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Europäisches Parlament nimmt das vierte Gesundheitsprogramm der Union (EU4Health) in erster Lesung größtenteils an

In der ersten Lesung am 13.11. diesen Jahres hat das Europäische Parlament den Vorschlag für eine Verordnung über ein Aktionsprogramm der Union im Bereich der Gesundheit (2021-2027) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 282/2014/EG („Programm EU4Health“) überwiegend angenommen.

Zur Förderung und Verbesserung des Gesundheitsniveaus innerhalb Europas hat das Europäische Parlament seit dem Jahr 2003 insgesamt drei Gesundheitsprogramme erlassen. Diese legen die Strategien zur Erreichung eines hohen Gesundheitsniveaus fest und stellen zugleich ein Finanzierungsinstrument dar, welches die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten der EU im Bereich der Gesundheit fördern und zunehmend auch die Möglichkeit europäischer Maßnahmen und Lösungen schaffen soll. Das aktuelle Gesundheitsprogramm läuft am 31.12. diesen Jahres aus, so dass die Kommission dem Rat und dem Europäischen Parlament bereits im Mai einen Vorschlag für EU4Health als Nachfolgeprogramm vorgelegt hat.

Im Zentrum des Vorschlags der Kommission für die neue Verordnung stehen dabei zunächst drei allgemeine, in Art. 3  des Verordnungsentwurfs festgehaltene Ziele: Eine Verbesserung der nationalen Gesundheitssysteme (Nr. 1), Maßnahmen gegen übertragbare und nicht übertragbare Krankheiten (Nr. 2) und die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von (krisenrelevanten) Produkten wie beispielsweise Arzneimitteln (Nr. 3). Diese werden durch spezifische Ziele in Art. 4 des Verordnungsentwurfs konkretisiert, welche beispielsweise die Handlungsfähigkeit der Union im Falle schwerwiegender und grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren (Nr. 1), die Vorhaltung von Reserven und Vorräten krisenrelevanter Produkte (Nrn. 2 und 3) sowie die Krankheitsprävention (Nrn. 5, 6 und 9) umfassen.

Mit diesen Zielsetzungen wird an den Grundzügen der bisherigen Aktionsprogramme festgehalten. EU4Health wählt jedoch einen besonders modernen Ansatz und geht insofern über seine Vorgängerprogramme hinaus. So soll die neue Verordnung künftig in das Konzept „eine Gesundheit“ eingebettet werden und damit von einem Zusammenhang der menschlichen und tierischen Gesundheit sowie der Umwelt im weiteren Sinne ausgehen.[1] Zudem hat die gegenwärtige, auf dem SARS-CoV-2-Erreger beruhende Pandemie diverse Lücken im europäischen Gesundheitsschutz aufgezeigt, derer sich der Verordnungsentwurf anzunehmen versucht.[2] Als Folge dessen sollen medizinische Produkte künftig innerhalb der Union produziert sowie vorgehalten[3] und die Digitalisierung maßgeblich vorangetrieben werden.[4] Im Ergebnis wird dabei von nicht weniger als der „strukturelle[n] Umgestaltung und [der] systemische[n] Reformierung der Gesundheitssysteme“ der Mitgliedsstaaten gesprochen.[5]

Das Europäische Parlament hat den Vorschlag für die Verordnung in der ersten Lesung vom 13.11.2020 zu einem großen Teil angenommen, jedoch noch über 200 Abänderungen vorgeschlagen. Dabei geht es überwiegend um eine Konkretisierung und Verfeinerung. Beispielsweise soll die Zielsetzung in Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 des Verordnungsentwurfs künftig nicht mehr bloß vom „Schutz der Menschen in der Union […]“, sondern von der „Verbesserung und Förderung der Gesundheit in der Union […]“ sprechen.[6] Neben weiteren ausgemachten Problemfeldern wie der Bedeutung der Geschlechterrollen im gesundheitlichen Bereich,[7] der Prävention von Krankheiten wie Alkoholismus und Krebs[8] und einer Möglichkeit eines europäischen „Mechanismus für Maßnahmen im Gesundheitswesen,“[9] nimmt sich das Europäische Parlament auch verfahrensrechtlichen Aspekten an. So soll ein Art. 9a ergänzt werden, welcher Gewährungskriterien für die zur Verfügung gestellten Finanzmittel festlegt.[10] Die vielleicht bedeutendste Neuerung bezieht sich allerdings auf den Etat selbst. Bereits die Erwägungsgründe sollen um den Leitgedanken „Gesundheit ist eine Investition“ erweitert werden. [11] In Anlehnung hierzu will das Europäische Parlament den in Art. 5 Nr. 1 des Verordnungsentwurfs niedergeschriebenen Haushalt des Programms von ursprünglich gut 1,947 Milliarden Euro zu den jeweiligen Preisen auf gut 10,398 Milliarden Euro zu den jeweiligen Preisen aufstocken und damit mehr als verfünffachen.[12]

Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass das neue Aktionsprogramm bis Ende des Jahres verabschiedet wird und EU4Health damit am 01.01.2021 in Kraft tritt. Fraglich dürfte lediglich sein, ob der Rat sämtliche Abänderungen des Europäischen Parlaments annimmt oder ob der Verordnungsentwurf mit erneuten Änderungswünschen und dem Erfordernis einer zweiten Lesung wieder an das Europäische Parlament übersandt wird.
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Die entsprechenden Gesetzesmaterialien finden sich unter folgenden Links:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Aktionsprogramm der Union im Bereich der Gesundheit (2021-2027) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 282/2014/EG („Programm EU4Health“):
https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:9b76a771-a0c4-11ea-9d2d-01aa75ed71a1.0014.02/DOC_1&format=PDF (zuletzt abgerufen am 23.11.2020)

Abänderungen des Europäischen Parlaments vom 13. November 2020 über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Aktionsprogramm der Union im Bereich der Gesundheit (2021–2027) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 282/2014 („Programm EU4Health“) (COM(2020)0405 – C9-0152/2020 – 2020/0102(COD)):
https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2020-0304_DE.html (zuletzt abgerufen am 23.11.2020)

 


[1] Vgl. Art. 2 Nr. 5 des Verordnungsentwurfs; siehe auch Europäisches Parlament, Abänderungen des Europäischen Parlaments vom 13. November 2020 über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Aktionsprogramm der Union im Bereich der Gesundheit (2021–2027) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 282/2014 („Programm EU4Health“), Abänderung 44.

[2] Vgl. Erwägungsgrund 6 des Verordnungsvorschlags.

[3] Vgl. Erwägungsgrund 21. und 22 des Verordnungsentwurfs.

[4] Vgl. bspw. Erwägungsgrund 22 und Art. 3 Nr. 3, 4 Nr. 4 des Verordnungsentwurfs.

[5] Erwägungsgrund 15 der Verordnungsentwurfs.

[6] Europäisches Parlament, a.a.O., Abänderung 55.

[7] Ebenda, siehe bspw. Abänderungen 5, 6, 17, 46

[8] Ebenda, siehe bspw. Abänderungen 22, 23, 24, 25

[9] Ebenda, siehe beispielsweise Abänderung 34; hier sei am Rande angemerkt, dass die Kompetenzen der Union im Bereich der Gesundheit aufgrund von Art. 168 Abs. 7 AEUV beschränkt sind. Im Einzelfall können der Deutsche Bundestag und der Deutsche Bundesrat daher je nach Reichweite und Umfang gemeinschaftsrechtlicher Maßnahmen eine Subsidiaritätsrüge erlassen (so im Falle der HTA (Health Technology Assessments) (vgl. BT-Drs. 19/1926 i.V.m. Plenarprotokoll 19/23, S. 1996 und BR-Drs. 34/18 (Beschluss)).

[10] Ebenda, Abänderung 82.

[11] Ebenda, Abänderung 20; siehe auch Abänderung 39.

[12] Ebenda, Abänderung 73.