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Sonstige Rechtsgebiete


VG Trier: Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) ist Heilkunde nach dem HeilprG und bedarf einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz

Verwaltungsgericht Trier
5 K 221/10.TR


URTEIL

In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Rechts der Heilberufe

hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2010, an der teilgenommen haben

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.


TATBESTAND:

Der Kläger wendet sich gegen eine Ordnungsverfügung der Beklagten, mit der ihm untersagt wurde, in einer Trierer Arztpraxis in den Bereichen Akupunktur, Akupressur, chinesische Puls- und Zungendiagnostik, TUINA-Massage und Reflexzonen-Therapie (chinesische Reflexzonen-Therapie) tätig zu sein.

Der 1976 geborene Kläger ist chinesischer Staatsangehöriger und im Jahr 2000 zu Studienzwecken nach Deutschland eingereist. In den Jahren 2005 - 2007 arbeitete er an der ***-Fachklinik ***. Seit Anfang 2008 ist er in der Praxis des in Trier niedergelassenen Arztes Dr. med. *** tätig und führt nach dessen Angaben in einer zu den Akten gereichten Bescheinigung vom 1. April 2008 unter ärztlicher Anleitung folgende Tätigkeiten aus:

* Puls- und Zungendiagnostik
* Akupunktur

Selbständig arbeitet er ausweislich der genannten Bescheinigung auf folgenden Gebieten

* Akupressur
* TUINA-Massage
* Reflexzonen-Therapie

Einem am 16. Mai 2008 vom Bildungswerk für therapeutische Berufe ausgestellten Zertifikat zufolge absolvierte der Kläger in der Zeit vom 1. April 2008 bis zum 28. Mai 2008 mit Erfolg einen staatlich zugelassenen Lehrgang Akupunktur. Außerdem hat der Kläger eigenen Angaben zufolge 2001 eine Prüfung für TUINA-Massage bestanden und insoweit ein chinesisches Zertifikat zu den Akten gereicht.

Mit ordnungsbehördlicher Verfügung vom 31. Juli 2009, die dem Kläger am 1. August 2009 zugestellt wurde, untersagte die Beklagte dem Kläger unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 € ab Zugang der Verfügung die o.g. Tätigkeiten. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass für die genannten Tätigkeiten eine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz erforderlich sei, die der Kläger jedoch nicht besitze. Zwar habe er sich für März 2009 zu einer Prüfung zur Erlangung der Erlaubnis angemeldet, den Prüfungstermin aber nicht wahrgenommen.

Mit seinem am 19. August 2009 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er für die Tätigkeit keine Heilpraktikererlaubnis benötige, weil er eine abhängige, weisungsgebundene Tätigkeit ausübe. Insoweit verweist er auf eine weitere Bescheinigung des Herrn Dr. *** vom 10. August 2009, in der es heißt, dass sämtliche Tätigkeiten unter ärztlicher Anleitung ausgeführt würden.

Die Bezirksärztekammer Trier vertrat gegenüber Herrn Dr. *** die Ansicht, dass es medizinisch vertretbar sei, Akupunkturleistungen auf Mitarbeiter zu delegieren. Dem widersprach das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung und vertrat die Auffassung, dass es sich bei der Akkupunktur um eine Ausübung der Heilkunde handele, die auf nicht entsprechend ausgebildete Mitarbeiter nicht delegiert werden dürfe.

Mit Widerspruchsbescheid aufgrund der Verhandlung vom 21. Januar 2010, zugestellt am 15. April 2010, wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. In den Gründen des Widerspruchsbescheids wird ausführlich ausgeführt, dass die Verfügung ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Rheinland-Pfalz - POG - in Verbindung mit § 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung - HeilprG - finde und rechtmäßig sei, weil der Kläger mit Akupunktur, Akupressur, chinesischer Puls- und Zungendiagnostik, TUINA-Massage und Reflexzonen-Therapie Heilkunde ausübe, ohne im Besitz der erforderlichen Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz zu sein. Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung des Widerspruchsbescheids wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen auf die dortigen Ausführungen.

Am 12. Mai 2010 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er sein bisheriges Vorbringen vertieft und die Auffassung vertritt, dass die Beklagte seine therapeutische Ausbildung nicht hinreichend berücksichtigt habe. Ferner sei der Stellungnahme der Bezirksärztekammer Trier, die bestimmte medizinische Leistungen als delegierbar angesehen habe, nicht das notwendige Gewicht beigemessen worden. Bei der von ihm vorgenommenen Patientenbehandlung verbleibe die Anordnungsverantwortung bezüglich Diagnostik und Therapie bei dem Arzt, ihm sei nur die Durchführungsverantwortung übertragen, wobei sich ein Facharzt stets in Rufnähe aufhalte. Er rege an, ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Frage der Delegierbarkeit der vom Kläger ausgeführten Tätigkeiten auf nichtärztliche Mitarbeiter einzuholen und Herrn Dr. *** zum Umfang der eigenständigen Tätigkeit des Klägers als Zeugen zu hören.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt unter Verweisung auf die Begründung der ergangenen Bescheide,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsvorgänge, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Klage ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet. Die gegenüber dem Kläger ergangene Ordnungsverfügung stellt sich als rechtmäßig im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar und verletzt den Kläger von daher nicht in eigenen Rechten.

Wie der Stadtrechtsausschuss in seinem Widerspruchsbescheid mit ausführlicher und zutreffender Begründung dargelegt hat, findet die Verfügung ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Rheinland-Pfalz - POG - in Verbindung mit § 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung - HeilprG -, denn die Ausübung der von der Beklagten beanstandeten Tätigkeiten des Klägers stellt einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, weil der Kläger nicht im Besitz der für diese Tätigkeiten erforderlichen Erlaubnis ist, und § 5 HeilprG vom 17. Februar 1939 (RGBI I S. 251), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2702), die Ausübung von Heilkunde ohne eine erforderliche Erlaubnis unter Strafe stellt.

Gemäß § 1 Abs. 1 HeilprG bedarf derjenige, der die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will, dazu der Erlaubnis.

Gemäß Abs. 2 der Norm ist Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird.

Die Ausübung von "Heilkunde" dient danach nicht nur der Heilung im engeren Sinn, sondern auch der Linderung körperlicher Defekte, mithin schon einer Situationsverbesserung. Die Tätigkeiten in der "Heilkunde" erstrecken sich auch auf Leiden und Körperschäden, also auf Störungen der normalen Beschaffenheit oder Tätigkeit des Körpers, die nicht geheilt werden können. Unter "Leiden" werden "langanhaltende, häufig kaum oder gar nicht mehr therapeutisch beeinflussbare Funktionsstörungen" verstanden, unter "Körperschäden" die "grundsätzlich irreparablen, nicht krankhaften Veränderungen des Zustandes oder der Funktion des Körpers, einzelner Organe oder Organteile, wie z.B. Sterilität, Taubheit oder Blindheit". Das Heilpraktikergesetz dient - wie bereits im Zeitpunkt seines Erlasses - der Abwehr von Gefahren, die vor allem von fachlich ungeeigneten Personen für die Gesundheit der Patienten ausgehen. Dabei spielt es für die Auslegung des Heilkundebegriffs keine Rolle, dass es zur Zeit des In-Kraft-Tretens des Heilpraktikergesetzes bestimmte, konkret zu beurteilende Behandlungsmethoden oder -richtungen noch nicht gegeben hat. Der Begriff der Heilkunde in § 1 Abs. 2 HeilprG ist nämlich entsprechend dem Gesetzeszweck, möglichen Gesundheitsgefahren vorzubeugen, dynamisch und nicht statisch auszulegen (vgl. zu alledem BVerfG, Urteil vom 24. Oktober 2002 - 2 BvF 1/01 -, juris mit weiteren Nachweisen).

Allerdings ist die gesetzliche Begriffsbestimmung "Heilkunde" ihrem Wortlaut nach sehr weit gefasst. Bei wörtlicher Auslegung würden nämlich auch zahlreiche heilkundliche Verrichtungen mehr handwerklicher oder technischer Art unter das Ausübungsverbot fallen, was ersichtlich nicht Sinn und Zweck des Gesetzes sein sollte. Die im Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG gebotene verfassungskonforme Auslegung erfordert vielmehr Einschränkungen. Vom Ausübungsverbot werden dementsprechend nur Tätigkeiten erfasst, die ärztliche Fachkenntnisse voraussetzen und gesundheitliche Schädigungen zur Folge haben können, wobei auch nur mittelbare Gesundheitsgefährdungen genügen, etwa dadurch, dass frühzeitiges Erkennen ernster Leiden, das ärztliches Fachwissen voraussetzt, verzögert werden kann, und dass die Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefährdung nicht nur geringfügig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1970 - I C 53.66 -, BGH, Urteil vom 10. Dezember 1998 - I ZR 137/96 - und den in diesem Einzelfall der Verfassungsbeschwerde stattgebenden Beschluss des BVerfG vom 7. August 2000 - 1 BvR 254/99, alle veröffentlicht in juris).

Wesentliche Bestandteile des Begriffs "Ausübung der Heilkunde" sind demnach, dass die betreffende Behandlung ärztliche (oder heilkundliche) Fachkenntnisse erfordert und dass die Behandlung gesundheitliche Schäden verursachen kann. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so rechtfertigt der Gesetzeszweck, der Bevölkerung einen ausreichenden Schutz gegenüber Gesundheitsgefährdungen durch Unberufene zu geben, das Erfordernis der Erlaubniserteilung nicht. Von daher fallen heilkundliche Verrichtungen, die keine nennenswerten Gesundheitsgefahren zur Folge haben, nicht unter die Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes, auch wenn sie ärztliche Fachkenntnisse erfordern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2009 - 3 B 39/09 -, juris, und Urteile vom 11. November 1993 - 3 C 45/91 -, BVerwGE 94, 269, und vom 20. Januar 1966 - 1 C 73/64 -, BVerwGE 23, 140).

Außerdem erfüllen sogenannte Heilhilfstätigkeiten nicht den Tatbestand der "Ausübung der Heilkunde". Zum einen erfordern nämlich Heilhilfstätigkeiten, zu denen etwa die der medizinischen Masseure, Krankenpfleger oder medizinisch-technischen Assistenten zählen, nach allgemeiner Erfahrung kein ärztliches Fachwissen, denn der Funktionsbereich der in der Krankenpflege oder als Hilfskräfte in der Gesundheitspflege tätigen Personen lässt sich von der den Ärzten vorbehaltenen Tätigkeit klar abgrenzen. Kennzeichnend für eine Heilhilfstätigkeit ist insbesondere, dass zwischen den nichtärztlichen Hilfskräften und den Ärzten ein Unterordnungsverhältnis besteht. Je nach Art, Schwierigkeitsgrad und Gefährlichkeit der besonderen (Hilfs-)Funktion unterliegen die Hilfskräfte in der Gesundheitspflege einer mehr oder weniger intensiven Anleitung und Beaufsichtigung durch einen Arzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.06.1970 - 1 C 53/66 -, BVerwGE 35, 308). Dabei hat das BVerwG in seinem vorstehend zitierten Urteil allerdings auch weiter ausgeführt, dass eine chiropraktische Behandlung selbst dann keine erlaubnisfreie Heilhilfstätigkeit darstellt, wenn sie auf Anordnung eines Arztes ausgeführt wird, der Arzt vor Beginn die Diagnose mitteilt und gegebenenfalls aus ärztlicher Sicht weitere Hinweise für die chiropraktische Behandlung gibt. Eine derartige Behandlung könne nämlich nicht in einzelne Funktionen aufgeteilt werden, die teils von Ärzten, teils von Chiropraktikern ausgeübt werden. Die diagnostische Tätigkeit und die praktische Durchführung der chiropraktischen Handgriffe ließen sich nicht voneinander trennen. Der Chiropraktiker müsse in der Lage sein, den ärztlichen Befund nachzuprüfen und die chiropraktische Behandlung erforderlichenfalls im Laufe der Anwendung zu ändern. Außerdem erfordere die Anwendung der Chiropraktik außer der richtigen Diagnose auch eine richtige Beurteilung der Auswirkungen der Behandlungen auf den Gesundheitszustand des Patienten und habe damit den Besitz allgemeiner medizinischer Kenntnisse zur Voraussetzung. Dem Chiropraktiker oblägen hiernach keine unter ärztlicher Leitung und Aufsicht stehenden Hilfsfunktionen, und zwar auch dann nicht, wenn er mit einem Arzt derart zusammenwirkt, dass dieser die chiropraktische Behandlung anordnet, vor Behandlungsbeginn die Diagnose stellt und gegebenenfalls aus ärztlicher Sicht noch weitere Hinweise für die chiropraktische Behandlung gibt. Der Bereich der Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Chiropraktikers erstrecke sich vielmehr auf die chiropraktische Gesamtbehandlung, die ärztliches Fachwissen erfordere. Angesichts aller dieser Umstände - des Maßes an Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit und an medizinischem Wissen und Können, das die kunstgerechte Reposition eines verrenkten Wirbels erfordere - würde man die Tätigkeit des Chiropraktikers nicht zutreffend würdigen, wollte man sie der der Heilhilfskräfte in der Gesundheitspflege zuordnen.

Ausgehend von diesen allgemeinen Erwägungen ist die Kammer der Überzeugung, dass der Kläger für die von der Beklagten beanstandeten Tätigkeiten einer Heilpraktikererlaubnis bedarf. Diese Tätigkeiten sind alle der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) zuzuordnen, die in Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, unter dem Stichwort TCM als in philosophische Weltbilder eingebettetes, über jahrtausende entwickeltes chinesisches Medizinsystem beschrieben wird, das auf einem Gesundheits- und Krankheitsverständnis beruht, in dem Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt, Makro- und Mikrokosmos sowie die Polarität zwischen Yin und Yang eine zentrale Rolle spielen. Die beiden zuletzt genannten Begriffe stehen - so de.wikipedia.org/wiki/Yin_und_Yang - für gegensätzliche Prinzipien: mit Yang verbindet sich ursprünglich die Vorstellung des Besonnten und daher Warmen und Hellen, mit Yin der Gedanke an Schattiges und daher Kühles und Dunkles. Der Übergang zwischen Yin und Yang ist fließend. Von dieser Grundbedeutung ausgehend, wies man auch einer Fülle weiterer Gegensatzpaare einen Yin- und einen Yang-Pol zu. Insbesondere wurde das Männliche als Yang, das Weibliche als Yin betrachtet. Mit der durchgängigen Anwendung dieser binären Einteilung auf die Gesamtheit aller Dinge und Vorstellungen wurde der Gegensatz von Yin und Yang in den Rang einer universalen Gegebenheit erhoben, welche die gesamte Wirklichkeit konstituiert und charakterisiert. So wurden alle Phänomene als Manifestationen des Gegensatzes dieser beiden Gegenpole und ihres Wechselspiels gedeutet. Im Mittelpunkt der Traditionellen Chinesischen Medizin steht dabei weniger das konkret zu behandelnde Leiden des Patienten, sondern eine Gesamtbetrachtung seiner aktuellen Lebenssituation.

Ausgehend von dieser Begriffsdefinition ist zunächst festzustellen, dass der gesamte Bereich der Traditionellen Chinesischen Medizin zur Überzeugung des Gerichts dem Begriff der Heilkunde im Sinne des § 1 HeilprG zuzuordnen ist, wobei die beim Kläger beanstandeten Tätigkeiten alle zur Traditionellen Chinesischen Medizin gehören, wie im Einzelnen nachfolgend ausgeführt.

Die Zungendiagnostik ist neben der ausführlichen Anamnese sowie der Pulsdiagnose ein wichtiger Baustein in der Diagnose von Funktionsstörungen und Erkrankungen in der Traditionellen Chinesischen Medizin. Es handelt sich hierbei um ein alternativmedizinisches diagnostisches Verfahren, welches mit dem allgemein anerkannten Wissensstand von Medizin und Pathophysiologie nicht übereinstimmt (http://de.wikipedia.org/wiki/Zungendiagnostik), wobei die Zunge und vor allem ein Zungenbelag frühzeitig Aufschluss über eine beginnende Funktionsstörung innerer Organe oder auch eine beginnende Krankheit geben können (http://traditionelle-medizin.suite101.de/article.cfm/zungendiagnostik).

Akupunktur ist ebenfalls ein Teilgebiet der traditionellen chinesischen Medizin. Sie geht von Lebensenergien des Körpers aus (Qi), die auf definierten Längsbahnen, den Meridianen, zirkulieren und angeblich einen steuernden Einfluss auf alle Körperfunktionen haben. Ein gestörter Energiefluss wird für Erkrankungen verantwortlich gemacht und soll durch Stiche in auf den Meridianen angenommene Akupunkturpunkte ausgeglichen werden. Bei Akupressur wird stumpfer Druck auf die Punkte ausgeübt (http://de.wikipedia.org/wiki/Akupunktur).

Tuina basiert ebenfalls auf den Lehren der TCM zu Gesundheit und Krankheit des Menschen. Die Therapiestrategie hat ein ganzheitliches Ziel. Sie setzt nicht bei lokalen Beschwerden an, sondern bezieht den gesamten Körper sowie das Gesamtsystem des Menschen in seiner Umwelt und die Natureinflüsse mit ein. Durch die verschiedenen (auch tiefgreifenden) manuellen Techniken wird Qi und Blut in den lokalen wie auch in den Ganzkörperenergiebändern reguliert. Die fließende Energie wird als Qi bezeichnet. Mit Tuina sollen Blockaden der Energiebahnen aufgelöst und der Energiefluss gefördert, aber auch Organe beeinflusst werden. Durch diese Stimulation und Regulation wird das Yin und Yang des Körpers und des Funktionskreises der fünf Elemente (chinesisches Organsystem) wieder hergestellt. Die Wellness-Tuina ist eine individuelle Behandlung zur Gesunderhaltung, zur Vorbeugung, zum Abbau von Negativstress und zur Regulation des Ganzkörper-Funktionssystems, um Seele und Körper in Einklang zu bringen. Sie ist schon seit der Tang-Dynastie (618-907 n. Chr.) nachweisbar (http://de.wikipedia.org/wiki/Tuina).

Die Reflexzonenmassage schließlich ist eine Behandlungsform, die in ihrer therapeutischen Ausprägung zu den alternativmedizinischen Behandlungsverfahren gezählt wird und als Wohlfühlbehandlung zunehmend auch im Wellnesssektor Einzug gefunden hat. Befürworter dieser Methode gehen davon aus, dass die Reflexzonenmassage in der Schmerztherapie und bei Durchblutungsstörungen übliche medizinische Verfahren und physiotherapeutische Anwendungen ergänzen kann sowie eine Verbesserung des Wohlgefühls unterstützen kann (http://de.wikipedia.org/wiki/Reflexzonenmassage).

Sind demnach die genannten Tätigkeiten der Heilkunde zuzuordnen, so können sie auch nicht als untergeordnete Tätigkeiten eingestuft werden, die auf Hilfskräfte übertragen werden können. Insoweit sind nämlich zur Überzeugung des Gerichts die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur chiropraktischer Behandlung entsprechend anwendbar, zumal aus der vorstehenden Beschreibung der Tätigkeiten folgt, dass dem Wissens- und Kenntnisstand der die Handlungen unmittelbar vornehmenden Person erhebliche Bedeutung zukommt, weil es sich nicht um rein mechanische Handlungen handelt, sondern der Handelnde unmittelbar auf bei der Behandlung erzielte Kenntnisse reagieren muss.

Hinzu kommt, dass sich die gesamte Traditionelle Chinesische Medizin - wie bereits ausgeführt - als umfassende Gesamtbetrachtung gesundheitlicher Probleme versteht, so dass in ihrem gesamten Anwendungsbereich bei einer Ausführung durch nicht hinreichend sachkundige Personen eine potentielle Gesundheitsgefährdung deshalb zu bejahen ist, weil die Gefahr besteht, dass eine erforderliche ärztliche Behandlung verzögert wird. Dies gilt vorliegend ungeachtet dessen, dass der Kläger insoweit vorträgt, er werde stets unter ärztlicher Betreuung durch Herrn Dr. *** tätig. Wie nämlich den vorstehenden Ausführungen zur Traditionellen Chinesischen Medizin zu entnehmen ist, kommt es bei ihr ganz entscheidend auf den Wissensstand der unmittelbar handelnden Person an, so dass die genannten Tätigkeiten einer Ausführung durch Hilfspersonen von vornherein nicht zugänglich sind, weil sie eine medizinische Qualifikation der unmittelbar tätigen Personen erfordern. Hinzu kommt, dass § 1 Abs. 2 HeilprG ausdrücklich eine Erlaubnis auch bei solchen Tätigkeiten verlangt, die im Dienste von anderen ausgeübt werden. Von daher kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, in welchem Umfang der Kläger - wie behauptet - unter ärztlicher Leitung tätig wird, so dass insoweit auch keine Beweisaufnahme erforderlich war. Dies gilt im Übrigen auch hinsichtlich der unter Beweis gestellten Behauptung des Klägers, dass die streitigen Tätigkeiten von einem Arzt delegiert werden dürften, denn insoweit handelt es sich um eine Rechtsfrage, die vom Gericht in eigener Entscheidungskompetenz zu beantworten ist.

Demnach ist die Beklagte bei ihrer Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger für seine oben genannten Tätigkeiten mangels ärztlicher Ausbildung eine Heilpraktikererlaubnis benötigt.

Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das ihr bei ihrer Entscheidung eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hätte, vermag die Kammer angesichts der insoweit gemäß § 114 VwGO eingeschränkten gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit nicht zu erkennen.

Die in dem Bescheid enthaltene Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 66, 64 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz - LVwVG - vom 8. Juli 1957 (GVBl. S. 101), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juni 2007 (GVBl. S.101).

Von daher kann die Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, denn zur Überzeugung der Kammer hat die Frage, ob im Bereich der Traditionellen Chinesischen Medizin eine Tätigkeitsübertragung durch einen Arzt auf Personen, die weder als Arzt bestallt noch im Besitz einer Erlaubnis im Sinne des § 1 Abs. 1 HeilprG sind, zulässig ist, grundsätzliche Bedeutung.


BESCHLUSS

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 14.1 des von Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalogs, DVBl. 2004, S. 1525).

Dabei sieht die Kammer keine Veranlassung, die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG zuzulassen, denn die Streitwertfestsetzung hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Die Festsetzung des Streitwertes kann allerdings nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt.

Unterschriften