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LG Darmstadt: Nachtflugverbot stellt aussergewöhnlichen Umstand iSd VO (EG) 261/04 dar wenn erfolglos eine Ausnahmegenehmigung für den Start beantragt wurde

LG Darmstadt, Urteil vom 18.12.2013 - 7 S 90/13

Nachtflugverbot als außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der EG-VO Nr. 261/2004, wenn die von der Fluggesellschaft zu vertretende vorherige Verspätung bei der Abfertigung nur wenige Minuten beträgt und für das Flugzeug auf dem Weg zur Startbahn erfolglos eine Ausnahmegenehmigung beantragt wurde. (amtlicher Leitsatz)


Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim vom 17.04.2013 (3 C 2186/12) wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können jedoch die Vollstreckung durch Hinterlegung in Höhe von 120% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 1.200, - Euro festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Mit der am 20.08.2012 zugestellten Klage verlangen die Kläger von der Beklagten als ausführendem Luftfahrtunternehmen Ausgleichsleistungen nach Art. 7 der EG-VO Nr. 261/2004 in Höhe von jeweils 600,- nebst Zinsen wegen eines nicht planmäßig durchgeführten Fluges. Der Flug [...] am 24.11. 2011 von Frankfurt a. . nach S. D. (Dominikanische Republik) mit vorgesehenem Abflug um 22:20 Uhr war Bestandteil einer von den Klägern bei dem Reiseveranstalter D als Expedientenbuchung gebuchten Kreuzfahrt-Pauschalreise. Das Flugzeug verließ den Flugsteig mit mehreren Minuten Verspätung und rollte dann Richtung Startbahn 18 West, wo ihm wegen des um 23:00 Uhr beginnenden Nachtflugverbots die Starterlaubnis verweigert und auch eine daraufhin beantragte Ausnahmegenehmigung nicht erteilt wurde. Der Flug wurde um ca. 17 Stunden verspätet dann erst am Folgetag durchgeführt. Die Beklagte hat u. a. eingewandt, dass es sich um einen Sondertarif für Expedienten gehandelt habe und die Fluggastrechte-Verordnung daher gar nicht anwendbar sei; darüber hinaus liege wegen des von ihr nicht zu vertretenden Nachtflugverbots ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der EG-VO vor.

Ergänzend wird gemäß § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim Bezug genommen. Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser entscheidungserheblichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Ziff.1 ZPO) sind nicht ersichtlich.

Das Amtsgericht Rüsselsheim hat mit Urteil vom 17.04.2013 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte sei nicht zur Zahlung der geltend gemachten Ausgleichspauschale wegen Flugverspätung verpflichtet, weil es sich ausweislich der vorgelegten Reisebestätigung um einen verbilligten Expediententarif gehandelt habe und deshalb gemäß Art. 3 der EG-VO Nr. 261/2004 diese Verordnung nicht anwendbar sei.

Hiergegen haben die Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag, die Beklagte unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils zu verurteilen, an die Kläger jeweils 600,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 20.08.2012 zu zahlen. Zur Begründung wird vorgetragen, bei Pauschalreisen sei Art. 3 Abs. 3 der EG-VO ohnehin nicht anwendbar. Die Kläger hätten einen Gesamtpreis von 1.699,- pro Person für die Reise gezahlt, die vom Veranstalter ohne Flug für 899,- angeboten werde.

Der reine Flugpreis sei auch nicht ... gewesen; die Beklagte sei darlegungs- und beweisfällig dafür geblieben, welchen konkreten Flugpreis sie für die Kläger vom Reiseveranstalter erhalten habe. Zu der Verspätung sei es deshalb gekommen, weil das Boarding einige Minuten verspätet durchgeführt worden sei und sich auch die erforderliche Enteisung verzögert habe, wofür die Beklagte gegenüber ihren Fluggästen einzustehen habe.

Die Beklagte verteidigt das amtsgerichtliche Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufung der Kläger ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der insoweit antragsgemäß verlängerten Frist auch rechtzeitig begründet worden, mithin zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil das Amtsgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.

Allerdings erscheint zweifelhaft, ob der von den Klägern für die gesamte Reise gezahlte Expediententarif geeignet ist, wie vom Amtsgericht angenommen den Anwendungsbereich der EG-VO Nr. 261/2004 nicht für eröffnet zu halten und die Klage schon deshalb abzuweisen. Die Kammer hat in einem früheren Verfahren mit vergleichbarer Fallkonstellation (7 S 95/10, [...]) mit Urteil vom 02.03.2011 insoweit ausgeführt:

Entgegen der Ansicht der Beklagten und entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil findet die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 auf den vorliegenden Fall Anwendung.

Der in Art. 3 Abs. 3 der VO normierte Ausschluss greift hier nicht ein.

Art. 3 Abs. 3 der VO lautet: „Diese Verordnung gilt nicht für Fluggäste, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisen, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist. Sie gilt jedoch für Fluggäste mit Flugscheinen, die im Rahmen eines Kundenbindungsprogramms oder anderer Werbeprogramme von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen ausgegeben wurden.

Nach dieser Bestimmung muss der Tarif für die Öffentlichkeit zum Einen nicht verfügbar sein, er muss aber auch reduziert sein. Dies setzt dann zwingend voraus, dass man den Normaltarif mit dem tatsächlich gewährten reduzierten Tarif vergleichen kann. Ein solcher Vergleich kann im vorliegenden Fall aber nicht vorgenommen werden. Nicht die Beklagte selbst hat diesen Tarif dem Kläger gewährt, sondern die Buchung ist über einen Reiseveranstalter erfolgt. Ob und welchen Tarif dieser zur Verfügung stellt, ist aber nach dem Wortlaut der Verordnung überhaupt nicht entscheidend, sondern es muss der Tarif für die Flugbeförderung kostenlos oder reduziert worden sein. Bei einem Reiseveranstalter ist aber der Tarif für die Beförderung regelmäßig nicht gesondert ausgewiesen, sondern Sinn und Zweck einer Pauschalreise ist es gerade, dass verschiedene Leistungsträger zusammenwirken und man nur an den Reiseveranstalter als dem alleinigen Vertragspartner einen bestimmten Preis pauschal für die gesamte Reise bezahlt. Von dem Reiseveranstalter werden gegenüber dem Kunden die von den einzelnen Leistungsträgern jeweils erbrachten Reiseleistungen also nicht getrennt berechnet. So war es auch im vorliegenden Fall. Aus der Buchungsbestätigung ergibt sich nur, dass der Kläger und seine Ehefrau bei dem Reiseveranstalter E eine Reise nach S. in ein bestimmtes Hotel für die Zeit vom 17.09.2009 bis zum 25.09.2009 gebucht haben. Zwar ergibt sich aus der Buchungsbestätigung, dass die Beförderung per Flugzeug durch die Beklagte erfolgen sollte, ein Einzelpreis für die Flugbeförderung ist aber weder in der Buchungsbestätigung noch in der Rechnung vom 31.05.2009 enthalten.

Einen Hinweis, welchen Preis der Kläger für sich und seine Ehefrau für die Flugbeförderung durch die Beklagte gezahlt hat, gibt es in diesen Unterlagen somit nicht.

Soweit der Amtsrichter in dem angefochtenen Urteil ausführt, der in der Rechnung aufgeführte Flugaufpreis sei nur gezahlt worden für Sicherheits-, Flughafengebühren und Steuern, ist dies spekulativ und lässt sich jedenfalls mit den übrigen getroffenen Feststellungen so nicht vereinbaren.

Der in der Rechnung aufgeführte Flugaufpreis ist jedenfalls auch nicht gleichzusetzen mit dem für zwei Personen zu zahlenden Flugpreis für Hin- und Rückflug.

Art. 3 Abs. 3 VO kann deshalb nur dann Anwendung finden, wenn man einen Normaltarif von der Beklagten, so er denn überhaupt zur Verfügung gestellt wird, mit einem von der Beklagten selbst gewährten reduzierten Tarif vergleicht.

Dem Kläger selbst konnte die Beklagte überhaupt nichts in Rechnung stellen, weil sie insoweit nur als Leistungsträgerin aufgetreten ist und eine Vertragsbeziehung zwischen den Parteien gerade nicht besteht, sondern nur zwischen der Beklagten und dem Reiseveranstalter sowie dem Reiseveranstalter und dem Kläger.

Wenn man überhaupt einen Vergleich anstellen wollte, dann müsste man den Preis, den die Beklagte von dem Reiseveranstalter normalerweise verlangt, mit dem Preis vergleichen, der von der Beklagten für diesen konkreten Flug dem Reiseveranstalter in Rechnung gestellt wurde. Diese Kalkulation hat die Beklagte auch nach dem Hinweis der Kammer nicht offengelegt. In dem nachgelassenen Schriftsatz vom 29.12.2010 hat die Beklagte beispielhaft versucht darzustellen, wie sie ihre Flüge bei verschiedenen Reisveranstaltern vermarktet. Abgesehen davon, dass die Behauptung der Beklagten, sie habe die hier streitgegenständlichen Flüge für 150,00 pro Person an E verkauft, von dem Kläger im nachfolgenden Schriftsatz vom 31.01.2010 bestritten wurde, zeigen die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen vor allem, dass sie für die Flüge auf dem selben Flugzeug überhaupt keinen Normaltarif gegenüber den verschiedenen Reiseveranstaltern verlangt, sondern unterschiedliche Tarife. Wenn die Berechnung der Beklagten zutreffend wäre, müsste einer der von ihr jetzt vorgelegten beiden Tarife auch reduziert sein, weil es nur einen Normaltarif geben kann. Dies hätte dann zur Konsequenz, dass bei der Beförderung für Reiseveranstalter die meisten Passagiere zu einem reduzierten Tarif fliegen und damit aus dem Anwendungsbereich der Verordnung fallen würden. Dies war aber erkennbar nicht das Ziel dieser Verordnung (vgl. Ziff. 5 der Erwägungsgründe).

Im Übrigen müsste dann auch die Beklagte selbst bestimmen können, wer diesen reduzierten Tarif überhaupt erhalten darf, tatsächlich prüft dies aber nur der Reiseveranstalter, im vorliegenden Fall die E. Ob der Reiseveranstalter hier den Kläger und seine Ehefrau nach den von ihm aufgestellten Bedingungen überhaupt hätte befördern dürfen, ist deshalb ohne Bedeutung.

Zudem ist entgegen der Darstellung der Beklagten der Benutzerkreis auch keineswegs nur auf Mitarbeiter von Reiseunternehmen beschränkt, sondern der Kreis derjenigen, die bei der E eine Reise buchen können, ist wesentlich weiter gefasst. So reicht es zum Beispiel aus, wenn der Kunde bei einem Bahnunternehmen beschäftigt ist oder wenn man sich als Student der Touristik überhaupt mit Fragen des Tourismus beschäftigt. Auch die Angaben, die man machen muss, um als Benutzer eine Reise buchen zu können, sind so allgemein, dass letztlich auch von einer Eingrenzung auf einen ganz bestimmten Personenkreis so ohne weiteres nicht gesprochen werden kann.

Nach Ansicht der Kammer kann deshalb Art 3 Abs. 3 VO nur bei einer Direktbuchung Anwendung finden.

Vorliegend ist in der vorgelegten Reisebestätigung des Veranstalters D gegenüber den Klägern (Bl. 39 d. A.) zwar formal eine Aufschlüsselung in einzelne Leistungen erfolgt und sind dort jeweils auch Preise für diese einzelnen Leistungen des Reiseveranstalters angegeben. Dies ändert jedoch an der vorstehenden Beurteilung letztlich nichts, weil es sich bei diesen Einzelbeträgen erkennbar nicht um realistische Preise handelt. So sind sowohl der Hinflug als auch der Rückflug mit dem Betrag von jeweils 0,00 angegeben, während sich der von den Klägern für die gesamte Reise einschließlich Schiffspassage und beiden Intercontinental-Flügen gezahlte Preis von 1.699,- nach dieser Rechnung vom 19.09.2011 nur auf die auf dem Schiff gebuchte Flexkabine Innen beziehen soll. Tatsächlich handelte es sich jedoch um den Gesamtbetrag für sämtliche Leistungen im Rahmen der gebuchten Pauschalreise.

Die von der Kammer im genannten Urteil vom 02.03.2011 (7 S 95/10) ausdrücklich zugelassene Revision wurde seinerzeit nicht eingelegt.

Gleichwohl ist die Klage unbegründet, weil die Beklagte wegen des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände die geltend gemachte Ausgleichsleistung nicht gegenüber den Klägern schuldet. Die Flugverspätung erfolgte nämlich vorliegend aus Umständen, die die Beklagte auch dann nicht hätte vermeiden können, wenn von ihr alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechte-Verordnung).

Der Begriff der außergewöhnlichen Umstände wird in der Verordnung selbst nicht definiert, sondern nur in Ziff. 14 der Erwägungsgründe mittels einer Aufzählung (politische Instabilität, schlechte Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwartete Flugsicherheitsmängel und Streiks) präzisiert. Nach Auffassung des EuGH kann zwar auch ein technischer Defekt einen unerwarteten Flugsicherheitsmangel darstellen, weil ein solcher die Lufttüchtigkeit der Maschine beeinträchtigen kann. Im Zusammenhang mit einem solchen technischen Defekt kann sich die Fluggesellschaft jedoch nur dann auf außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der EG-VO berufen, wenn dieser nicht im Rahmen der normalen Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens aufgetreten ist und auch nicht beherrschbar war. Dabei bemisst sich das Kriterium der Beherrschbarkeit insbesondere danach, ob der betreffende Vorgang unmittelbar in den betrieblichen Ablauf der Fluggesellschaft fällt. An ihr fehlt es, wenn der Fehler oder das Problem aus einer völlig anderen und deshalb von dem Unternehmen selbst nicht beherrschbaren Sphäre stammt. Mithin ist die Beherrschbarkeit an die Verantwortung für den Vorgang zu knüpfen, weshalb es unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der fraglichen EG-VO maßgeblich darauf ankommt, in wessen Verantwortungsbereich dieser Vorgang fällt (LG Darmstadt, Urteil vom 07.07.2010, Az: 7 S 229/09; AG Frankfurt a. M., Urteil vom 03.02.2010, 29 C 2088/09, abgedruckt in BeckRS 2010, 11001). Für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ist danach - unabhängig von der Kategorisierung als technischer Defekt entscheidend, ob das zugrunde liegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit vorkommendes Ereignis darstellt oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft völlig entzogen ist.

Der hier zwischen den Parteien im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens unstreitig gewordene Zeitablauf und die Verweigerung der Starterlaubnis wegen des um 23:00 Uhr einsetzenden Nachtflugverbots auf dem Flughafen Frankfurt a. M. war auf eine behördliche Maßnahme infolge einer gesetzlichen Regelung zurückzuführen und stellte deshalb ein nicht von der Beklagten beherrschbares Geschehen dar. Es handelt sich vielmehr um einen Fall der Einwirkung von außen.

Die Kammer hat in einem früheren Verfahren, das einen anderen verspäteten Flug der Beklagten am gleichen Abend des 24.11.2011 (DE 4080 von Frankfurt a. M. nach Buenos Aires) mit geplanter Abflugzeit ebenfalls um 22:20 Uhr betrifft (7 S 74/13, [...]) mit -rechtskräftigem- Urteil vom 06.11.2013 hierzu ausgeführt:

Auch nach Auffassung der Kammer ist der zwar grundsätzlich auch bei Verspätungen bestehende Anspruch auf Ausgleichszahlungen vorliegend nach Art. 5 Abs. 3 der EG-VO ausgeschlossen, weil die unstreitig gegebene Flugverspätung ihre Ursache in einem außergewöhnlichen Umstand hat, welchen die Beklagte nicht zu vertreten hat.

Es wird vollumfänglich auf die ausführliche Begründung des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Nach den Ausführungen des Zeugen A waren die Türen des Flugzeuges am fraglichen Abend um 22.25 Uhr geschlossen und damit das Boarding abgeschlossen; Rollfreigabe erfolgte dann um 22.34 Uhr. Das bestätigt auch der Zeuge B; nach seiner Wahrnehmung rollte das Flugzeug zwischen 22.30 Uhr und 22.40 Uhr von seiner Parkposition Richtung Startbahn los. Der Zeuge A bekundete weiter, dass nach den Angaben des Kapitäns die Startbahn 18 um 22.58 Uhr erreicht gewesen sei. Dies bestätigt letztlich auch die Zeugin C, die bekundete, dass man kurz vor 23.00 Uhr an der Startbahn gestanden habe, was sie zwar nicht selber - wegen des Platzes am Mittelgang - gesehen habe, aber der Kapitän so durchgesagt habe. Um 23.01 Uhr habe sich der Kapitän dann erneut gemeldet und mitgeteilt, dass keine Startgenehmigung erteilt werde. Nach dieser zeitlichen Abfolge befand sich das Fluggerät also nicht erst um 23.01 Uhr, wie in der Berufungsinstanz vorgetragen, an der Startbahn, sondern zeitlich davor. Die Kläger haben in der zur Akte gereichten Anlage zur Gästemeldung auf der Aida vom 21.11.2011 angegeben, dass man um 22.55 Uhr auf dem Rollfeld auf die Starterlaubnis gewartet habe (Beginn des Boardings wird dort Übrigens mit 21.00 Uhr angegeben und damit rechtzeitig bei einem geplanten Start um 22.20 Uhr!).

Unabhängig davon, ob die Beklagte die von dem Zeugen A beschriebene Verzögerung durch die Überbringung des load sheets zu vertreten hat, ist vorliegend die geringfügige Verspätung von nicht einmal einer Viertelstunde nicht vermeidbar und deshalb auch nicht ausgleichspflichtig. Die verbleibende Zeit hätte unter normalen Umständen auch nicht zu einer großen und damit ausgleichspflichtigen Verspätung geführt, wenn nicht es zu weiteren - mittlerweile gerichtsbekannten - von der Beklagten nicht zu vertretenen (wetterbedingten) Verzögerungen vor dem Beginn des Nachtflugverbotes und damit zu einer Vertiefung der Verspätung gekommen wäre.

Die Beklagte war auch angesichts des gerade erst in Kraft getretenen Nachtflugverbotes nicht gehalten, sofort ihren Flugplan zu ändern, um einen noch größeren Puffer einzubauen, sondern konnte in einer Zwischenphase austesten, inwieweit die Flüge kurz vor Eintritt der Nachflugverbotes noch darstellbar sind.

In dem damaligen erstinstanzlichen Urteil, auf das in der zitierten Entscheidung Bezug genommen wird (AG Rüsselsheim, Urteil vom 05.04.2013, 3 C 1499/12), heißt es u. a.:

Der Umstand, dass der Towerlotse der Deutschen Flugsicherung anderen Flugzeugen den Vorzug gibt und der Maschine der Beklagten, für die ein Abflug zeitlich noch möglich gewesen wäre, die Starterlaubnis verweigert, stellt einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 VO dar. In Erwägungsgrund 14 der VO wird erkennbar, dass der Verordnungsgeber bei den haftungsausschließenden außergewöhnlichen Umständen ersichtlich solche im Blick hatte, die außerhalb der Sphäre des Luftfahrtunternehmens liegen und sich dessen Beherrschung entziehen. Das Vorziehen anderer Flugzeuge und die Verweigerung der Starterlaubnis, obwohl ein Start noch vor Eintritt des Nachtflugverbots möglich gewesen wäre, ist kein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens regelmäßig vorkommendes Ereignis. Das vorgetragene Geschehen stellt in der kommerziellen Fluggastbeförderung vielmehr eine Ausnahme dar. Es ist für die Beklagte auch nicht beherrschbar, da sie auf die hoheitlichen Entscheidungen der beliehenen Fluglotsen keinerlei Einfluss hat.

Die Beklagte hat es auch nicht unterlassen, zumutbare Maßnahmen i. S. v. Art. 5 Abs. 3 VO zu ergreifen. Denn die Beklagte hat - unstreitig - versucht, die Verweigerung der Starterlaubnis im Hinblick auf das Nachtflugverbot zu verhindern. Sie hat eine Ausnahmegenehmigung bei der zuständigen Behörde beantragt, die jedoch nicht gewährt worden ist.

Die Beklagte hat auch die ihr zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des außergewöhnlichen Umstands ergriffen, indem sie die Abflugszeit des Fluges auf 22:20 Uhr geplant hat. Die Planung dieser Abflugszeit ermöglichte auch bei Auftreten geringfügiger Verspätungen noch einen Abflug vor Beginn des Nachtflugverbots. Die Beklagte war vor diesem Hintergrund nicht gehalten, eine frühere Abflugszeit (mit einem größeren zeitlichen Sicherheitszuschlag) zu wählen oder den Start absolut pünktlich durchzuführen und die Parkposition auch exakt um 22:20 Uhr zu verlassen. Denn eine Pflicht zur Vorhaltung einer allgemeinen und undifferenzierten Mindest-Zeitreserve bei der Erstellung von Flugplänen besteht nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs gerade nicht (vgl. EuGH, Urteil vom 12.05.2011, Az.: C-294/10). Vor diesem Hintergrund sind die von der Beklagten bei der Flugplanung ergriffenen Maßnahmen vorliegend im Ergebnis ausreichend. Die Einplanung von 40 Minuten zwischen geplantem Ablegen und Eintritt des Nachtflugverbots genügt, um betriebsübliche Kurzverspätungen abzufedern, ohne dass ein Abflug grundsätzlich unmöglich wird. Die Einplanung einer größeren Zeitreserve in den Randstunden vor Eintritt des Nachtflugverbots war der Beklagten nicht zumutbar, da für sie (und andere Luftfahrtunternehmen) ansonsten eine Nutzung der Zeit jedenfalls nach 22:00 Uhr für Abflüge faktisch unmöglich wäre. So würden nämlich - entgegen der ursprünglichen Intention des Verordnungsgebers - bereits geringe Verspätungen von einigen Minuten (die auch nach der Rechtsprechung des EuGH nicht zu einem Ausgleichsanspruch führen sollen) allein wegen der Vertiefung der Verspätung durch das Nachtflugverbot die Pflicht zur Zahlung von Ausgleichsleistungen auslösen.

Vorliegend war der geplante Start (= off block) ebenfalls um 22:20 Uhr vorgesehen. Aus von der Beklagten zu vertretenden Gründen bei der Abfertigung des Flugzeugs verzögerte er sich um einige Minuten, bis sich die Maschine dann nach erfolgtem pushback und Bewältigung des Rollweges etwa um 23:00 Uhr unmittelbar vor der Startbahn befand und wegen verweigerter Startfreigabe und nicht erteilter Ausnahmegenehmigung noch am Boden wieder umkehren musste. Dies rechtfertigt aus den vorgenannten Gründen, auch hier vom Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der EG-VO auszugehen. Die entgegenstehende Ansicht des Amtsgerichts Frankfurt a. M. (Urteil vom 08.02.2013, Az.: 30 C 2290/12, abgedruckt in RRa 4/13, S. 190 f) überzeugt demgegenüber, abgesehen von den dort teilweise falsch dargestellten Uhrzeiten, schon deshalb nicht, weil es bei einer angenommenen Verspätung von zunächst nur 14 Minuten (!) nicht auf eine Gesamtschau abstellt, sondern die Frage untersucht, ob auch für diese wenigen Minuten ein außergewöhnlicher Umstand die Luftverkehrsgesellschaft entlastet. Zwar ist der dort herangezogene Verbraucherschutz sicherlich ein gewichtiges Argument auch im Zusammenhang mit der Auslegung der Fluggastrechte-Verordnung und ist die hier eingetretene Gesamt-Verspätung aus Sicht der Passagiere zweifellos außerordentlich misslich und belastend, der Hauptgrund für diese große Verzögerung lag jedoch im staatlich angeordneten Nachtflugverbot und nicht im Verantwortungsbereich der Beklagten. Nach der zwischenzeitlich gefestigten Rechtsprechung sind neben Annullierungen auch Verzögerungen von über 3 Stunden nach Art. 7 der EG-VO ausgleichspflichtig. Für geringere Verspätungen besteht keine derartige Ausgleichspflicht des Luftfahrtunternehmens, weshalb sich dann auch für diese geringeren Zeiträume die Frage der Rechtfertigung der Verspätung durch außergewöhnliche Umstände nicht stellt. Zwischen dem planmäßigen Ablegen am Flugsteig (offblock) um 22:20 Uhr und dem Beginn des Nachtflugverbots lagen hier allerdings ohnehin nur 40 Minuten, ein Zeitraum weit unter den 3 Stunden, für deren Überschreitung eine Ausgleichsleistung zu erbringen ist. Auf die Klärung der erstinstanzlich zwischen den Parteien streitigen Fragen, warum es zu der wohl 19-minütigen Verspätung bis zum Ablegen vom Flugsteig gekommen ist, insbesondere ob das Boarding und die Enteisung der Maschine rechtzeitig begonnen hatten und diesem Flugzeug von vorneherein die Startbahn 18 West zugewiesen oder zunächst eine andere vom Flugsteig möglicherweise schneller zu erreichende Startbahn vorgesehen war, kommt es nach alledem nicht entscheidungserheblich an.

Mangels begründeter Hauptforderung besteht auch der Zinsanspruch nicht.

Die zulässige Berufung der Kläger war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung, aber mit Abwendungsbefugnis ergibt sich aus § 708 Ziff. 10 ZPO in Verbindung mit § 711 ZPO.

Die Bemessung des Gegenstandswertes folgt dem Umfang der Anfechtung des amtsgerichtlichen Urteils bzw. dem bezifferten Rechtsmittelantrag, wobei die Zinsen als Nebenforderung gemäß § 4 Abs. 1 ZPO außer Betracht zu bleiben hatten.

Auf Anregung der Kläger war gemäß § 543 ZPO die Revision zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Die Frage, ob nach zunächst nur geringer Verspätung beim Ablegen vom Flugsteig die Verweigerung der Starterlaubnis wegen Eintritts des Nachtflugverbots und die Nichterteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung als außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der EG-VO anzusehen ist, wurde soweit ersichtlich noch nicht höchstrichterlich entschieden. Wegen des sich aus dem vorliegenden Verfahren ergebenden unterschiedlichen Meinungsstandes bedarf die Frage einer Klärung durch den Bundesgerichtshof. Es ist auch zu erwarten, dass diese Frage künftig in einer Vielzahl von Fällen zur Entscheidung anstehen wird, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Klärung erforderlich ist.