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OLG Düsseldorf zur Zulässigkeit der Werbung einer Versandapotheke für Arzneimittel mit Preisauschreiben oder Verlosungen

Wird im Zusammenhang mit dem Verkauif von Arzneimitteln mit einem Preisausschreiben geworben, ist hierin nicht generell ein Verstoß gegen den neugefassten § 11 Abs. 1 Nr. 13 HWG zu sehen. Ein Verstoß setzt vielmehr voraus, dass eine überwiegende Anzahl der durch das Preisausschreiben angesprochenen Verkehrskreise die in unmittelbarer Nähe zur Preisauslobung beworbenen Arzneimittel auch dann verwenden, obwohl diese nicht indiziert sind, oder wenn sie diese in einer Menge verwenden, die über den normalen Bedarf hinausgeht.

Bei der Frage des Produktbezuges der Werbung mit einem Preisausschreiben sind nur diejenigen Produkte (Arzneimittel) zu betrachten, die in der Nähe zur Preisauslobung präsentiertet werden.

Urteil des OLG Düsseldorf, Urt. v. 15. 1. 2013 – I-20 U 93/12

Sachverhalt:

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer von der Bekl. ausgeschriebenen Pkw-Verlosung. Der Kl. ist ein Verein, dessen satzungsmäßige Aufgabe darin besteht, unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen. Die Bekl. betreibt über das Internet eine Versandapotheke, die ihren Sitz in N. hat. In einem Flyer vom 21. 11. 2010 und im Internet warb die Bekl. damit, dass jede Bestellung bei ihr an der Verlosung eines Fiat 500 teilnehme.

Nach erfolgloser Abmahnung begehrt der Kl. mit der vorliegenden Klage die Verurteilung der Bekl., eine entsprechende Auslobung zu unterlassen. Er ist der Ansicht, sie stelle eine nach dem Heilmittelwerbegesetz unzulässige Arzneimittelwerbung dar, bei der der Verbraucher durch das Inaussichtstellen einer Gewinnchance von einer kritischen Prüfung des beworbenen Heilmittels abgehalten und zu dessen unbedachtem Konsum verleitet werde.

Das LG hat die Bekl. unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet und/oder auf sonstigen Werbeträgern mit einem Preisausschreiben für Heilmittel zu werben, wenn dies wie aus der Anlage K 1 ersichtlich geschieht.

Die Berufung der Bekl. hatte Erfolg.


Aus den Gründen:

Die Klage ist unbegründet. Ein Verstoß gegen § 11 I Nr. 13 HWG n. F., der ein Unterlassungsgebot nach §§ 8 I, 4 Nr. 11 UWG rechtfertigen würde, liegt nicht vor. Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob überhaupt eine Arzneimittelwerbung und nicht nur eine Unternehmenswerbung streitgegenständlich ist.

In seiner seit dem 26. 10. 2012 geltenden Fassung lautet § 11 I Nr. 13 HWG: „Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden mit Preisausschreiben, Verlosungen oder anderen Verfahren, deren Ergebnis vom Zufall abhängig ist, sofern diese Maßnahmen oder Verfahren einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten.“ Neu eingefügt wurde der Sofern-Halbsatz. Er stellt eine Einschränkung des zuvor grundsätzlich geltenden Verbots von außerhalb der Fachkreise stattfindender Arzneimittelwerbung mit Preisausschreiben etc. dar. Das Vorliegen seiner Voraussetzungen kann vorliegend nicht festgestellt werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn unterstellt werden könnte, dass eine überwiegende Anzahl durch das streitgegenständliche Preisausschreiben angelockter Besteller von in unmittelbarer Nähe der Preisauslobung beworbener Arzneimittel diese auch dann verwenden, wenn eine Anwendung medizinisch nicht indiziert ist oder auf Grund der Bestellung in einer Menge verwenden, die sie ansonsten nicht verwandt hätten. Eine solche Annahme ist nicht gerechtfertigt.

Eine arzneimittelbezogene Werbung kann hier nur für die in unmittelbarer Nähe zur Preisauslobung präsentierten Produkte vorliegen. Dies sind beim Flyer die Mittel Bepanthen, Voltaren, Prospan, Wick Daymed/Medinait/Inhalierstift. Es handelt sich sämtlich um Arzneimittel, die der Behandlung alltäglicher Beschwerden wie kleinerer Hautverletzungen (Bepanthen), Verstauchungen/Prellungen/Zerrungen (Voltaren) und Erkältungssymptomen (Prospan, Wick Daymed/Medinait/Inhalierstift) dienen und deshalb von vielen Verbrauchern in ihren Hausapotheken vorrätig gehalten werden. Gleiches gilt für die im Internet in unmittelbarer Nähe zur Beschreibung des ausgelobten Gewinns von der Bekl. vorgestellten Produkte CETIRIZIN ratiopharm, ACCU CHEK, SOVENTOL und Wick Medinait. Cetirizin dient der Behandlung von Allergien, Soventol der Behandlung von entzündeten Insektenstichen, Hautallergien und Sonnenbrand, Wick Medinait – wie schon gesagt – der Behandlung von Erkältungssymptomen, ACCU CHEK wird von Diabetikern benötigt. Letzterer wird daher nicht von einem nicht an Diabetes leidenden Verbraucher für sich selbst bestellt werden. Sind die übrigen Produkte schon per se als Bestandteile einer Hausapotheke sinnvoll, kommt hinzu, dass der Besteller die Wahl hat, welches der genannten Produkt er bestellt, um die begehrte Gewinnchance zu erhalten. Er kann daher ein Mittel auswählen, das gerade in seiner Hausapotheke zur Neige geht oder auf Grund wiederholt auftretender Beschwerden von ihm ohnehin öfter benötigt wird.

Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall grundsätzlich von dem der „Gintec“-Entscheidung des EuGH (GRUR 2008, 267) zu Grunde liegenden. Streitgegenständlich war dort zum einen die Werbung einer Firma Gintec für verschiedene Ginseng-Präparate, der eine „Auswertung Konsumentenbefragung“ beigefügt war. In dieser wurde mitgeteilt, dass ein hoher Prozentsatz der Kunden sich für eine Dauermedikation, d. h. einer solchen über Jahre, entschieden habe. Als von den Befragten genannte Anwendungsbereiche wurden die Unterstützung des allgemeinen Wohlbefindens, Herz- und Kreislaufbeschwerden, Förderung der Konzentration, Abbau von Stress, Stärkung des Immunsystems, sowie Vorbeugung vor Altersbeschwerden (z. B. Arterienverkalkung) genannt. Beanstandet wurde in dem genannten Verfahren außerdem, dass Gintec eine monatliche Auslosung angekündigt hatte, an der man durch Ausfüllen eines Formulars teilnehmen konnte und bei der man eine Packung „Roter Imperial Ginseng von Gintec Extraktpulver“ gewinnen konnte. Diese Werbung hat der EuGH als im Hinblick auf die im 45. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/83 angeführte Notwendigkeit, übertriebene und unvernünftige Werbung, die sich auf die öffentliche Gesundheit auswirken könnte, zu verhindern, als nicht hinnehmbar bezeichnet. Zur Begründung hat er angeführt, bei der Werbung für ein Arzneimittel in Form von Verlosungen werde der unzweckmäßigen und übermäßigen Verwendung dieses Arzneimittels Vorschub geleistet, indem es als Preis oder Geschenk dargestellt werde und der Verbraucher so von einer sachlichen Prüfung der Frage, ob die Einnahme des Arzneimittels erforderlich sei, abgelenkt werde (EuGH, GRUR 2008, 267 Rdnr. 56 – Gintec). Außerdem sahen die europäischen Richter eine rechtswidrige kostenlose Abgabe des Arzneimittels als gegeben. Vor diesem Hintergrund – und nur vor diesem Hintergrund – ist ihre Feststellung zu verstehen, dass Art. 87 III, 88 VI und 96 I der Richtlinie 2001/83 die Werbung für ein Arzneimittel in Form einer im Internet angekündigten Auslosung verbieten, weil sie die unzweckmäßige Verwendung dieses Arzneimittels fördert und zu seiner direkten Abgabe an die Öffentlichkeit sowie zur Abgabe von Gratismustern führt. Vorliegend soll – anders als bei der Gintec-Auslosung – durch den mit dem versprochenen Gewinn verbundenen Reiz nicht der Konsum eines bestimmten Arzneimittels gefördert werden, das dem Großteil der Bevölkerung eher unbekannt ist und damit beworben wird, in sozusagen allen Lebenslagen gesundheitsfördernd zu sein. Vielmehr entscheidet sich der Verbraucher, den der von der Bekl. ausgelobte Preis reizt und der sich deshalb dazu entschließt, eine Gewinnchance begründende Bestellung vorzunehmen, mit der Bestellung bewusst für eines von mehreren Mitteln, die bekanntermaßen bei unterschiedlichen Beschwerden angewandt werden. Kann damit vorliegend aber nicht festgestellt werden, dass die von der Bekl. bezweckten Bestellungen einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten, ist die vom Kl. thematisierte Frage der Werthaltigkeit des ausgeloben Preises für die Beurteilung ohne Bedeutung.

Aus den genannten Gründen ist die streitgegenständliche Werbung auch nicht gem. § 7 I HWG unzulässig. Diese Norm verbietet zwar das Angebot, die Ankündigung und die Gewährung von unverhältnismäßigen Werbegaben, worunter in der Rechtsprechung und Literatur vielfach auch die mit einem Preisausschreiben verbundene Gewinnchance oder zumindest der ausgelobte Preis verstanden werden. Sie ist aber zum einen ohnehin als vom historischen Gesetzgeber gewollter abstrakter Gefährdungstatbestand im Hinblick auf die durch Art. 12 I GG gewährte Berufsausübungsfreiheit verfassungskonform auszulegen. Bereits deshalb ist nach der neueren Rechtsprechung nur eine Werbung, die auf Grund ihrer Eignung, die Kunden unsachlich zu beeinflussen und zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung zu bewirken, mit § 7 I HWG unvereinbar (vgl. Gröning, HeilmittelwerbeR, Stand 2011, § 7 Rdnrn. 28 f. m. w. Nachw.). Zum anderen ist seit der Neufassung des § 11 I Nr. 13 HWG auch nach dem Willen des Gesetzgebers § 7 I HWG auf Preisausschreiben, die nicht einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten, nicht (mehr) anwendbar. Ansonsten liefe nämlich der neugefasste § 11 I Nr. 13 HWG ins Leere, da die mit einem Preisausschreiben ausgelobten Preise fast immer erheblich mehr wert sind als die durch den Teilnehmer evtl. zu erbringende Gegenleistung, damit regelmäßig unverhältnismäßige Werbegaben i. S. von § 7 I HWG darstellen würden und mithin per se verboten wären.