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BGH: „Benannte Stellen“ können von Patientinnen mit Brustimplantaten aus Industriesilikon haftbar gemacht werden

Nach dem unionsrechtlich harmonisierten Medizinprodukterecht muss jedes Medizinprodukt, welches in Deutschland in den Verkehr gebracht werden soll, ein „CE-Kennzeichen“ aufweisen. Dies ergibt sich aus § 6 Abs. 1 des Medizinproduktegesetzes (MPG). Ermächtigt, nach Prüfung und Begutachtung einem Hersteller die Zulassung einer solchen Kennzeichnung zu gestatten, ist im Rahmen des EU-Konformitätsbewertungsverfahrens gem. Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG die sog. „Benannte Stelle“. 

Im konkreten Fall wurden 26 - bei einer deutschen Krankenkasse gesetzlich versicherten – Frauen in den Jahren 2003 bis 2010 Brustimplantate aus für den menschlichen Körper nicht zugelassenem Industriesilikon eingesetzt, welche von dem französischen Unternehmen Poly Implant Prothèse (PIP) hergestellt worden waren. Nachdem eine französische Behörde 2010 die Verwendung falschen Rohmaterials für Implantate festgestellt hatte, meldete PIP infolgedessen 2011 Insolvenz an. Daraufhin wurde das Unternehmen liquidiert. Auf eine spätere Empfehlung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Jahr 2012 hin, ließen sich die oben genannten Frauen die mangelhaften Brustimplantate vorsichtshalber entfernen bzw. austauschen. Die Kosten dieser Operationen in Höhe von insgesamt knapp über 50.000 € übernahm die Krankenkasse. Diese verlangt nun auf dem Rechtsweg von der im einschlägigen Zeitraum für die Prüfung und Zertifizierung der mangelhaften Implantate von PIP zuständigen „Benannten Stelle“ Schadensersatz nebst Zinsen.

Sowohl das Landgericht Nürnberg-Fürth (Urteil vom 20.03.2014) als auch das Oberlandesgericht Nürnberg (Urteil vom 27.06.2018) wiesen die Klage der Krankenkasse mit der Begründung ab, dass weder eine vertragliche, noch eine deliktische Haftung in Betracht käme.

Der Bundesgerichtshof hat nun mit Urteil vom 27. Februar 2020, Az. VII ZR 151/18 das daraufhin von der Klägerin angefochtene Urteil mit der Begründung aufgehoben und die Entscheidung an das Berufungsgericht zurückgewiesen, dass – während eine vertragliche Haftung der „Benannten Stelle“ nach § 280 BGB mangels eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter richtigerweise abgelehnt wurde – eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB durchaus in Betracht zu ziehen ist. Bei der im MPG getroffenen Regelung zum EU-Konformitätsbewertungsverfahren und den daraus resultierenden Rechten und Pflichten der „Benannten Stelle“ handele es sich um ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz im Sinne der oben genannten Norm, da diese Vorschriften gerade dem Schutz der Gesundheit der individuellen Endempfänger der Medizinprodukte dienten. Die Gewährleistung dieses Schutzes obliege somit neben dem Hersteller auch der „Benannten Stelle“.
 
Ob die weiteren Voraussetzungen für eine deliktische Haftung der Beklagten, insbesondere also eine Pflichtverletzung, vorliegen, hat das OLG Nürnberg nun zu prüfen.