Feldbrunnenstraße 57,   20148 Hamburg   |   +49 (0)40 33 44 36 90
Erfahrungen & Bewertungen zu DIEKMANN Rechtsanwälte

Haben Sie Fragen? Wir helfen gern!


Falls Sie Fragen zu diesem oder einem ähnlichen Thema haben, freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme mittels des nachstehenden Formulars oder per Email an:

info@diekmann-rechtsanwaelte.de

Sie können uns natürlich auch unter

+49 (40) 33443690 telefonisch erreichen.


FragenForm

Page1
* Pflichtfelder



Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH – Auslegung des Begriffs „ähnliche Hinweise“ bei der Werbung für Biozidprodukte

Die Verordnung (EU) 528/2012 (EU-Biozidprodukteverordnung) nimmt deutliche Einschränkungen der zulässigen werblichen Auslobungen von Biozidprodukten vor. Betrachtet man die einschlägigen Normen, so könnte der Eindruck entstehen, dass nahezu jede positive Auslobung eines Biozidprodukts zu unterlassen ist. Die Frage nach den Grenzen zulässiger Werbung für Biozidprodukte ist seit Inkrafttreten der Biozidprodukteverordnung Gegenstand zahlreicher wettbewerbsrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Auseinandersetzungen. Nicht zuletzt ist die Ursache der zahlreichen Auseinandersetzungen im unbestimmten Wortlaut der einschlägigen Bestimmung innerhalb der Verordnung zu finden. 

Die einschlägige Regelung findet sich in Art. 72 Abs. 3 VO (EU) 528/2012. Demnach sind werbliche Auslobungen verboten, die das Produkt in einer Art und Weise darstellen, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend sind. Präzisierend bestimmt Art. 72 Abs. 3 VO (EU) 528/2012, dass Werbung auf keinen Fall Angaben wie „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweiseenthalten darf. Neben den ausdrücklich benannten Beispielen potenziell verharmlosender Werbung bietet der Begriff der „ähnlichen Hinweise“ allerdings einen großen Auslegungsspielraum und scheint das Verbot ins Unermessliche auszudehnen.

Die Auslegung dieses Begriffs war auch Gegenstand eines wettbewerbsrechtlichen Verfahrens, in dem die Beklagte ein Desinfektionsmittel mit der Aussage „hautfreundlich“ bewarb (OLG Karlsruhe, Urteil vom 8.6.2022 – 6 U 95/21). Während die Vorinstanz, das Landgericht Karlsruhe, in der Auslobung noch einen „ähnlichen Hinweis“ und damit eine verbotene Werbung sah, differenzierte das OLG Karlsruhe an dieser Stelle genauer innerhalb der Norm und hielt die Aussage unter bestimmten Annahmen für zulässig. Begründet wurde diese Annahme durch das OLG damit, dass „ähnliche Hinweise“ so zu verstehen seien, dass diese entweder das Risikopotential des Produkts und seiner Wirkung allgemein oder wenigstens speziell hinsichtlich eines der in Art. 72 Abs. 3 VO (EU) 528/2012 benannten Schutzgüter (Gesundheit von Mensch oder Tier oder Gefahren für die Umwelt) in pauschaler Weise relativieren müssen, um eine Unzulässigkeit anzunehmen. Es reiche nicht aus, wenn der fragliche Hinweis sich einer der beispielhaft genannten Angaben in der Weise zuordnen lässt, dass Letztere den Oberbegriff bilden. Die Aussage „hautfreundlich“ wurde daher als zulässig betrachtet, da diese weder allgemein relativierend wirkt noch hinsichtlich eines der genannten Schutzgüter pauschal verharmlosend wirkt. Vielmehr nahm das OLG Karlsruhe an, dass die Aussage lediglich die Produktwirkung auf ein spezifisches Organ, nämlich die Haut des Menschen, beschreibt. 

Im Rahmen der Revision gegen das Urteil hat der Bundesgerichtshof nun das Verfahren ausgesetzt, um dem EuGH die Frage nach der Auslegung des Begriffs „ähnliche Hinweise“ im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 267 AEUV vorzulegen (BGH Beschluss v. 20.4.2023 – I ZR 108/22).

In seiner Vorlagefrage möchte der BGH nun wissen, ob Art. 72 Abs. 3 S. 2 VO (EU) 528/2012 dahingehend auszulegen sei, dass „ähnliche Hinweise“ im Sinne von Art. 72 Abs. 3 S. 3 VO (EU) 528/2012 nur solche in einer Werbung enthaltenen Hinweise umfasst, die genauso wie die in dieser Vorschrift aufgezählten Begriffe die Eigenschaften des Biozids hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit in pauschaler Weise verharmlosen oder ob der Begriff „ähnliche Hinweise“ dahingehend auszulegen sei, dass er auch solche Hinweise umfasst, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit einen der konkret aufgezählten Begriffs vergleichbaren verharmlosenden, nicht aber zwingend auch einen generalisierenden Gehalt wie diese aufweisen.

Die Auslegung des Begriffs durch den EuGH stellt für die Zukunft einen deutlichen Gewinn an Rechtssicherheit dar. Auch, wenn die Entscheidung noch auf sich warten lassen dürfte, so kann doch bereits jetzt gesagt werden, dass der Bundesgerichtshof mit seiner Vorlage an den EuGH unabhängig von der Antwort auf die Vorlagefrage dieses lange schwelende Streitthema nun endgültig beendet haben dürfte. 

Den Beschluss des Bundesgerichtshofs zur Aussetzung des Verfahrens sowie zur Vorlage an den EuGH finden Sie unter:
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=8195&Seite=1&nr=133522&pos=43&anz=1157 

Das Urteil der Vorinstanz (OLG Karlsruhe) finden Sie unter:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&nr=37935 

Falls Sie Fragen haben, beraten wir Sie gerne zu allen Fragestellungen rund um das Thema Biozidprodukte. Dabei stehen im Vordergrund die Themen Zulassung und Verkehrsfähigkeit sowie die korrekte Kennzeichnung und Bewerbung von Biozidprodukten.