Amtsgericht Hamburg
Az 35a C 126/15 B
Urteil gemäß § 495a ZPO
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
- Kläger -
gegen
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
erkennt das Amtsgericht Hamburg - Abteilung 35a - durch die Richterin Dr. Andre am 28.07.2015 auf Grund des Sachstands vom 28.07.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an [...], vertreten durch den Kläger und Frau [...], weitere 400 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2014 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
I. Von der Erstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen. Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung ist unzweifelhaft nicht zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 600 EUR nicht übersteigt, vgl. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, und die Berufung nicht gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen wird.
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt. Die Parteien sind mit Verfügung vom 24.4.2015, der Klägerseite und der Beklagtenseite jeweils zugestellt am 30.4.2015, auf die Möglichkeit einer abschließenden Entscheidung ohne Verkündungstermin nach Ablauf jeder gesetzten Frist hingewiesen worden.
II. Die Klage hat in dem noch rechtshängigen Umfang Erfolg.
1. Nachdem hinsichtlich des Klagantrags zu 1) bereits das Teilanerkenntnisurteil vom 24.4.2015 ergangen war, war hier nur noch über den Klagantrag zu 2), mithin die Zahlung weiterer 400 EUR nebst Zinsen an die Tochter des Klägers zu entscheiden.
a. Die Klage ist auch insofern zulässig. Der Kläger konnte den Anspruch seiner mitreisenden Tochter Marlene auf Ausgleichszahlung gemäß der EG-Fluggastrechteverordnung (EG-VO 261/2004) im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend machen. Die gewillkürte Prozessstandschaft setzt voraus, dass der Anspruchsinhaber den Dritten zur Geltendmachung des Anspruchs ermächtigt, dieser ebenso wie der Ermächtigende ein schutzwürdiges Interesse an der Prozessführung hat und der Gegner durch die Prozessführung des Dritten nicht unzumutbar in seinen schutzwürdigen Belangen beeinträchtigt wird (vgl. nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, Vor § 50 Rn. 44). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
aa. Eine Ermächtigung zur Geltendmachung der Ansprüche der Tochter des Klägers liegt hier vor. Die Ermächtigung kann auch stillschweigend erklärt werden (Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, Vor § 50 Rn. 45 m.w.N.). Eine Ermächtigung des Klägers zur Geltendmachung des Anspruchs der Tochter im eigenen Namen ergibt sich hier aus dem Verhalten des Klägers, da er die Forderung ausdrücklich im Namen der Tochter geltend macht, und der Mutter des Kindes, die ihren eigenen Anspruch zur Ermöglichung einer gebündelten klagweisen Geltendmachung der Ansprüche der Familie an den Kläger abgetreten hat. Dem stehen auch nicht die Vorschriften aus §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB und § 181 BGB entgegen, da die Ermächtigung zur Prozessführung dem Kind lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen kann (vgl. hierzu Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl. 2014, § 1795 Rn. 13; Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl. 2014, § 181 Rn. 9). Ein Kostenrisiko der Tochter besteht auch für den Fall einer Klagabweisung nicht, da sie nicht Partei des Rechtsstreits ist. Eine Gefährdung von Vermögensinteressen der Tochter ist ausgeschlossen (ebenso LG Dortmund, Urteil vom 10.1.2013, 11 S 54/12, juris). Insbesondere hat der Kläger Zahlung an seine Tochter beantragt. Aus diesem Grund ist auch ein Eigeninteresse der Tochter an der Prozessstandschaft zu bejahen.
bb. Der Kläger hat auch ein schützenswertes eigenes Interesse an der Prozessstandschaft. Ein solches Interesse ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten hat; ein wirtschaftliches Interesse kann insoweit genügen Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, Vor § 50 Rn. 44). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn der Kläger hat den Flug für seine Tochter gebucht; die Rechnung vom 29.7.2014 (Anlage K 1) ist an ihn gerichtet. Die Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs der Tochter berührt die rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen des Klägers, da ein Anspruch auf Ausgleichszahlung aus der EG-VO 241/2004 allein seiner Tochter zusteht, während der Kläger aus dem Beförderungsvertrag mit der Beklagten berechtigt und zur Zahlung verpflichtet ist (ebenso LG Dortmund, Urteil vom 10.1.2013, 11 S 54/12, juris). Der pauschale Vortrag der Beklagtenseite, wonach bei sog. Infants, die kostenlos mitreisen, keine Auswirkungen auf die Rechtsposition des Klägers bestünden, ändert hieran nichts. Es ist weder vorgetragen, noch ersichtlich dass die Tochter vorliegend als sog. Infant kostenlos mitreisen durfte, vielmehr wurde ihr Flug gesondert in Rechnung gestellt (vgl. Anlage K 1).
cc. Dass die Beklagte durch die Prozessstandschaft unzumutbar in schützenswerten Interessen beeinträchtigt wird, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
b. Die Klage ist auch begründet. Dass der Tochter des Klägers, ebenso wie dem Kläger selbst und seiner Lebensgefährtin, ein Anspruch auf Ausgleichszahlung in Höhe von 400 EUR gemäß Art. 7 EG-VO 261/2004 zusteht, ist zwischen den Parteien nicht streitig.
c. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB. Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 27.10.2014 zur Zahlung von insgesamt 1200 EUR aufgefordert. Durch die ernsthafte und endgültige Zahlungsverweigerung mit Schreiben vom 25.11.2014 geriet die Beklagte gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug. Zinsen waren ab dem 26.11.2014 zu zahlen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Kosten waren auch hinsichtlich der anerkannten Klagforderung in Höhe von 800 EUR der Beklagten aufzuerlegen, da ein sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO lag nicht vorlag.
IV. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 1, Nr. 11, 713 ZPO.
V. Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern, § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO.
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