98, GRUR 2000, 1080, 1082 = WRP 2000, 1121 - Verkürzter Versorgungsweg; Urteil vom 28. September 2000 - I ZR 141/98, GRUR 2001, 255, 256 = WRP 2001, 151 - Augenarztanschreiben).

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde bislang die Konkretisierung des Begriffes der "Verweisung" außen vor gelassen, gleichwohl diese dem "hinreichenden Grund" vorgreiflich ist: Liegt keine Verweisung vor, stellt sich auch nicht die Frage nach dem hinreichenden Grund.

In seiner jüngsten Entscheidung zu § 34 Abs. 5 MBO-Ä hat der Bundesgerichtshof den Begriff der "Verweisung" weiter konkretisiert (Urteil vom 13.01.2011, Az.: I ZR 111/08). Er zog eine Grenze zwischen der nach § 34 Abs. 5 MBO-Ä grundsätzlich verbotenen Verweisung und dem zulässigen ärztlichen Ratschlag. Letzterer liegt nach Auffassung des Bundesgerichtshofes vor, wenn der Arzt vom Patienten um eine Empfehlung gebeten worden ist.

Für die Abgrenzung des Verweisens vom Ratschlag sei allein maßgeblich, ob der Arzt gefragt oder ungefragt aktiv geworden ist. Empfiehlt der Arzt dem Patienten unaufgefordert einen Leistungserbringer, ein Geschäft oder einen Dienstleister, stelle dies eine grundsätzlich verbotene und nur im Ausnahmefall - bei Vorliegen eines hinreichenden Grundes - zulässige Verweisung dar. In diesem Fall werde die Wahlfreiheit nach Auffassung der erkennenden Richter in unzulässiger Weise eingeschränkt. Bittet der Patient den Arzt hingegen um einen ärztlichen Ratschlag, an wen er sich wenden soll, "weil er keinen geeigneten Leistungserbringer kennt oder weil er eine Alternative sucht" (siehe unter Rdnr. 28 der Entscheidung), liege keine Verweisung im Sinne des § 34 Abs. 5 MBO-Ä vor. Dieser Fall beschreibe einen zulässigen Ratschlag des behandelnden Arztes. Diesen Ratschlag dürfe der Arzt auch aufgrund der mit dem Behandlungsvertrag übernommenen Fürsorgepflicht erteilen, "wenn nicht erteilen [muss]" (siehe unter Rdnr. 28 der Entscheidung) müssen. Schließlich hätten die Patienten ein berechtigtes Interesse daran, "von Ärzten ihres Vertrauens bei Bedarf Empfehlungen für Leistungserbringer zu erhalten"(siehe unter Rdnr. 28 der Entscheidung). Der Bundesgerichtshof wies auch darauf hin, dass es dem Patienten letztlich freigestellt sei, zu entscheiden, ob er dem Ratschlag letztlich folgen möchte oder nicht.

Damit ist klar: Spricht der Arzt gegenüber seinem Patienten unaufgefordert eine Empfehlung aus, liegt eine grundsätzlich verbotene Verweisung vor. Nur bei Vorliegen eines hinreichenden Grundes kann von diesem Verbot ausnahmsweise abgewichen werden. Selbst wenn ein hinreichender Grund vorliegt, darf die zulässige Verweisung nur der Ausnahmefall bleiben. Eine generelle Verweisung kann nicht über einen hinreichenden Grund "gerettet" werden. Spricht der Arzt erst nach Aufforderung des Patienten eine Empfehlung aus, ist darin ein zulässiger ärztlicher Ratschlag zu sehen. Die ärztliche Fürsorgepflicht führt letztlich dazu, dass sich der Arzt auch informiert halten muss, um eine Empfehlung in der Form des ärztlichen Ratschlages erteilen zu können.