I. Einleitung
Zum 01.01.2004 ist das Versandhandelsverbot für Arzneimittel gefallen. Jeder deutsche Apotheker hat seitdem die Möglichkeit, eine Betriebserlaubnis für eine Versandapotheke zu beantragen und mit der Erlaubnis die Arzneimittel nicht nur über seine Betriebsräume, sondern auch im Wege des Versands in den Verkehr zu bringen und den Bestellvorgang über das Internet abzuwickeln. Doch der Gesetzgeber gewährt nur Freiheit in engen Grenzen. Bevor die erste Bestellung empfangen und das erste Paket verpackt wird, hat ein Apotheker zahlreiche Auflagen zu erfüllen.
Diese Auflagen haben den Verbraucher- und Gesundheitsschutz sowie eine mögliche Gefährdung der Arzneimittelsicherheit zum Hintergrund. Nach Meinung des Gesetzgebers bürgt der Verkauf von Arzneimitteln über eine Präsenzapotheke für Sicherheit und Qualität. Nur der persönliche Kontakt zwischen Apotheker und Kunden soll die Qualität sichern und Mißbräuchen vorbeugen können. Bei einem Versandhandel mit Arzneimitteln kann der fehlende, persönliche Kontakt die Qualität beeinträchtigen und zu Mißbräuchen führen. Diese Gefahr will der Gesetzgeber über die Auflagen zum Betrieb einer Versandapotheke minimieren.
Wesentliche Grundlagen des Apothekenrechts sind das Arzneimittelgesetz (AMG), das Apothekengesetz (ApoG) und die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO)
Eine Versandapotheke stellt nur eine besondere Vertriebsform dar. Alle allgemeinen Regeln über den Verkauf von Arzneimitteln gelten weiter, unabhängig davon, ob der Verkauf aus einer Präsenzapotheke heraus erfolgt oder über eine Versandapotheke. Der Apotheker muß für rezeptpflichtige Arzneimittel die Arzneimittelpreisverordnung beachten, welche nur bei sog. OTC-Arzneimitteln einen Preisspielraum einräumt. Rezeptpflichtige Arzneimittel dürfen nur gegen Vorlage eines gültigen Originalrezepts an den Kunden verkauft werden. Und die Zuzahlungen sind vom Kunden sowohl durch eine Präsenz- wie auch durch eine Versandapotheke zu erheben.
II. Voraussetzungen aus dem Apothekenrecht
Welche Auflagen sind vom Apotheker im einzelnen zu beachten:
1.
Nach § 11a Nr. 1 ApoG muß der Versandhandel mit Arzneimitteln neben dem Betrieb der Präsenzapotheke erfolgen. Ein Apotheker darf nach neuem Recht keine reine Versandapotheke gründen; er muß „nebenbei“ auch eine Präsenzapotheke betreiben.
Damit ist klar, daß eine Versandapotheke zunächst einmal den gleichen Betriebsvoraussetzungen unterliegt wie eine Präsenzapotheke. Eine Apothekenerlaubnis erhält selbstverständlich nur ein Apotheker, es müssen ausreichende und geeignete Betriebsräume zur Verfügung stehen und die weiteren Bedingungen der Apothekenbetriebsordnung müssen erfüllt sein.
Wenn Sie bereits eine Erlaubnis zum Betrieb einer Präsenzapotheke haben, müssen Sie sich hier keine Gedanken machen. Spannend sind die zusätzlichen, zum Betrieb einer Versandapotheke notwendigen Voraussetzungen.
2.
Eine Versandapotheke muß – wie eine Präsenzapotheke – ein Vollsortiment anbieten. Zwar müssen nicht alle Arzneimittel vorrätig sein, doch muß der Apotheker fehlende Arzneimittel kurzfristig bestellen können und diese geliefert bekommen. Da auch Präsenzapotheken nicht alle in Deutschland zugelassenen Arzneimittel auf Lager halten, hat sich ein System entwickelt, welches jedes Arzneimittel für einen Apotheker kurzfristig verfügbar macht. Auf dieses System kann eine Versandapotheke – sie besteht ohnehin neben der Präsenzapotheke – zurückgreifen.
Allerdings darf sich die Versandapotheke nicht darauf beschränken, nur bestimmte – margenstarke und damit lukrative – Arzneimittel zu vertreiben. Selbst wenn ein Apotheker auf seiner Website nur eine Auswahl von Arzneimitteln zum Verkauf anbietet, muß er bereit sein, nicht aufgeführte Arzneimittel auf Einzelbestellung des Kunden zu liefern. Der Gesetzgeber will damit einer „Rosinenpickerei“ des Apothekers vorbeugen.
3.
Die Apotheke muß ein auf die Besonderheiten des Versandhandels abgestimmtes Qualitätssicherungssystem unterhalten. Dieses soll sowohl die problemlose Bestellung wie auch die Lieferung des Arzneimittels sicherstellen.
Von der Bestellung bis zur Verpackung des Arzneimittels ist zu gewährleisten, daß nur das bestellte Arzneimittel an den Kunden gelangt. Dieses Arzneimittel ist für den Transport so zu verpacken, daß es ohne qualitative Einbußen und unversehrt beim Kunden ankommt.
Als Qualitätssicherungssystem bietet sich in erster Linie eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2000 an. Daneben haben die Apothekerverbände eigene Zertifikate herausgegeben, z.B. die Hessische Apothekerkammer mit dem „ApoCert“.
4.
Der Versand der Arzneimittel darf nur an den Kunden oder an einen von ihm benannten Empfangsberechtigten erfolgen. Dies ist beim Formular, über das online Bestellungen eingegeben werden können, zu berücksichtigen.
Um jedoch die Lieferkette transparent zu halten und sicherzustellen, daß das Arzneimittel nur an den Kunden oder den Empfangsberechtigten übergeben wird, muß der Apotheker ein Sendungsverfolgungssystem etablieren. Dieses soll die Lieferung von der Übergabe an den Transporteur bis zur Lieferung an den Kunden dokumentieren und nachweisen, daß das Arzneimittel die richtige Person erhalten hat. Es läßt sich für einen Apotheker kaum selbst entwickeln, allerdings bietet mittlerweile fast jedes der großen Transportunternehmen ein entsprechendes System an, auf das der Apotheker zurückgreifen kann.
Der Abschluß einer Transportversicherung ist obligatorisch.
5.
Die Bestellungen des Kunden muß der Apotheker zeitnah bearbeiten. Sofern er mit dem Kunden nichts anderes vereinbart, hat der Versand des bestellten Arzneimittels spätestens innerhalb von zwei Tagen zu erfolgen. Sofern der Apotheker innerhalb der Frist eine Verzögerung erkennt, muß er den Kunden in geeigneter Form (z.B. e-mail, Telefon, Telefax) unterrichten.
6.
Sofern die erste Zustellung an den Kunden scheitert, beispielsweise weil er oder der Empfangsberechtigte nicht anwesend sind, muß der Apotheker eine für den Kunden kostenfreie Zweitzustellung ermöglichen.
7.
Daß der Gesetzgeber in dem persönlichen Kontakt zwischen Apotheker und Kunden ein Instrument der Qualitätssicherung sieht, haben wir bereits ausgeführt. Den persönlichen Kontakt kann der Apotheker nutzen, um den Kunden zu beraten. Der Kunde kann Fragen stellen.
Ein persönliches Gespräch ist bei einer Bestellung über das Internet nicht möglich. Der Apotheker muß bestimmte Vorgaben erfüllen, um dennoch eine fachgerechte Beratung des Kunden zu gewährleisten.
Zunächst ist ein Meldesystem einzurichten, mit dem der Apotheker über Arzneimittelrisiken informiert, die nicht Gegenstand der Packungsbeilage sind. Hier ist insbesondere an einen Nachrichten-Bereich auf der Website, ein Forum oder an einen Newsletter zu denken.
Der Apotheker kann über neue Risiken auf der Website informieren und jedes Arzneimittel mit einem entsprechenden Warnhinweis verbinden. Über ein Forum haben Kunden die Möglichkeit, den Apotheker über neue Risiken zu informieren und sich ggf. untereinander auszutauschen.
Zugleich muß der Apotheker die Beratung des Kunden während der Geschäftszeiten seiner Apotheke gewährleisten, sei es über Telefon, Fax oder e-mail.
Wenn der Apotheker erkennt, daß ein Arzneimittel nur nach eingehender persönlicher Beratung ausgegeben werden darf, hat er gegenüber dem Kunden den Versand abzulehnen. Ob dieses Kriterium tatsächlich praktisch relevant werden sollte, bezweifeln wir.
8.
Zuständig für den Antrag, den Betrieb einer Versandapotheke zu erlauben, ist die jeweilige Landesbehörde, in den meisten Bundesländern die für Gesundheit zuständige Fachbehörde. Diese hält das Formular „Antrag zur Erteilung einer Erlaubnis zum Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel nach § 11a Apothekengesetz“ vor. Über das Formular versichert der Apotheker, die einzelnen Voraussetzungen für den Betrieb einer Versandapotheke zu erfüllen. Die Behörde muß die Erlaubnis erteilen, wenn der Apotheker die zuvor genannten Voraussetzungen erfüllt.
III. Voraussetzungen außerhalb des Apothekenrechts
Neben diesen speziellen, auf den Betrieb einer Versandapotheke zugeschnittenen Voraussetzungen sind weitere, für jedermann geltende Bedingungen zu beachten.
1.
Der Vertrieb von Arzneimitteln im Wege des Versandhandels stellt einen Teledienst im Sinne des Teledienstegesetzes (TDG) dar. § 6 TDG sieht als besondere Informationspflicht die Impressumspflicht des Betreibers der Versandapotheke vor.
Wenn der Versandapotheker diese Voraussetzungen nicht erfüllt, läuft er Gefahr, von Wettbewerbern oder Verbraucherschutzvereinen abgemahnt zu werden.
Das Impressum muß insbesondere den Namen und die Postanschrift (kein Postfach) der Apotheke enthalten, ebenso e-mail-Adresse, die Internetadresse sowie Telefon- und Faxnummer. Weiter muß die zuständige Aufsichtsbehörde und Apothekerkammer sowie deren Anschrift angegeben werden. Wenn Sie in einem Partnerschafts- oder Genossenregister eingetragen sind, sind das zuständige Register und die Registernummer ebenfalls anzugeben. Die Berufsordnung sowie die einschlägigen berufsrechtlichen Regelungen sind ebenfalls abzudrucken.
2.
Bei dem Versandhandel mit Arzneimitteln handelt es sich um einen Fernabsatz im Sinne des § 312b BGB.
Die Pflichtangaben nach §§ 312b ff. BGB und der BGB-Informationspflichten-Verordnung entsprechen teilweise den Voraussetzungen des Apothekengesetzes und des Teledienstegesetzes.
Zusätzlich muß der Apotheker über die wesentlichen Merkmale der Ware informieren, § 1 (1) Nr. 3 BGB-InfoVO. Diese Information kann bei Arzneimitteln erfolgen, indem der Kunde über die Website auf die Packungsbeilage zugreifen kann. Das liegt nahe. Nur kann der Apotheker in einen Konflikt mit dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) geraten.
Seit dem 01.01.2004 gilt das HWG in geänderter Form, soweit es um den Bezug von Arzneimitteln im Wege des Versandhandels geht. Ein Arzneimittel darf zwar weiterhin nicht beworben werden, doch ist es erlaubt, das Angebot für ein Arzneimittel als solches auf einer Website mit den Informationen zu präsentieren, die für den Bestellvorgang unbedingt notwendig sind, § 1 (6) HWG.
Wird nun gleichzeitig die Packungsbeilage abgedruckt, könnte dies eine unzulässige Werbung nach dem HWG darstellen. Allerdings dürfen dem Kunden auf konkrete Nachfrage weitere Informationen, z.B. die Packungsbeilage, zu einem Arzneimittel mitgeteilt werden. Wenn die Packungsbeilage nicht ohne weiteres mit dem Arzneimittel abgedruckt wird, sondern diese nur über einen Link abgerufen werden kann, könnte man in dem Betätigen des Links eine konkrete Nachfrage des Kunden sehen, welche für den Apotheker den Konflikt zwischen seinen Informationspflichten auf der einen Seite und dem Heilmittelwerbegesetz löst.
Dieser Link sollte deutlich erkennbar von den übrigen Angaben getrennt angebracht werden und ohne weitere Zwischenschritte zu einem Abdruck der Packungsbeilage führen. Diese Anforderungen folgen aus den Entscheidungen des OLG München vom 07.03.2002, Az. 29 U 5688/01, und des Landgerichts Hamburg vom 02.05.2002, Az. 312 O 489/01. Die Entscheidungen ergingen zwar zum HWG in der alten, bis zum 31.12.2003 gültigen Fassung, doch sollten Sie diese Anforderungen erfüllen, um die Gefahr zu minimieren, von einem Wettbewerber deswegen abgemahnt zu werden.
Wesentlich bei Fernabsatzverträgen ist das Widerrufs- und Rückgaberecht des Kunden, §§ 355, 356 BGB. Auf dieses muß er ausdrücklich bei der Bestellung hingewiesen werden. Um möglichen Risiken zu begegnen, sollte der Kunde ausdrücklich bestätigen, das Widerrufs- und Rückgaberecht zur Kenntnis genommen zu haben. Eine Musterformulierung finden Sie als Anlage 2 zur BGB-InfoVO vom 05.08.2002 (BGBl. I 2002, 3002).
Ein Widerruf des Vertrags bzw. eine Rückgabe des Arzneimittels ist nicht möglich, wenn es sich um speziell angefertigte Arzneien handelt, die Verpackung angebrochen ist oder sich das Arzneimittel aufgrund seiner Eigenschaften (beispielsweise durchgehende Kühlung) nicht zur Rückgabe eignet.
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