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Berufsgericht für die Heilberufe beim VG Mainz: RX-Bonus von bis zu 3 Euro berufsrechtlich nicht zu beanstanden

BERUFSGERICHT FÜR HEILBERUFE BEI DEM VERWALTUNGSGERICHT MAINZ

URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES


BG-H 2/11.MZ

In dem berufsgerichtlichem Verfahren

hat das Berufsgericht für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Mainz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2012

für Recht erkannt:

Das beschuldigte Kammermitglied wird freigesprochen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens


GRÜNDE

I.

Der Antragsteller wirft dem beschuldigten Kammermitglied vor, gegen arzneimittelpreisrechtliche Bestimmungen verstoßen und damit seine Berufspflichten verletzt zu haben.

Das Kammermitglied ist Kooperationspartner […]. Er führt seine Apotheke in […] und handelt dabei wirtschaftlich und pharmazeutisch selbstständig.

Mit einer Werbeaktion der Zeitung […] kündigte das Kammermitglied an, Einkaufsgutscheine zu verschenken. Beworben wurde dies unter der Überschrift „[…]Rezept-Prämie bis zu 3,00 € geschenkt“. Nach der Werbung erhält der Kunde bei Einlösung eines Rezeptes pro verschreibungspflichtigem Medikament einen Einkaufgutschein von 1,00 €, maximal 3,00 €. Dieser Einkaufsgutschein kann nur beim Kauf von nichtrezeptpflichtigen Artikeln eingelöst werden, eine Barauszahlung findet nicht statt. Angekündigt wurde die […]Rezept-Prämie-Aktion für die Zeit vom 01. November bis 31. Dezember 2010.

Mit Schreiben vom 23. Dezember 2010 teilte die Apothekerkammer dem beschuldigten Kammermitglied mit, mit der von ihm beworbenen Form der Gewährung von Preisnachlässen verstoße er gegen die Arzneimittelpreisbindung gemäß § 78 Abs. 3 Satz 1 Arzneimittelgesetz (AMG) i.V.m. § 1 Abs. 1 und 4, § 3 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), wonach ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für apothekenpflichtige Arzneimittel vorgesehen ist. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 09. September 2010, wonach das Gericht einen Verstoß gegen die genannten Vorschriften auch dann als gegeben angesehen hat, wenn der Apotheker für ein preisgebundenes Arzneimittel zwar den korrekten Preis ansetze, dem Kunden aber gleichzeitig Vorteile gewähre, die den Erwerb für ihn in der Gesamtschau günstiger erscheinen ließen, wies die Landesapothekenkammer das Kammermitglied darauf hin, dass er mit der Prämienaktion geltende Gesetze verletze. Gleichzeitig liege ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 sowie § 2 Abs. 2 Berufsordnung für Apotheker der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz vor, wonach er verpflichtet sei, die für die Berufsausübung geltenden Gesetze zu beachten. Das Kammermitglied wurde weiter darauf hingewiesen, dass, sobald Tatsachen bekannt würden, die den Verdacht einer Berufspflichtverletzung durch ein Kammermitglied begründeten, der Vorstand den Sachverhalt zu erforschen und dem Kammermitglied Gelegenheit zu geben habe, sich zu äußern. Auf diese Möglichkeit wurde das Kammermitglied hingewiesen und ihm eine Frist zur Stellungnahme bis 18. Januar 2011 gesetzt.

Mit Schreiben vom 18. Januar 2011 ließ das Kammermitglied vortragen, der Bundesgerichtshof habe mit seinen die Rabatt- bzw. Bonusgewährung betreffenden Urteilen vom 09. September 2010 entschieden, dass eine wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit der in den einzelnen Verfahren angegriffenen Rabatt- und Bonuswerbungen nur in Betracht kommen könne, wenn die jeweilige Werbung geeignet sei, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und sonstigen Markteilnehmern im Sinne des § 3 UWG nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen sowie die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung sei aber nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nur dann gegeben, wenn es sich bei den gewährten Boni und Rabatten nicht um geringwertige Kleinigkeiten im Sinne des HWG handele, da diese nicht geeignet sein könnten, den Wettbewerb bzw. die Interessen von Marktteilnehmern in relevanter Weise zu beeinträchtigen.

Wie der BGH in einem Verfahren entschieden habe, überschreite eine Werbegabe im Wert von 1,00 € die Wertgrenze nicht und stelle insoweit eine vom Gesetz ausdrücklich zugelassene Ausnahme einer Zugabenwerbung dar. Daher sei auch die streitgegenständliche Bonuswerbung nicht zu beanstanden.

Weiter verweist er auf die Berufsordnung der Apothekerkammer Rheinland-Pfalz. Nach § 15 der Berufsordnung sei Wettbewerb nur dann verboten, wenn er unlauter sei. In § 15 Abs. 3 Nr. 7 der Berufsordnung sei darüber hinaus ausdrücklich auf das allgemeine Wettbewerbsrecht Bezug genommen. Ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz und die Arzneimittelpreisverordnung komme ebenfalls nicht in Betracht, da der Bundesgerichtshof die Geringwertigkeitsgrenze bei 1,00 € festgesetzt habe. Würde diese Geringwertigkeitsgrenze nicht auch im Rahmen der Arzneimittelpreisverordnung gelten, würde die vom Gesetzgeber ausdrücklich eingeräumte Erlaubnis zur Gewährung von geringwertigen Zugaben bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Endkunden komplett ins Leere laufen, da ansonsten grundsätzlich jede Zugabe von der zuständigen Ordnungsbehörde als Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung geahndet werden könne. Dies sei aber weder der erklärte Wille des Gesetzgebers noch die gängige Praxis der Ordnungsbehörden. Das Kammermitglied habe darauf vertrauen dürfen, dass die Werbung mit einer Zugabe weder ordnungs- noch berufsrechtlich verfolgt werde, sofern diese Geringwertigkeitsgrenze beachtet werde. Das Kammermitglied sehe derzeit keine Veranlassung die angegriffene Werbung einzustellen.

Nachdem dem Kammermitglied mit Schreiben vom 16. Februar 2011 das Ergebnis der Ermittlungen bekannt gegeben wurde, nämlich dass es die Vorwürfe nicht habe entkräften können und ihm ein berufsgerichtliches Verfahren in Aussicht gestellt wurde, teilte das Kammermitglied unter dem 11. März 2011 mit, eine berufsrechtliche Ahndung der streitgegenständlichen Bonuswerbung mit einem Bußgeld oder einer ähnlichen Maßnahme stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in Art. 12 Grundgesetz dar und sei damit verfassungswidrig, weil dieser durch berufsrechtliche Belange nicht zu rechtfertigen sei. Speziell für das Berufsrecht der Apotheker gelte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Verhältnismäßigkeitsprüfung, dass Regelungen, die die Berufsfreiheit einschränken, der Verhinderung des Arzneimittelfehlgebrauchs oder der Erhaltung des Vertrauens der Bevölkerung in die berufliche Integrität der Apotheker dienen müssten. Dies umschreibe einen für jeden rechtmäßigen Grundrechtseingriff vom Bundesverfassungsgericht vorausgesetzten legitimen Zweck. Es sei äußerst zweifelhaft, ob ein berufsrechtliches Verbot von Werbegaben oder Rabatten im Wert bis zu 1,00 € überhaupt den vorgenannten legitimen Zweck verfolge. Der Konkurrentenschutz und der Schutz vor Umsatzverlagerungen könnten als legitime Zwecke nicht angeführt werden. Jedenfalls seien aber die Geringwertigkeit der Vorteile und die kaum spürbaren Auswirkungen auf die berufliche Integrität im Rahmen der Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigen. Insoweit finde hier eine Art „Spürbarkeitsschwelle“ Eingang in die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung. Den Nachweis einer solchen Spürbarkeit habe aber die Apothekerkammer bislang nicht erbracht. Auch eine ernsthafte Beeinträchtigung des Vertrauens der Bevölkerung in die berufliche Integrität der Apotheker sei durch geringwertige Vorteile im Wert von lediglich 1,00 € nicht zu erwarten. Für den Verbraucher sei nicht die Absicht erkennbar, dass der einzelne Apotheker durch die Gewährung der Vorteile die mit dem Preiswettbewerbsverbot beabsichtigte flächendeckende Arzneimittelversorgung konterkarieren möchte. Es sei auch nicht ersichtlich, dass sich der Apotheker von einem Gewinnstreben beherrschen lasse, wie es das Bundesverfassungsgericht voraussetze. Insoweit könnten auch auf berufsrechtlicher Ebene die Maßstäbe des Wettbewerbsrechts problemlos herangezogen werden.

Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass ein berufsrechtliches Verbot von Bonusmodellen unweigerlich zu einer Diskriminierung deutscher Apotheken führen würde, weil EU-ausländische Versandapotheken dem deutschen Berufsrecht nicht unterliegen und damit lediglich die vom BGH aufgestellte Geringwertigkeitsgrenze zu beachten hätten. Dies hätte zur Folge, dass eine nicht unerhebliche Zahl deutscher Kunden ihre Rezepte nicht mehr bei einer deutschen Apotheke sondern bei einer EU-ausländischen Versandapotheke einlösen würden. Einer solchen Ungleichbehandlung könne effektiv nur entgegengewirkt werden, indem für deutsche Apotheken und EU-ausländische Versandapotheken die gleichen Bedingungen gelten. Darüber hinaus sei hinzuweisen auf eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GFK, die ausweislich eines Artikels aus der deutschen Apothekerzeitung vom 24. Februar 2011 ergeben habe, dass in der Bundesrepublik Deutschland fast 2/3 aller Befragten beim Einlösen eines Rezepts in der öffentlichen Apotheke bereits einen Vorteil erhalten hätten, lediglich 34,5 % der Befragten hätten keine Rabatte bekommen. Eine berufsrechtliche Ahndung der streitgegenständlichen Bonuswerbung sei in jedem Fall unverhältnismäßig und verfassungswidrig.

Außerdem sei aber auch eine berufsrechtliche Ahndung mit geltendem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar. Geringwertige Werbegaben fielen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht unter den Begriff der Werbung für Arzneimittel wie sich Art. 86 Abs. 1 HumanarzneimittelkodexRL (2001/83/EG) eindeutig entnehmen lasse. Auch in Art. 94 Abs. 1 seien geringwertige Werbegaben ausdrücklich ausgenommen. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass ein nationales Verbot, wie das in der Arzneimittelpreisverordnung, das die Gewährung von Werbegaben für verschreibungspflichtige Arzneimittel untersage, ohne geringwertige Werbegaben aus dem Verbot auszunehmen, mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren sei.

Mit am 20. Juni 2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller Antrag auf Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens gestellt, mit dem er geltend macht, der beschuldigte Apotheker habe seine Berufspflichten verletzt, indem er mit Einkaufsgutscheinen geworben habe. Damit verstoße er gegen § 78 Abs. 2 Satz 2, 3 Arzneimittelgesetz, § 1 Abs. 1 und 4, § 3 Arzneimittelpreisverordnung, die den Zweck hätten, den Preiswettbewerb unter den Apotheken zu regeln. Mit der Gewährung eines Einkaufsgutscheins verstoße er insoweit gegen die genannten Bestimmungen als für das preisgebundene Arzneimittel zwar der nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnende Preis verlangt werde, dem Kunden aber verbunden mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt würden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen ließen. Anderes könne nur gelten, wenn der Gutscheineinlösung wesentliche Hindernisse entgegen stünden oder Vorteile nicht allein für den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels sondern auch aus anderem Anlass gewährt würden, etwa weil der Kunde beim Erwerb Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen müsse. Dies sei vorliegend allerdings nicht der Fall. Mit der Verletzung arzneimittelpreisrechtlicher Bestimmungen verstoße das Kammermitglied gegen standesrechtliche Pflichten gemäß der Berufsordnung für Apotheker der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz, denn er habe damit seinen Beruf nicht gewissenhaft im Sinne des § 1 der Berufsordnung ausgeübt und die für seine Berufsausübung geltenden Gesetze nicht beachtet.

Der Antragsteller ist der Auffassung, das Kammermitglied habe die Rechtmäßigkeit, Bonusmodelle für verschreibungspflichtige Arzneimittel in der vom ihm verwendeten Weise anzubieten, nicht aus der Berichterstattung diverser Fachpresseartikel entnehmen können. Die Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz habe sich, wie andere Apothekerkammern auch, klar positioniert, unter anderem in der für ihre Mitglieder und somit auch für das beschuldigte Kammermitglied maßgeblichen Veröffentlichungen des Kammerrundschreibens. Auch andere Fachartikel gingen ausdrücklich auf das vom Bundesgerichtshof hervorgehobene Nebeneinander von Arzneimittelpreisrecht und Heilmittelwerberecht mit den daraus resultierenden Konsequenzen für die Mitglieder der Apothekerkammern ein. Der Bundesgerichtshof weise ausdrücklich und unmissverständlich darauf hin, wenn er beiden Regelungsbereichen eine unterschiedliche Zielsetzung zuweise und insofern auf das Nebeneinander von Arzneimittelpreisrecht und Heilmittelwerberecht abhebe. Während aus wettbewerbsrechtlicher Sicht der Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel er in Anspruch nehme, nicht durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden solle, seien die Regelungen des Arzneimittelpreisrechts und des Arzneimittelgesetzes dazu bestimmt, den Preiswettbewerb unter Apothekern zu regeln. Demzufolge schränkten spezifisch wettbewerbsrechtliche Überlegungen den Anwendungsbereich der öffentlich rechtlichen Vorschriften zur Arzneimittelpreisbindung nicht ein. Ausreichend für einen Verstoß und damit die Verletzung der Berufspflichten sei bereits die Nichtbeachtung der Preisbindung durch den Apotheker. Die Werbemaßnahme des Apothekers ziele darauf ab, sich gegenüber anderen Apothekern einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, welcher durch die Arzneimittelpreisbindung nach dem Willen des Gesetzgebers gerade verhindert werden solle. Der beschuldigte Apotheker habe mit der Nichtbeachtung der Preisbindungsvorschriften gegen geltendes Recht verstoßen, sodass es einer berufsrechtlichen Ahndung bedürfe, um das Ansehen des Berufsstandes zu wahren und das Kammermitglied zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten.

Das Kammermitglied tritt dem entgegen und wiederholt und vertieft seinen bisherigen Vortrag. Darüber hinaus nimmt er Bezug auf die im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom September 2010 erfolgten Veröffentlichungen überregionaler Zeitungen und Nachrichtendienste, nach denen die Gewährung von Bonustalern, Rabatten und Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel bis zu einer Grenze von 1,00 € auf jeden Fall erlaubt sei. Aufgrund dieser Berichterstattung sei das Kammermitglied davon ausgegangen, dass sein Bonusmodell, bei dem die Grenze von 1,00 € nicht überschritten werde, rechtlich nicht zu beanstanden sei. Die Werbung sei auch nicht unlauter i.S.d. Berufsordnung. Darüber hinaus habe der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen vom September 2010 das Abweichen von den mit der Arzneimittelpreisverordnung festgesetzten Preisen per se nicht untersagt. Auch tatsächlich könne bei der hier streitgegenständlichen Werbung nicht angenommen werden, dass ein Bonus von lediglich 1,00 € die von der Arzneimittelpreisverordnung bezweckte flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln gefährden könne. Die Apotheke des Beklagten befinde sich in […]; ausweislich einer Apothekensuche befänden sich im Umkreis seiner Apotheke von lediglich 10 km insgesamt 49 weitere Apotheken. Darüber hinaus sei die Arzneimittelpreisverordnung gemeinschaftsrechtlich dahingehend auszulegen, dass Werbeabgaben in Form einer unentgeltlichen Zusage dann nicht unzulässig sein könnten, wenn diese lediglich einen geringen Wert aufweisen.

Das Kammermitglied beantragt für den Fall, dass das Gericht zur Überzeugung gelangen sollte, die Vorschriften der Arzneimittelpreisverordnung seien uneingeschränkt auch auf geringwertige unentgeltliche Zahlungen anzuwenden, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.


II.

Die Feststellungen des vorstehenden Sachverhaltes beruhen auf den vom Vorstand der Landesapothekerkammer vorgelegten Schreiben und Dokumenten sowie den Einlassungen des Kammermitglieds.


III.

Das beschuldigte Kammermitglied wird freigesprochen.

Das Berufsgericht hält die Voraussetzungen für eine berufsrechtliche Sanktion nicht für gegeben. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist das Gericht davon überzeugt, dass das Kammermitglied allenfalls geringfügig gegen seine Berufspflichten verstoßen hat, sodass eine berufsgerichtliche Sanktionierung unverhältnismäßig ist.

Ein solches berufsrechtliches Eingreifen verletzt das beschuldigte Kammermitglied in seiner durch Art. 12 Abs.1 GG geschützten Berufsfreiheit.

Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung - wie sie die Verhängung berufsrechtlicher Sanktionen darstellen und zu denen staatliche Maßnahmen gehören, die die geschäftliche oder berufliche Werbung beschränken - bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt, also durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Dabei muss das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich sein und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe muss die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt sein (BVerfG, B. v. 22.5.1996, 1 BvR 744/88, juris). Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit sind demgemäß nur dann mit Art.12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen, also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (BVerfG, B. v. 1.6.2011, 1 BvR 233/10, juris). Die Beschränkungen der Berufsfreiheit müssen sich am öffentlichen Interesse der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung messen lassen und der Erhaltung des Vertrauens der Bevölkerung in die berufliche Integrität der Apotheker dienen. Dem Schutz der Berufsfreiheit kann nur durch eine Würdigung aller maßgeblichen Umstände Rechnung getragen werden (BVerfG, B. v. 22.5.1996, a.a.O.)

Ergänzend hierzu bestimmt § 64 Abs. HeilBG i.V.m. § 64 Abs. 2 HeilBG, dass der Vorstand der Landeskammer nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entscheidet, ob er einen Antrag auf Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens und damit auf disziplinarische Sanktionierung einer Berufspflichtverletzung stellt. Dies bedeutet, dass der Vorstand der Berufskammer nicht verpflichtet ist, jede Berufspflichtverletzung zu disziplinieren. Er hat unter Beachtung der gesamten Umstände nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob ein berufsgerichtliches Verfahren einzuleiten ist.

Diesen Anforderungen ist der Antragsteller nicht gerecht geworden. Bei seiner Entscheidung, aufgrund des Verstoßes gegen arzneimittelpreisrechtliche Vorschriften gegen das Kammermitglied vorzugehen und ein berufsgerichtliches Verfahren einzuleiten, hat der Antragsteller den Wertungswiderspruch zwischen dem Heilmittelwerberecht einerseits und den öffentlich-rechtlichen Preisbindungsvorschriften andererseits nicht hinreichend berücksichtigt und ist damit zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit gekommen.

Nach § 20 Abs. Heilberufsgesetz i.V.m. § 1 Abs. 2 der Berufsordnung für Apotheker bei der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz vom 12. November 2005 – BO-A – hat der Apotheker seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem Vertrauen zu entsprechen, das den Angehörigen seines Berufs entgegen gebracht wird, die für seine Berufsausübung geltenden Gesetze, Verordnungen und das Satzungsrecht der Landesapothekerkammer zu beachten und darauf gegründete Anordnungen und Richtlinien zu befolgen. Er hat das Ansehen des Berufsstandes und Betriebs zu wahren, in dem er tätig ist.

Gem. § 78 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 i.V.m. Abs. 4, § 4 sowie § 3 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) ist für verschreibungspflichtige Arzneimittel ein einheitlicher Apothekenabgabepreis zu gewährleisten. Zu diesem Zweck legt die auf der Grundlage des § 78 Abs. 1 AMG ergangene Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) für verschreibungspflichtige Arzneimittel die Preisspannen der Apotheker im Wiederverkauf (§ 3 AMPreisV) einschließlich der Handelszuschläge „centgenau“ und verbindlich fest und gelangt auf diese Weise zu einem einheitlichen, bei der Abgabe an den Endverbraucher verbindlichen Apothekenpreis.

Diese seine Berufsausübung regelnden Vorschriften zur Arzneimittelpreisbindung hat der beschuldigte Apotheker nicht beachtet.

Mit der von ihm praktizierten Vergabe von Einkaufsgutscheinen im Wert von 1,-- € pro verschreibungspflichtigem Medikament, maximal 3,-- € pro Rezept verstößt das beschuldigte Kammermitglied gegen die gesetzliche Preisbindung. Denn ein solcher Verstoß ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur dann gegeben, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis an seine Kunden abgibt, sondern auch dann, wenn er für das betreffende Arzneimittel zwar den korrekten Preis ansetzt, seinen Kunden beim Erwerb des Arzneimittels aber Vorteile gewährt, die den Erwerb des Arzneimittels für dieses wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteile vom 09.09.2010,I ZR 37/08, I ZR 98/08, juris).

Einen solchen - arzneimittelrechtlich unzulässigen – wirtschaftlichen Vorteil stellt der vom beschuldigten Apotheker gewährte Rezeptbonus, bei dem es sich der Sache nach um eine auf einen bestimmten Geldbetrag lautenden, bei einem Folgekauf einlösbaren Gutschein handelt, dar. Dies hat der Bundesgerichtshof in seinen Urteilen vom 09.09.2010 eindeutig klargestellt. Begründet hat er dies mit dem von der Preisbindung verfolgten Gesetzeszweck, eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen (vgl. Stellungnahme des Bundesrats zum Regierungsentwurf eines 4. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, BT-Ds 11/5373 Anlage 2 S. 27; so auch OVG Niedersachsen , B. v. 8.7.2011, 13 ME 95/11). Eine Nichtbeachtung der Preisbindung durch den Apotheker, indem die Gewährung von Vorteilen an die Abgabe von Arzneimittel gekoppelt wird, reicht für einen Verstoß aus.

Bei seiner Entscheidung, allein aufgrund des objektiv vorliegenden Verstoßes des Kammermitglieds gegen das Arzneimittel(preis)recht ein berufsgerichtliches Verfahren einzuleiten, hat aber der Antragsteller zur Überzeugung des Gerichts den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verkannt.

Grundsätzlich sind zwar die mit den Preisbindungsvorschriften und deren Umsetzung für den einzelnen Apotheker verbundenen Beschränkungen durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt.

Der Antragsteller hätte aber hier den durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs deutlich gewordenen Wertungswiderspruch des Heilmittelwerberechts einerseits und der öffentlich-rechtlichen Preisbindungsvorschriften andererseits berücksichtigen müssen.

Denn der Bundesgerichtshof (BGH, U. vom 09.09.2010, I ZR 37/08, juris) hat festgestellt, dass ein Verstoß gegen die genannten arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften dann nicht geeignet ist, die Interessen vom Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern zu beeinträchtigen, wenn die für eine entsprechende Heilmittelwerbung nach § 7 Abs. 1, Satz 1 Nrn. 1,3,4, und 5 Heilmittelwerbegesetz -HWG- bestehenden Grenzen eingehalten sind und damit einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch abgelehnt.

Konkret hat der Bundesgerichtshof in seiner wettbewerbsrechtlichen Entscheidung vom 09.09.2010 (I ZR 37/08;I ZR 98/08) entschieden, dass im Rahmen von Kundenbindungssystemen - wie demjenigen, wie es der Kläger hier praktiziert - anhand der Wertungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nrn. 3-5 HWG („geringwertige Kleinigkeit“ als Werbegabe) eine Spürbarkeitsschwelle existiert. Dazu hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass jedenfalls Werbegaben bis zu einem Gegenwert bis zu 1,-- € pro verschreibungspflichtigem Medikament für eine spürbare Beeinträchtigung des Wettbewerbs und einer damit verbundenen Beeinträchtigung der Wettbewerber nicht geeignet sind. In diesem Fall geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass ein Verstoß gegen arzneimittelpreisrechtliche Vorschriften zwar gegeben ist, dieser aber wegen Unterschreitens der Geringwertigkeitsschwelle nicht geeignet ist, den Wettbewerb spürbar zu beeinflussen. Denn der Zweck der in § 7 HWG enthaltenen Regelung bestehe – so der Bundesgerichtshof – vor allem darin, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden sollen (BGH, U. v. 09.09.2008, a.a.O. m.w.N.).

In Anknüpfung an diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haben das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen (OVG Lüneburg, Beschluss v. 08.07.2011 – 13 ME 95/11-, Rdnr. 17, juris) und dem folgend das Oberverwaltungsgericht Münster (Beschluss v. 28.11.2011.-.13 B 1136/11-, juris) in ihren Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutz ein aufsichtsrechtliches Einschreiten nach § 69 Abs.1 AMG jedenfalls für den Fall, dass die Werbegaben eindeutig unterhalb der Spürbarkeitsschwelle liegen, von einer Ermessensentscheidung abhängig gemacht, in der sich die gesetzlichen Wertungen des Wettbewerbsrechts und des Heilmittelwerberechts zumindest widerspiegeln müssen. Ein aufsichtsrechtliches Eingreifen bei einem festgestellten Verstoß gegen die Preisbindungsvorschriften im Rahmen eines intendierten Ermessens haben sie dagegen abgelehnt.

Allerdings haben die beiden Oberverwaltungsgerichte (B. v. 8.7.2011 und 28.11.2011, a.a.O.) in bestimmten Fällen auch die Herabsetzung der Eingriffsschwelle für möglich gehalten. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn die Auswirkungen eines Kundenbindungssystems den lokalen Bereich verlassen und auf eine landes- bzw. bundesweite Kundengewinnung abzielten und eine Vielzahl von Werbegaben von für sich genommen geringerem Wert dennoch in der Gesamtbetrachtung eines großen geschäftlichen Einzugsbereichs und hohen Warenumsatzes spürbar werden können (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss v. 08.07.2011 a.a.O.).

Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, denn die vom beschuldigten Apotheker ausgegebenen Gutscheine sind nicht etwa bei allen […]-Apotheken einlösbar sondern beschränken sich auf eine einzelne, nämlich die ausgebende Präsenzapotheke, wie auch auf dem Gutschein selbst vermerkt ist.

Vor diesem Hintergrund stellt sich aber die Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer berufsrechtlichen Sanktionierung, wenn weder ein Konkurrent noch Wettbewerbsverband zivilrechtlich oder wettbewerbsrechtlich ein Unterlassen verlangen könnte und auch öffentlich-rechtlich mindestens zweifelhaft ist, ob trotz des objektiven Vorliegens eines Verstoßes gegen arzneimittelpreisrechtliche Vorschriften im Rahmen aufsichtsrechtlicher Maßnahmen nach § 69 Abs. 1 AMG eine Unterlassungsverfügung erfolgen kann.

Eine berufsgerichtliche Maßnahme, die zusätzlich zur Untersagung immer auch eine Disziplinierung zum Gegenstand hat, soll in erster Linie der ordnungsgemäßen, sachgerechten und streng fachbezogenen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sowie deren Vertrauen in die fachliche Kompetenz der Angehörigen des Berufsstandes dienen.

Dazu und zu der Frage, inwieweit die beiden unterschiedlichen Gesetzeszwecke und die zum Wettbewerbsrecht ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Gewährung von Einkaufsgutscheinen bis zu 1,-- € pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel wettbewerbsrechtlich als nicht spürbar und damit unbeachtlich qualifiziert wurde, bei einer berufsgerichtlichen Sanktionierung von Bedeutung ist, wie also der entstehende Wertungswiderspruch zwischen Heilmittelwerberecht und Preisbindungsvorschriften Einfluss auf eine Sanktionierungsmöglichkeit nimmt, hat der Antragsteller keine hinreichenden Erwägungen angestellt.

Der Antragsteller hat zwar bei seiner Entscheidung das Nebeneinander von Arzneimittelpreisrecht und Heilmittelwerberecht sowie deren unterschiedliche Zielsetzung hervorgehoben. Während aus wettbewerbsrechtlicher Sicht der Verbraucher bei seiner Entscheidung nicht durch Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden solle, seien die Regelungen des Arzneimittelpreisrechts dazu bestimmt, den Preiswettbewerb unter Apothekern zu regeln.

Nicht berücksichtigt hat er aber, dass die Zweckrichtung beider Regelungskomplexe mindestens Übereinstimmungen dahingehend aufweisen, dass beide den Preiswettbewerb unter Apotheken möglichst unterbinden wollen.

In diesem Zusammenhang erschließt sich kaum, wie sich der beschuldigte Apotheker mit nicht spürbaren Zugaben gegenüber anderen Apothekern einen Wettbewerbsvorteil verschaffen könnte.

Außerdem ist – worauf das Oberverwaltungsgericht Lüneburg zutreffend hingewiesen hat (B. v. 8.7.2011, a.a.O.) - auch nicht ohne weiteres einsehbar, dass eine für eine konkurrierende Apotheke als „nicht spürbar“ qualifizierte Einräumung von Rabatten geeignet sein sollte, die flächendeckende gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu beeinträchtigen.

Insbesondere hat der Antragsteller auch nicht in seine Erwägungen eingestellt, dass - was das Kammermitglied geltend gemacht hat - sich dieser Wertungswiderspruch auch in der Berufsordnung der Apothekerkammer Rheinland-Pfalz selbst findet.

Diese enthält in § 15 BO-A ausdrückliche Regelungen zu Wettbewerb und Werbung. Nach Abs. 1 ist Wettbewerb dann verboten, wenn er unlauter ist. § 15 Abs. 3 Nr. 5 BO-A verbietet zwar – vorbehaltlich der besonderen Umstände des Einzelfalles - das Abgehen von den sich aus der Arzneimittelpreisverordnung ergebenden einheitlichen Apothekenabgabepreisen, insbesondere das Gewähren von Rabatten und sonstigen Preisnachlässen bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sowie die Werbung dafür.

§ 15 Abs. 3 Nr. 7 BO-A lässt dagegen im Umkehrschluss die Gewährung von Zugaben, Zuwendungen oder Warenproben zu, soweit es das Wettbewerbsrecht gestattet.

Dabei ist zu beachten, dass der Bundesgerichtshof die auch dort in Frage stehenden gewährten Einkaufsgutscheine (BGH, U. v. 09.09.2008, I ZR 37/08) nicht als Barrabatte i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr.2 HWG, sondern als Zuwendungen i.S.v. Abs. 1 Satz 1 Nr.1 dieser Vorschrift qualifiziert hat.

Kann man daher § 15 Abs. 3 Nr.7 BO-A so verstehen, dass – weil das Wettbewerbsrecht nach der Rechtsprechung des BGH nunmehr Zuwendungen unterhalb der Geringfügigkeitsschwelle gestattet – die Gewährung von Einkaufsgutscheinen von bis zu einem Euro pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel zulässig ist, macht dies ein berufsrechtliches Einschreiten angesichts der Normwidersprüche umso problematischer.

Außerdem ist durchaus zweifelhaft, ob und inwieweit ein Kundenbindungssystem unterhalb der vom Bundesgerichtshof angenommenen „Geringfügigkeitsschwelle“ – wie es das beschuldigte Kammermitglied hier praktiziert – das Vertrauen der Bevölkerung in die berufliche Integrität des Apothekers beschädigen kann.

Darüber hinaus hätte der Antragsteller auch berücksichtigen müssen, dass eine berufsrechtliche Sanktionierung zu einer Schlechterstellung deutscher Apotheker im Verhältnis zu EU-ausländischen Versandapotheken führt. Da diese nicht dem deutschen Berufsrecht unterliegen, sind sie allenfalls den wettbewerbsrechtlichen Vorgaben des BGH unterworfen.

Letztlich hat der Antragsteller allein aufgrund des objektiven Verstoßes gegen arzneimittelpreisrechtliche Vorschriften gegen das Kammermitglied berufsrechtliche Sanktionen verhängt, ohne sich mit den Argumenten des Kammermitglieds insoweit auseinanderzusetzen.

Muss aber damit bei Zugaben unterhalb der Geringwertigkeitsgrenze schon wegen der Wertungswidersprüche von der Unverhältnismäßigkeit einer berufsrechtlichen Sanktionierung allein aufgrund des objektiven Verstoßes gegen Arzneimittelpreisbindungsvorschriften ausgegangen werden, kann das Berufsgericht offen lassen, ob auch ein Verstoß gegen die Richtlinie Nr. 2001/83/EG vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel – GK - vorliegt. Allerdings spricht angesichts der Regelungen der Art.4 Abs. 3 und 94 Abs. 4 GK, wonach die Richtlinienbestimmungen nicht die Zuständigkeit der nationalen Behörden hinsichtlich der Festsetzung der Arzneimittelpreise berühren, viel dafür, dass eine Unvereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht nicht gegeben ist.

Ohne dass es hierauf noch ankommt hält das Berufsgericht auch die Schuldhaftigkeit dieses Verstoßes angesichts der Berichterstattung über das Urteil des Bundesgerichtshofes zur Spürbarkeitsschwelle sowie der komplexen Rechtslage im Spannungsfeld zwischen Heilmittelwerberecht einerseits und Arzneimittel(Preis)recht andererseits für zweifelhaft.
Nach alledem war das Kammermitglied freizusprechen.

Gem. § 94 Abs. 2 Satz 1 und 3 HeilBG trägt der Antragsteller die Gerichtskosten und die dem Kammermitglied entstandenen notwendigen Auslagen, da das Kammermitglied freigesprochen worden ist.


RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten das Rechtsmittel der Berufung an das Landesberufsgericht für Heilberufe beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.

Die Berufung ist bei dem Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Mainz (Hausadresse: Ernst-Ludwig-Str. 9, 55116 Mainz; Postanschrift: Postfach 41 06, 55031 Mainz) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Landesberufsgericht für Heilberufe beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Hausadresse: Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz; Postanschrift: 56065 Koblenz), eingeht.
Die Berufungsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen und einen bestimmten An-trag enthalten.

Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden.