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OLG Hamm: Arzt muss bei unterlassenem Hinweis auf Standardtherapie bei Hautkrebs Schmerzensgeld zahlen

Wendet ein Arzt nicht die Therapie der 1. Wahl, den sogen. "Golden Standard", sondern die Therapie der 2. Wahl an, so liegt darin ein Behandlungsfehler. Verlässt der Arzt den sogen. "Golden Standard" ohne den Patienten hierauf hinzuweisen, so handelt er jedenfalls dann grob fehlerhaft, wenn der Patient bereits zur Durchführung der Therapie der 1. Wahl entschlossen war. Ein solches ärztliches Verhalten ist unverständlich und nicht mehr nachvollziehbar.


Oberlandesgericht Hamm

Urteil vom 25.02.2014
Aktenzeichen: 26 U 157/12
 
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 4 O 468/09


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 17. Juli 2012 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.140,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06. Dezember 2009 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen sowie die zukünftigen - nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden - zu ersetzen, welche ihm aus der fehlerhaften Behandlung im Zeitraum November 2005 bis August 2008 entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage bleibt abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte 76 % und der Kläger 24 %. Die Kosten des Streithelfers trägt der Kläger zu 24 % und im Übrigen der Streithelfer selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe


I.

Die Parteien streiten um Schmerzensgeld, materiellen Schadensersatz und die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung in den Jahren 2005  und 2008.

Der Beklagte führte beim Kläger am 2.11.2005 und am 23.11.2005 zur Behandlung eines Basalzellkarzinoms an der rechten Wange eine fotodynamische Therapie durch. Am 28.8.2008 wurde der Kläger wegen des Verdachts eines Rezidivs an der rechten Wange ambulant operiert. Anschließend stellte sich der Kläger am 30.9.2008 in der Klinik des Streithelfers vor. Dort wurde eine Nachresektion vorgenommen. Das entnommene Gewebe war histologisch tumorfrei. Im Jahr 2009 erfolgten weitere Nachoperationen.

Der Kläger hat Schadensersatz sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 15.000 EUR mit der Begründung geltend gemacht, er sei nicht über Behandlungsalternativen zur fotodynamischen Therapie aufgeklärt worden. Diese

Therapie habe auch nicht dem fachmedizinischen Standard entsprochen. Fehlerhaft sei auch gewesen, dass der Beklagte bei der Operation am 28.8.2008 die Wunde bereits verschlossen habe, ohne das Ergebnis der histologischen Untersuchung abzuwarten. Darüber hinaus habe der Beklagte die Operation bei einem viel zu niedrigem Quickwert vorgenommen. Diese Fehlbehandlungen hätten zur Folge gehabt, dass sich ein Rezidiv gebildet habe und sich der Kläger Folgeoperationen habe unterziehen müssen.

Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigen nebst mündlicher Erläuterung die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis dafür nicht geführt, dass er infolge einer fehlerhaften Behandlung geschädigt worden sei. Die Durchführung der am 2.11. und 23.11.2005 vorgenommenen fotodynamischen Therapie sei nicht behandlungsfehlerhaft gewesen. Es habe jedoch an einer medizinischen Indikation für diese Therapie gefehlt und die Aufklärung des Klägers durch den Beklagten habe nicht den Anforderungen genügt. Der Kläger habe aber nicht bewiesen, dass infolge dieses rechtswidrigen Eingriffes mehr als nur lokale Hautreizungen eingetreten seien. Es sei nicht feststellbar, dass weitere Beschwerden des Klägers kausal auf die fotodynamische Therapie zurückzuführen seien. Auch die Folgeoperationen seien dem Kläger bei Durchführung des indizierten chirurgischen Eingriffs wahrscheinlich nicht erspart geblieben, weil es mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 % auch dabei zu einem Rezidiv gekommen wäre. Die aufgetretenen lokalen Hautreizungen rechtfertigten jedoch kein Schmerzensgeld. Dass der Beklagte am 09.05.2006 nach Feststellung eines Fleckes nichts unternommen, sondern abgewartet hatte, sei nicht fehlerhaft gewesen. Die Behandlung vom 28.8.2008 sei zwar aus mehreren Gründen fehlerhaft gewesen. Jedoch sei der Beweis nicht geführt, dass die geltend gemachten Folgen auf diese Behandlung zurückzuführen seien. Ein mit der Unterlassung der Anhebung des Quickwertes verbundenes Risiko habe sich nicht verwirklicht. Auch die unterlassene Befunderhebung durch eine Gewebeprobe vor der Operation am 28.8.2008 habe sich nicht ausgewirkt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hätte sich zwar mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges Befundergebnis gezeigt. Der Beklagte habe jedoch auch ohne die Befunderhebung die umfangreiche Operation durchgeführt. Es sei daher möglich, dass der Beklagte den Tumor vollständig entfernt habe, so dass weitere Operationen nicht erforderlich gewesen wären. Wegen der weiteren Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er vor, das Landgericht habe fehlerhaft angenommen, der Kläger müsse nachweisen, dass die weiteren Behandlungen mit Sicherheit auf die nicht indizierte fotodynamische Therapie, über die er auch nicht aufgeklärt worden sei, zurückzuführen gewesen seien. Da der Sachverständige das Risiko eines Rezidivs bei einer chirurgischen Behandlung mit 5 % angenommen habe, sei eine Wahrscheinlichkeit von 95 % für das Auftreten eines Rezidivs bei einer durchgeführten Therapie zur Begründung der Kausalität ausreichend. Das Landgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass sich aus der von ihm vorgelegten wissenschaftlichen Arbeit eine Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Rezidivs bei chirurgischer Behandlung von allenfalls bis zu 1,7 % ergebe. Auch die aufgetretenen lokalen Hautreizungen hätten ein Schmerzensgeld begründet. Fehlerhaft habe das Landgericht die Kausalität der Behandlung vom 28.8.2008, mit der gegen den fachärztlichen Standard verstoßen worden sei, für die geltend gemachten Folgen abgelehnt. Das Landgericht habe die Beweislast verkannt und fehlerhaft angenommen, dass er den Kausalitätsnachweis nicht geführt habe. Hätte der Beklagte die Operation regelgerecht durchgeführt, wären die späteren Behandlungen nicht erforderlich geworden. Demgegenüber sei die Annahme, dass der Tumor vollständig entfernt worden sei, bloße Spekulation. Ihm komme jedoch eine Beweislastumkehr zugute, denn die in mehrfacher Hinsicht fehlerhafte Behandlung stelle sich in der Gesamtschau als grob fehlerhaft im Rechtssinne dar. Eine Beweislastumkehr ergebe sich entgegen der Annahme des Landgerichts auch wegen des festgestellten Befunderhebungsfehlers. Schließlich habe das Landgericht auch nicht geprüft, ob es sich um einen groben Befunderhebungsfehler gehandelt habe. Sowohl die nicht indizierte fotodynamische Therapie als auch die Behandlung vom 28.8.2008 seien grob fehlerhaft gewesen.

Der Kläger beantragt abändernd,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen konkrete Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit,

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.842,23 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,


3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche weiteren materiellen sowie künftigen immateriellen Schäden zu ersetzen, welche ihm aus der fehlerhaften Behandlung im Zeitraum November 2005 bis August 2008 werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden,
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4. die Beklagten zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 825,27 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte und der Streithelfer beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er habe den Kläger, wie sich aus den Krankenunterlagen ergebe, über die zur Wahl stehenden Behandlungsmethoden aufgeklärt. Der Kläger habe sich zunächst für ein operatives Vorgehen, sich nach einer Bedenkzeit von 14 Tagen jedoch für die fotodynamische Therapie entschieden. Einer Aufklärung über die statistische Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs sei nicht erforderlich gewesen. Entgegen der Annahme des Landgerichts sei die fotodynamische Therapie auch indiziert gewesen. Selbst eine fehlerhafte Aufklärung begründe keinen groben Behandlungsfehler, so dass der Kläger den Nachweis eines kausalen Schadens führen müsse. Der gerichtliche Sachverständige habe sich nicht mit der abweichenden Stellungnahme des vom Beklagten herangezogenen Sachverständigen auseinandergesetzt. Er habe seine Auffassung, nach der ein Rezidiv und kein neuer Tumor vorgelegen habe, nicht belegt. Soweit Verstöße gegen den fachärztlichen Standard vorgeworfen würden, hätten sich diese nicht ausgewirkt. Der Vorwurf, er habe eine gebotene Befunderhebung fehlerhaft unterlassen, sei unberechtigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Parteien angehört. Der Sachverständige Prof. Dr. H hat sein schriftliches Gutachten mündlich erläutert und ergänzt. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 14.01.2014 nebst Berichterstattervermerk Bezug genommen.


II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zu, weil die Behandlung durch den Beklagten mangels Indikation fehlerhaft war und der Kläger nicht ordnungsgemäß über alternative Behandlungsmethoden aufgeklärt worden ist. Dies hat die durchgeführte Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats im Sinne des § 286 ZPO ergeben.

1. Die ärztliche Behandlung des Klägers durch den Beklagten war fehlerhaft. Zwar hat der Beklagte die angewandte fotodynamische Therapie, jedenfalls soweit aus der Behandlungsdokumentation ersichtlich, nach dem fachärztlichen Standard, d.h. an sich nicht fehlerhaft durchgeführt. Ein Behandlungsfehler ist jedoch zu sehen, dass für die gewählte fotodynamische Therapie keine medizinische Indikation bestanden hat. Der Senat folgt in dieser Einschätzung den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H, der bereits in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hatte, dass es sich bei dieser Behandlung nicht um die Methode der Wahl gehandelt habe. Dies hat der Sachverständige damit begründet, dass die fotodynamische Therapie zwar bessere kosmetische Ergebnisse und eine kürzere Abheilungszeit zeige, aber die Rezidivrate höher sei, so dass die chirurgische Therapie bei einem

Basalzellkarzinom, wie es beim Kläger vorgelegen habe, als Standardtherapie anzusehen sei. Zum Zeitpunkt der Behandlung sei bereits bekannt gewesen, dass es bei der fotodynamischen Therapie häufiger zu problematischen Rückfällen komme, so dass von dieser Therapieform abzuraten gewesen sei. Dass der Beklagte dennoch die fotodynamische Therapie gewählt hat, widerspricht mithin dem fachärztlichen Standard. Der Senat verkennt dabei nicht, dass grundsätzlich der Arzt die Wahl der Therapie nach seinem ärztlichen Beurteilungsermessen treffen können muss, wobei maßgeblich die jeweils verschiedenen Gegebenheiten des konkreten Behandlungsfalles, seine eigene Ausbildung, Erfahrung und Praxis sind (vgl. BGHZ 106, 153, 157 m.w.N.). Auch muss der Arzt nicht stets den sichersten therapeutischen Weg und auch nicht das jeweils neueste Therapiekonzept verfolgen. Allerdings muss ein höheres Risiko durch die Besonderheiten des konkreten Falles oder durch eine günstigere Heilungsprognose gerechtfertigt sein. Gibt es diese Besonderheiten nicht, ist prinzipiell die sicherere Methode zu wählen. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien war die Wahl der fotodynamischen Therapie zur Behandlung des Basalzellkarzinoms des Klägers vorliegend fehlerhaft. Das hat der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens im Senatstermin noch einmal ausdrücklich klargestellt. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass die fotodynamische Therapie bei einem knotigen Basalzellkarzinom nicht die optimale Therapie gewesen sei. Zwar sei das bei dieser Therapie verwendete Medikament auch für die Behandlung von knotigen Basalzellkarzinomen zugelassen. Wegen der geringeren Erfolgsaussichten sei die fotodynamische Therapie jedoch nur in begründeten Ausnahmefällen der offenen Operation vorzuziehen. Insoweit habe es für die fotodynamische Therapie keine Indikation gegeben; es habe sich nicht um die „Therapie der ersten Wahl“ gehandelt. Vielmehr sei allein die offene Operation der „golden Standard“ gewesen. Soweit der Sachverständige einschränkend darauf hingewiesen hat, dass man nicht sagen könne, es sei eine nicht indizierte Methode angewandt worden, steht dies der Feststellung eines Behandlungsfehlers des Beklagten nicht entgegen. Der Sachverständige hat nämlich seine Einschätzung dahingehend relativiert, dass die fotodynamische Therapie angewendet werden könne, wenn der Patient eine offene Operation nicht wünsche oder sonst etwas gegen diese Vorgehensweise spreche. Andernfalls gebe es keine Indikation für die fotodynamische Therapie. Wegen der höheren Erfolgschancen der offenen Operation handele es sich – so der Sachverständige – um ein fehlerhaftes Vorgehen, wenn nicht zur Operation geraten

werde. Wie der Kläger im Rahmen seiner mündlichen Anhörung im Senatstermin unwidersprochen erklärt hat, habe er gerade die chirurgische Entfernung des Karzinoms gewünscht und auf einer Operation bestanden, so dass keine Besonderheiten gab, die vorliegend eine Abweichung vom „golden standard“ gerechtfertigt hätte. Der Erklärung des Klägers ist der Beklagte auch nicht entgegengetreten. Er hat lediglich vorgetragen, dass er – soweit er den Fall überhaupt noch in Erinnerung habe – beide Methoden vorgeschlagen habe. Er könne aber nicht sagen, darauf hingewiesen zu haben, dass die offene Operation die Methode der ersten Wahl gewesen sei.

2. Die vom Beklagten im November 2005 durchgeführte Behandlung war zudem rechtswidrig, weil der Kläger nur unzureichend über die Chancen und Risiken der fotodynamischen Therapie und die in Betracht kommende Behandlungsalternative des chirurgischen Eingriffs aufgeklärt worden ist. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten dazu ausgeführt, dass der Patient vor einer fotodynamischen Therapie über die Durchführung dieser Therapie und ihre Vor- und Nachteile gegenüber alternativen Therapien aufzuklären ist. Im vorliegenden Fall hätte daher darüber aufgeklärt werden müssen, dass der Vorteil in einem besseren kosmetischen Ergebnis bestehe, der Nachteil aber in einer höheren Rezidivrate. Im Rahmen der mündlichen Erläuterung des Gutachtens hat der Sachverständige dies noch dahingehend ergänzt, dass der Vorschlag, eine fotodynamische Therapie zu machen, nur dann zu akzeptieren sei, wenn zuvor auf die höheren Erfolgschancen einer Operation, die die Methode der ersten Wahl sei, hingewiesen worden sei. Diesem Erfordernis ist der Beklagte jedoch nicht nachgekommen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der Anhörung der Parteien. Der Beklagte hat im Rahmen seiner Anhörung vor dem Landgericht angegeben, den Kläger, wie jeden anderen Patienten, mündlich aufgeklärt zu haben, ohne einen speziellen Aufklärungsbogen zu verwenden. Diese Aufklärung habe in der Erklärung der Diagnose und des Ablaufes der Therapie bestanden. Er habe auch über die Möglichkeit eines operativen Vorgehens und des Verbleibens einer Narbe gesprochen. Er habe darauf hingewiesen, dass die fotodynamische Therapie kosmetisch vorteilhafter sei. Bei seiner Anhörung im Senatstermin hat der Beklagte ergänzt, zwar beide Methoden vorgeschlagen zu haben, jedoch nicht mehr zu

wissen, ob er die Operation als Methode der ersten Wahl erwähnt habe. Dass der Beklagte beim Landgericht zudem angegeben hatte, zusätzlich auf die weitgehend gleiche Erfolgsaussichten beider Therapieverfahren hingewiesen zu haben, bestätigt die Einschätzung des Senats, dass die Aufklärung unzulänglich gewesen ist. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich aus seiner Behandlungsdokumentation nichts anderes. Darin ist – wie sich aus der Auswertung durch den Sachverständigen ergibt - ersichtlich, dass der Kläger, wie von ihm auch bei seiner Anhörung durch den Senat angegeben, noch am 11.10.2005 primär ein operatives Vorgehen gewünscht hat. Für den 25.11.2005 ist hingegen dokumentiert, dass auf Wunsch des Patienten eine PDT (fotodynamische Therapie) durchgeführt werden sollte, ohne dass ersichtlich ist, dass der Beklagte den Kläger auch auf die unterschiedlichen Risiken und Chancen der Behandlungsalternativen hingewiesen hatte. Einer weiteren Beweisaufnahme zur Feststellung einer mangelhaften Aufklärung bedurfte es daher nicht. Der Beklagte hat sich zwar zum Beweis für die ordnungsgemäße Aufklärung in üblichen Fällen auf das Zeugnis des Kollegen S berufen. Dieser Beweisantritt bezieht sich jedoch gerade nicht auch auf die Behauptung, üblicherweise die Vor-und Nachteile der beiden Therapieformen darzustellen.

3. Es muss davon ausgegangen werden, dass durch die fehlerhafte Behandlung bei dem Kläger ein Gesundheitsschaden verursacht worden ist. Für die Annahme der Kausalität des Behandlungsfehlers reicht vorliegend aus, dass nicht auszuschließen ist, dass sämtliche weiteren Beschwerden des Klägers, insbesondere auch die Folgeoperationen in den Jahren 2008 und 2009 durch die fehlerhafte Wahl der fotodynamischen Therapie durch den Beklagten verursacht worden sind und nicht nur die vom Landgericht zugrunde gelegten lokalen Hautreizungen, die auf die fotodynamische Therapie zurückzuführen sind. Wie der Sachverständige schon in seinem schriftlichen Gutachten zum Ausdruck gebracht und im Rahmen der mündlichen Erläuterung im Senatstermin bestätigt hat, wäre das Karzinom mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % endgültig beseitigt worden, wenn im Jahr 2005 die offene Operation gemacht worden wäre. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre dann nur eine Narbe aufgrund der Operation ohne sonstige weitere Beschwerden verblieben. Der Einwand des Beklagten, bei dem im Jahr 2008 behandelten Karzinom habe es sich um eine erneute Krebserkrankung und nicht um ein Rezidiv des im Jahr 2005 behandelten Basalzellkarzinoms gehandelt, führt zu keiner anderen rechtlichen

Bewertung. Hierfür ist auch unerheblich, ob das Risiko für ein Rezidiv – wie der Sachverständige ausgeführt hat – bei ca. 2 – 4 % liegt, oder ob – wie der Beklagte vorträgt – aufgrund von neueren wissenschaftlichen Studien von einem deutlich geringeren Rezidivrisiko auszugehen ist.

Denn nach Auffassung des Senats muss nicht der Kläger den Nachweis eines kausalen Schadens führen. Ihm kommt insoweit die Umkehr der Beweislast zugute, so dass dem Beklagten der Beweis obliegt, dass sein Behandlungsfehler folgenlos geblieben ist. Diese Umkehr der Beweislast folgt daraus, dass der Senat einen groben Behandlungsfehler des Beklagten annimmt. Dem steht nicht entgegen, dass der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten in der Wahl der falschen Therapieform zunächst keinen groben Behandlungsfehler gesehen hat und dies damit begründet hat, dass die fotodynamische Therapie grundsätzlich auch für die Behandlung von Karzinomen im Gesicht zugelassen sei. Die Bewertung eines Fehlers als „grob“ obliegt grundsätzlich dem Gericht unter Berücksichtigung der medizinischen Darlegungen des Sachverständigen (BGH NJW 2001, 2792; 2002, 2944). Bei der Beurteilung der Frage, ob ein grober Behandlungsfehler vorliegt, der zugunsten des Patienten grundsätzlich zu Beweiserleichterungen für den Kausalitätsbeweis führt, muss ein Fehlverhalten vorliegen, das nicht aus subjektiven, in der Person des handelnden Arztes liegenden Gründen, sondern aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil ein solcher Fehler dem behandelnden Arzt "schlechterdings" nicht unterlaufen darf. Es kommt also darauf an, ob das ärztliche Verhalten eindeutig gegen gesicherte und bewährte medizinische Erkenntnisse und Erfahrungen verstieß (BGH, NJW 1992, 754). Dies ist hier der Fall. Bei dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf die Feststellungen des Sachverständigen, der, wie oben dargelegt, es eindeutig als fehlerhaftes Vorgehen bezeichnet hat, dass der Beklagte nicht zur Operation geraten hat und statt dessen die fotodynamische Therapie angewandt hat. Verlässt der Arzt den sogen. „golden Standard“ ohne den Patienten hierauf hinzuweisen, so handelt er jedenfalls grob fehlerhaft, wenn der Patient bereits zur Durchführung der Therapie der 1. Wahl entschlossen war. Dass der Beklagte dem Kläger, der sogar zur chirurgischen Entfernung des Karzinoms aus nachvollziehbaren Gründen entschlossen war, zur Wahl der fotodynamischen Therapie geraten hat, ist aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich. Nach den Erläuterungen des Sachverständigen handelt es sich um eine

gesicherte medizinische Erkenntniss, dass eine Operation bei einem Basalzellkarzinom eine höhere Erfolgschance hat als die fotodynamische Therapie. Von begründeten Ausnahmefällen abgesehen handelt es sich bei dem chirurgischen Vorgehen um eine bewährte ärztliche Behandlungsweise, von der der Beklagte aus unverständlichen und nicht nachvollziehbaren Gründen abgewichen ist. Dass die fotodynamische Therapie in kosmetischer Hinsicht vorzugswürdig gewesen sein mag, was für den Kläger aufgrund seines fortgeschrittenen Alters ohne Bedeutung war, spielt demgegenüber angesichts des gegenüber der Operation erhöhten Rezidivrisikos keine Rolle. Schließlich kommt hinzu, dass der Sachverständige nur deshalb davon ausgegangen ist, dass die fotodynamische Therapie indiziert sein könne, weil das bei dieser Therapie verwendete Medikament auch für die Behandlung von Gesichtskarzinomen zugelassen ist. Aus objektiver Sicht konnte der Beklagte allein damit sein Vorgehen indessen nicht rechtfertigen.

4. Dem Kläger ist infolge des Behandlungsfehlers des Beklagten sowohl ein materieller als auch ein immaterieller Schaden entstanden.

a) Der Kläger kann gem. § 253 Abs. 2 BGB ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 EUR verlangen. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist vor allem zu berücksichtigen, dass sich der Kläger weiteren Eingriffen unterziehen musste, die – nach den Feststellungen des Sachverständigen – bei einer leitliniengerechten chirurgischen Entfernung des Basalzellkarzinoms - mit großer Wahrscheinlichkeit unnötig gewesen wären. Die vom Beklagten durchgeführte Operation vom 28.08.2008 wäre genauso wenig notwendig geworden wie die in der Klinik des Streithelfers durchgeführte Nachoperation vom September 2008. Der Kläger musste sich jeweils mehrtägigen Krankenhausaufenthalten mit den damit zwangsläufig einhergehenden Unannehmlichkeiten unterziehen. Er hat sich den mit den Operationen verbundenen Risiken für seine Gesundheit, wie etwa Wundheilungsstörungen etc., aussetzen müssen. Die Durchführung der fotodynamischen Therapie selbst hat bei dem Kläger zu lokalen Hautreizungen geführt, die bei fachgerechter Behandlung vermieden worden wären. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die vom Kläger beklagte Trigeminusneuralgie durch die fehlerhafte Behandlung verursacht worden ist, so dass die damit verbundenen

Beschwerden bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen sind. Dass der Kläger nunmehr eine von ihm als entstellend empfundene Narbe im Bereich der rechten Wange hat, muss demgegenüber unberücksichtigt bleiben, da diese auch entstanden wäre, wenn es sofort zu einer chirurgischen Entfernung des Tumors gekommen wäre. Allerdings ist davon auszugehen, dass Operationen im Gesichtsbereich ohnehin äußerst unangenehm sind, so dass dieser Umstand bei der Bestimmung der Höhe des Schmerzensgeldes heranzuziehen ist. Schließlich hält es der Senat für nachvollziehbar, dass der Kläger aufgrund des aufgetretenen Rezidivs auch psychisch beeinträchtigt worden ist.

b) Weiterhin steht dem Kläger wegen der fehlerhaften Behandlung durch den Beklagten gem. § 249 BGB der Ersatz des ihm entstandenen materiellen Schadens zu.

aa) Der Kläger kann aber nicht den Ersatz der Kosten für Wahlleistungen verlangen, die ihm im Zusammenhang mit der Behandlung in der Klinik des Streithelfers in Höhe von insgesamt 5.327,73 EUR entstanden sind.

Nach § 249 S. 2 BGB hat der Schädiger bei einer Körperverletzung den "daraus entstehenden" Schaden zu ersetzen. Der Zweck des Schadensersatzes erschöpft sich allerdings im Ausgleich des in haftungsrechtlich erheblicher Weise verursachten Schadens; eine darüber hinausgehende Besserstellung des Geschädigten soll er nicht bewirken. Deshalb hat nach einem allgemeinen Grundsatz des Schadensrechts der Schädiger den Verletzten  in den Verhältnissen zu entschädigen, in denen er ihn        betroffen hat (vgl. BGH, VersR 1989, 54). Nach diesen Grundsätzen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger zwar privat krankenversichert ist, aber diese private Krankenversicherung zum Basistarif abgeschlossen hat, so dass deren Leistungen denen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen und somit Wahlleistungen nicht umfassen. Zwar ist ein geschädigter Kassenpatient bei der Schadensbeseitigung nicht schon deshalb auf die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung beschränkt, weil ihm der Anspruch auf Heilbehandlung gegen seine Krankenkasse auch nach einem Behandlungsfehler verbleibt. Jedoch hat ein Kassenpatient grundsätzlich keinen Anspruch auf Kostenerstattung einer ärztlichen

Behandlung als Privatpatient durch den Schädiger (BGH, VersR 2004, 1180). Soweit in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass im Einzelfall Umstände vorliegen können, die ausnahmsweise die Inanspruchnahme privatärztliche Leistungen rechtfertigen, fehlt es hier jedoch an einem entsprechenden Vortrag des Klägers. Zu der Frage, welche Aufwendungen für eine gebotene Heilbehandlung erforderlich gewesen sind, hat der Kläger keine Angaben gemacht. Er hat lediglich ausgeführt, dass er die Kosten für die Inanspruchnahme der Chefarztbehandlung und des Ein- bzw. Zweibettzimmers selbst tragen musste, weil sie von seiner privaten Krankenversicherung nicht erstattet worden sind. Aus welchem Grund der Kläger allerdings diese Wahlleistungen in Anspruch genommen hat bzw. warum sie zur Durchführung der Revisionsoperationen in der Klinik des Streithelfers zur Verbesserung seiner Heilungschancen erforderlich gewesen sind, hat der Kläger hingegen nicht dargelegt.

bb) Der Kläger kann indessen einen Teil der von ihm verlangten Fahrtkosten verlangen. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, insgesamt 7 Hin- und Rückfahrten über eine Entfernung von 150 km zur Behandlung in der Klinik des Streithelfers unternommen zu haben. Der Senat schätzt in ständiger Rechtsprechung die Höhe der entstandenen Kosten gem. § 287 ZPO pauschal auf 0,30 EUR pro Kilometer, so dass sich erstattungsfähige Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 315,00 EUR errechnen.

cc) Der Kläger kann schließlich auch die nicht anrechenbaren, vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von dem Beklagten in Höhe von 825,27 EUR ersetzt verlangen. Die vom Kläger vorgelegte Gebührenrechnung seiner Prozessbevollmächtigten ist nicht zu beanstanden.

5) Der geltend gemachte Feststellungsantrag ist gem. § 256 ZPO zulässig. Für das Feststellungsinteresse gem. § 256 ZPO reicht es aus, dass bei verständiger Würdigung Grund zu der Annahme besteht, dass mit ersatzpflichtigen Schäden wenigstens zu rechnen ist (vgl. BGH NJW 1993, 1523), und für die Feststellung der Ersatzpflicht genügt die nicht eben entfernt liegende Möglichkeit, dass künftig weitere bisher noch nicht erkennbare und voraussehbare Leiden bzw. Schäden auftreten (BGH NJW-RR 1989, 1367). Hier steht fest, dass der Beklagte das

Basalzellkarzinom grob fehlerhaft behandelt hat. Die Möglichkeit einer gesundheitlichen Verschlechterung bei einer solchen Schädigung liegt schon deshalb nahe, weil erhebliche Nachoperationen vorgenommen werden mussten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92, 101 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO. Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen sind solche des Einzelfalls.