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AG Wusterhausen: Erkrankung eines Piloten stellt keinen aussergewöhlichen Umstand iSd VO (EG) 261/04 dar

AG Königs Wusterhausen, Urteil vom 01.06.2012 - 9 C 138/12

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

- Klägerin -

gegen

- Beklagte -

hat das Amtsgericht Königs Wusterhausen auf die mündliche Verhandlung vom 01.06.2012 durch Richterin am Amtsgericht Städtke für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1) und 2) je 400,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2012 zu zahlen.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger gesamtschuldnerisch haftend zu 1/3, die Beklagte zu 2/3.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages für jeden der Parteien.


Tatbestand:

Die Kläger buchten Ende Oktober 2011 über die Homepage der Beklagten jeweils einen Flug von Berlin-Schönefeld nach Bangkok über Kairo. Der Flug sollte um 14.45 Uhr von Berlin-Schönefeld nach Kairo starten. Die Ankunft in Bangkok sollte am 17.12.2011 um 13.45 Uhr sein.

Der Flug startete tatsächlich erst um 19.00 Uhr vom Flughafen Schönefeld. Der Anschlussflug von Kairo nach Bangkok sollte um 23.40 Uhr stattfinden und war bei Ankunft der Kläger in Kairo schon weg.

Die Kläger wurden zunächst in einem Hotel in Kairo untergebracht. Nach massiven Protesten der Fluggäste wurden die Kläger umgebucht und konnten mit der Türkisch Airline über Istanbul am nächsten Tag, dem 17.12.2011 gegen 13.45 Uhr zunächst nach Istanbul und dann ab 19.45 Uhr von Istanbul nach Bangkok fliegen.

Am 18.12.2011 landeten die Kläger um 9.45 Uhr in Bangkok mithin 19 Stunden als geplant. Unstreitig wies der Flug von Schönefeld nach Kairo eine Verspätung von 4 Stunden auf.

Mit Schreiben vom 09.01.2012 forderten die Kläger die Beklagte hinsichtlich einer Entschädigung bis zum 15.01.2012 auf ausgehend von einer Flugstrecke von 3500 km in Höhe von 600,00 € je Kläger.

Die Beklagte bot eine Zahlung von 100,00 € an, die für die Kläger nicht ausreichend war.

Die Kläger sind der Auffassung, dass ihnen für eine Flugstrecke von 3500 km von Schönefeld nach Bangkok jeweils eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600,00 € nach der EU-Fluggastverordnung zustehe. Sie bestreite, dass die Verspätung auf außergewöhnlichen Umständen basiere, die die Beklagte zur Exkulpation berechtige. Die Kläger behaupten, dass sie anwaltliche vorgerichtliche Kosten in Höhe von 175,53 € zu tragen hätten basierend auf einen Streitwert von 1.200,00 € mit einer 1,5 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte wird verurteilt, je Kläger 600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2012 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiterhin verurteilt,

vorgerichtlich Kosten in Höhe von 175,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.04.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, den Klägern stehe kein Ausgleichsanspruch nach der EU-Fluggastverordnung zu, da die Verspätung lediglich 4 Stunden betragen habe. Im Übrigen könne sich die Beklagte auf außergewöhnliche Umstände gemäß Artikel 5 Abs. 3 der EU-Fluggastverordnung berufen. Es sei unvorhersehbar und plötzlich zur Erkrankung des Piloten für den geplanten Flug gekommen. Der Flug habe eigentlich pünktlich bereit gestanden. Die eingesetzte Maschine war vor Ort pünktlich. Der eingesetzte Flugkapitän habe bei Anflug nach Berlin Schmerzen im Ohr verspürt, die auch nach der Landung nicht weggegangen sei. Er sollte auch den Rückflug nach Kairo führen. Er begab sich aus Sicherheitsgründen in das Krankenhaus in B., V. Klinikum ..., um die Sache abzuklären. Dies habe die Flugverspätungszeit in Anspruch genommen.

Der Beklagten könne nicht angelastet werden, dass sie keine Ersatz-Crew vorhalte, da es sich um eine ausländische Airline mit Sitz in Ägypten handele. Darüber hinaus ist die Beklagte der Auffassung, dass nur auf die Verspätung für den Abschnitt von Berlin-Schönefeld nach Kairo abgestellt werden könne für die Ausgleichszahlung, da der übrige Flug pünktlich durchgeführt worden sei. Die Flugstrecke von Berlin-Schönefeld nach Kairo betragen 2873 km, so dass jedenfalls den Klägern nur eine Ausgleichszahlung in Höhe von je 400,00 € zustünde.

Der Zinsanspruch werde im Übrigen dem Grunde nach bestritten. Vorgerichtliche Kosten werden der Höhe und dem Grunde nach bestritten. Es bleibe offen, um welche Kosten es sich dabei handele sofern es sich um Rechtsanwaltskosten handele wird eine angebliche Geschäftsgebühr zu einem Wert von 1,5 bestritten.

Hinsichtlich des weiteren Parteienvorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 01.06.2012 Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist für einen Betrag von je 400,00 € pro Kläger nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab dem 15.02.2012 begründet, im Übrigen aber unbegründet.

Die Kläger haben Anspruch auf Zahlung von je 400,00 € nebst Verzugszinsen aus der unstreitigen Flugverspätung für den Abschnitt von Berlin-Schönefeld nach Kairo aus § 7 Abs. 1 litb. der EU-Fluggastverordnung 261/2004 in Verbindung mit dem EuGH-Urteil vom 19.11.2009 in den verbundenen Rechtssachen C 402/07 und C 432/07. Nach dem vorgenannten EuGH-Urteil ist im Falle der Verspätung von mehr als 3 Stunden nach einschlägiger Rechtssprechung auch des BGH im Anschluss davon auszugehen, dass die Rechte der Fluggäste gleich gestellt werden, wie bei einer Annullierung des Fluges, so dass ihnen eine Ausgleichszahlung im Sinne des Artikel 7 der EU-Fluggastverordnung zugestanden wird. Dieser Tatbestand liegt hier vor, da unstreitig bezüglich der ersten Flugstrecke von Berlin-Schönefeld nach Kairo eine Flugverspätung von 4 Stunden eingetreten ist. Hinsichtlich der Höhe des Ausgleichsanspruches kann sich aber die Klägerseite nur auf Artikel 7 Abs. 1 lit b. der EU-Fluggastverordnung berufen, da lediglich der erste Teilabschnitt des Fluges verspätet war aber nicht die Gesamtflugleistung. Für den ersten Teilabschnitt jedoch ist eine Flugstrecke von 2873 km anzusetzen, so dass sich der ursprüngliche Klageanspruch auf 400,00 € pro Kläger reduziert.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass Exkulpationsgründe gemäß Artikel 5 Abs. 3 der EU-Fluggastverordnung zu ihren Gunsten vorliegen, so dass im Ergebnis ein Ausgleichszahlungsanspruch nicht bestünde, denn die dafür erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen hat die Beklagte nicht vorgetragen. Sofern die Beklagte sich lediglich darauf beruft, dass wegen der Erkrankung des die Luftbeförderung ausführenden Piloten die Flugzeit sich verzögert hat und im Ergebnis die 4 Stunden Verspätung eingetreten sind, so bildet dies keinen in Artikel 5 Abs. 3 der EU-Fluggastverordnung geregelten Exkulpationsgrund. Nach Artikel 5 Abs. 3 der EU-Fluggastverordnung ist eine Ausgleichszahlung gemäß Artikel 7 dann nicht zu leisten, wenn das Flugunternehmen nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurück geht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßgaben ergriffen worden wären. Nach der einschlägigen Rechtssprechung und Kommentierung werden als Exkulpationsgrund lediglich Streik und Wetter oder trotz regelmäßiger Kontrollen außergewöhnliche technische Defekte angenommen. Vorliegend lässt sich in diese Fallgruppen der Vortrag der Beklagten nicht eingruppieren. Auch geht das Gericht davon aus, dass die Erkrankung eines Crewmitgliedes, auch des Pilotens den Flugbetrieb immanent ist, so dass die Beklagte dafür Sorge zu tragen hat, dass für diesen Fall Ersatz vorhanden ist. Unter Berücksichtigung der Zielsetzung der EU-Fluggastverordnung, die Ansprüche der Fluggäste und ihre Rechtsposition zu stärken in Hinsicht auf Annullierung und Verspätung von Flügen kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie den Flugbetrieb immanenten also ständig auftretenden Probleme im Sinne der Exkulpationsgründe auf den Fluggast abgeplättet werden können. Der Beklagten ist auch insofern nicht zuzugeben, dass sie als ausländische Airline eine Ersatz-Crew nicht vorhalten kann, denn in dieser Hinsicht ist sie genau wie alle anderen Fluggesellschaften die der EU-Fluggastverordnung unterliegen zu behandeln. In jedem Fall hat die Beklagte dafür Sorge zu tragen, dass eine Ausweismöglichkeit auf einen anderen Flug oder aber eine Ersatz-Crew vorliegend hätte in Bereitschaft stehen müssen.

Nach alledem konnte den Klägern jeweils eine Ausgleichszahlung von 400,00 € zugestanden werden, wobei unter Berücksichtigung der Flugstrecke für den verspäteten Flug der Rest der Klageforderung abzuhalten war.

Die Kläger haben auch Anspruch auf Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2012 aus §§ 280 Abs. 1, 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kläger hatten mit Schreiben vom 17.12.2011 die Beklagte um Ausgleichszahlung aufgefordert.

Mit Schreiben vom 09.01.2012 haben die Kläger nochmals eine Entschädigung unter Fristsetzung zum 15.01.2012 gefordert, so dass bereits nach Ablauf dieser Frist den Klägern Verzugszinsen zugestanden haben, wenn die Kläger sodann auf ein Angebot der Beklagten nochmals eine Aufforderung mit Zahlungsziel 14.02.2012 machen und die Verzugszinsen erst ab 15.02.2012 beantragen, ist den Klägern nicht vorzuwerfen, dass der Verzugseintritt nicht vorliegt.

Demgegenüber haben die Kläger keinen Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, denn die Kläger haben nicht vermocht die diesbezüglichen Tatbestandsvoraussetzungen schlüssig vorzutragen. So haben die Kläger weder eine anwaltliche Kostennote vorgelegt noch den Verzugseintritt bezüglich der Begleichung vorgetragen. Auch haben sie nicht belegt, dass sie selbst die anwaltliche Kostennote bedient haben, so dass auf Bestreiten der Beklagtenseite diesbezüglich die Kläger den Vortrag und den Beweis schuldig geblieben sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO nachdem die Parteien jeweils für die Anteile ihres Obsiegens und Unterliegens die Kosten zu tragen haben.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht aus § 709 ZPO.