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OLG Dresden: Warnhinweis „Zu Risiken und Nebenwirkungen...“ bei Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika unzulässig

Mit Urteil vom 15.01.2019 hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden entschieden, dass der Warnhinweis „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ bei Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetikprodukten irreführend und somit unzulässig ist.

Die Wettbewerbszentrale mahnte den Betreiber einer Versandapotheke ab, der Nahrungsergänzungsmittel sowie Kosmetika im Internet unter Verwendung des genannten Warnhinweises anbot. Durch die Verwendung des für Arzneimittel vorgeschriebenen Warnhinweises würden die Kunden über wesentliche Eigenschaften der Produkte getäuscht und die Annahme einer erhöhten Wirksamkeit gestärkt. Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetikprodukte stellen nämlich gerade keine Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes dar. Dieser Auffasssung hat sich das OLG Dresden in seiner Entscheidung angeschlossen.


Oberlandesgericht Dresden
Urteil vom 15.01.2019, Az.: 14 U 941/18

Vorinstanz
LG Leipzig, Urteil vom 08.06.2018, 4 HK O 1979/17


Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 8.6.2018, Az. 4 HK O 1979/17, unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Internet in der Werbung für Nahrungsergänzungsmittel und/oder Kosmetikprodukte den Text: "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" zu verwenden, wie in den Anlagen K 5 bis K 8 ersichtlich.

b. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 267,50 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 22.7.2017 zu zahlen.

c. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin zu 1/3, die Beklagte zu 2/3.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Unterlassungstenors Ziff. 1. a. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000.- EUR abwenden. Im Übrigen können beide Seiten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 
Gründe

I. Die klagende Wettbewerbszentrale nimmt die Beklagte, die eine Versandapotheke über das Internet betreibt, auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkostenpauschale in Anspruch.
Sie sieht einen Lauterkeitsverstoß darin, dass die Beklagte auch bei Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetikprodukten den Hinweis "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" anbringt.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 8.6.2018, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Aufhebung des am 8.6.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Leipzig zu Az. 4 HK O 1979/17 die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,  im geschäftlichen Verkehr im Internet in der Werbung für Lebensmittel, insbesondere für Nahrungsergänzungsmittel und/oder Kosmetikprodukte, den Text: "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" zu verwenden,

hilfsweise

im geschäftlichen Verkehr im Internet in der Werbung für Nahrungsergänzungsmittel und/oder Kosmetikprodukte, den Text: "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" zu verwenden, wie in den Anlagen K 5 bis K 8 ersichtlich.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 267,50 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 22.7.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und auch hinsichtlich des Hilfsantrags die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschrift sowie die wechselseitigen Schriftsätze mitsamt Anlagen Bezug genommen.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch im Umfang des konkretisierenden Hilfsantrags zu, nicht aber im Umfang des zu weit verallgemeinernden Hauptantrags.

I.

Die Berufung ist hinsichtlich des Hauptantrags unbegründet.

Er stellt verallgemeinernd auf Lebensmittel sowie Kosmetikprodukte ab und nimmt zudem nicht auf die konkrete Verletzungsform (K 5 – K 8) Bezug. Damit verfehlt die Verallgemeinerung des Hauptantrags das charakteristische Element der konkreten Verletzungsform. Unrichtige Vorstellungen über Eigenschaften kann der Hinweis nach § 4 Abs. 3 S. 1 HWG nicht schon bei jedem Lebensmittel, dem er beigegeben werden könnte, schlechthin erwecken. Maßgeblich ist vielmehr, bei welchem Lebensmittel der Hinweis dem angesprochenen Verkehr auf welche Weise in der Werbung entgegentritt, wobei auf den Gesamteindruck abzustellen ist. Lässt sich nach dem Gesamteindruck ausschließen, dass der Verkehr durch den Hinweis Eigenschaften eines Lebensmittels voraussetzt, die es nicht hat, liegt eine Irreführung nicht vor. Ohne Bezug auf die konkrete Verletzungsform, auf die die Klägerin ihren Hauptantrag ausdrücklich nicht begrenzt sehen wollte, ist der Hauptantrag demnach zu weit gefasst. Die Wiederholungsgefahr, die von einer konkreten Verletzungshandlung ausgeht, besteht nur für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, hier aber nicht hinsichtlich eines Hinweises auf jedem Lebensmittel gleich in welcher Art. Entsprechendes gilt für die Kosmetikprodukte.

II.

Der Hilfsantrag, der nicht verallgemeinernd auf Lebensmittel sowie Kosmetikprodukte abstellt und auf die konkrete Verletzungsform Bezug nimmt, ist hingegen begründet.

Nach § 4 Abs. 3 S. 1 HWG ist bei der Werbung außerhalb der Fachkreise der Text "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" gut lesbar und von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt und abgegrenzt anzugeben. Dies gilt für jede Werbung für Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG. Ein gesetzliches Verbot, diesen Hinweis wie im Streitfall auf Nahrungsergänzungsmittel (K 5, 6, 8) oder medizinische Kosmetikprodukte (K 7) anzubringen, liegt darin nicht. Allerdings wird hier der angesprochene Verkehr durch den beanstandeten Hinweis irregeführt im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 1 UWG.

1. Eine geschäftliche Handlung ist im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG irreführend, wenn das Verständnis, das sie nach dem Gesamteindruck bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den
a) Der maßgebliche Verkehrskreis besteht hier in Internet-Nutzern, die sich für Nahrungsergänzungsmittel und/oder Kosmetika aus einer Versandapotheke interessieren. Die entscheidende Frage ist nicht, ob bei dem angesprochenen Verkehrskreis hinsichtlich der betroffenen Produkte der Eindruck erweckt wird, dass es sich um Arzneimittel handeln würde. Ohnehin ist - wie beide Seiten nicht verkennen – den Verkehrskreisen die Unterscheidung zwischen Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel, erst recht nicht zwischen Funktions- und Präsentationsarzneimittel nicht bekannt. Maßgeblich ist vielmehr, ob Vorstellungen über Eigenschaften der Produkte erweckt werden, die unrichtig sind.

Das ist hier der Fall. Die angesprochenen Interessenten, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören, verbinden mit dem Hinweis, wenn er ihnen nach dem Gesamteindruck der Internet-Werbung K 5 – K 8 begegnet, die Vorstellung, die beworbenen Produkte bedürften aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften eines solchen Hinweises. Auf eine genaue Vorstellung des Verkehrs von solchen Eigenschaften und Merkmalen kommt es dabei nicht an; auch nicht näher konkretisierte Qualitätserwartungen oder unpräzise Vorstellungen über die Wirkungen des Erzeugnisses sind geschützt (BGH GRUR 1967, 362, 369 – Spezialsalz I; Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 5 Rn. 160).

Hierzu gehört beispielsweise eine erhöhte Wirksamkeit. So nimmt der Interessent beim Produkt "Orthomol Vital F Grapefruit" (K 5, 6) aufgrund des Warnhinweises an, die beworbene Wirkung, Erschöpfungszustände zu lindern, sei besonders ausgeprägt, so dass vor Risiken und Nebenwirkungen gewarnt und hierüber aufgeklärt werden müsse. Dem in der angegriffenen Werbung (K 7) als medizinisches Körperpflegeprodukt bezeichneten Erzeugnis "C V" schreibt der Interessent aufgrund des Warnhinweises eine erhöhte Effizienz bei der Reduzierung von Pigmentstörungen durch die Wirkung auf die Melaninproduktion zu. Die Magnesium- und Vitamin E – Kapseln (K 8) beugen nach Vorstellung des Interessenten besonders wirksam Mangelerscheinungen vor und schützen die Zellmembran besonders intensiv gegen Freie Radikale, möglicherweise auch aufgrund ihrer Dosierung.

Der angesprochene Verkehr hat nach den Umständen keinen Anlass, diese Angaben nicht wahrzunehmen oder abweichend zu verstehen. Sie sind Teil der Werbeaussagen, fallen als Warnhinweis in Fettdruck (K5, 7, 8) ins Auge und prägen das Verständnis.

b) Ein durchschnittlich verständiger und situationsadäquat aufmerksamer Interessent für Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetikprodukte kann demnach durch den beanstandeten Warnhinweis zu der Vorstellung gebracht werden, die Produkte wiesen besondere Eigenschaften wie eine gegenüber üblichen Produkten dieser Art erhöhte Wirksamkeit auf. Tatsächlich sind solche besonderen, die Erzeugnisse von Produkten gleicher Art unterscheidenden Eigenschaften weder vorgetragen noch ansonsten ersichtlich. Eines Warnhinweises bedarf es demnach nicht, unabhängig davon, dass eine pharmazeutische Beratung sinnvoll sein kann. Bei der bewirkten Aufwertung handelt es sich nicht um eine durch eine allgemeine Aussage hervorgerufene bloße Gedankenassoziation, sondern um eine unzutreffende Vorstellung. Dieses positive Leistungsmerkmal liegt tatsächlich nicht vor, so dass eine Fehlvorstellung erzeugt wird.

2. Die täuschende Werbeangabe ist gerade wegen ihrer Unrichtigkeit geeignet, die wirtschaftliche Entschließung zu beeinflussen. Da die Kenntnis davon, dass die positive Wirkung nicht zutrifft, den Verbraucher möglicherweise von einem Kauf Abstand nehmen lassen würde, kann die angegriffene Handlung absatzfördernde Wirkung entfalten, stellt also eine geschäftliche Handlung dar, und ist wettbewerbsrechtlich relevant.

III.

Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Erstattung der Kostenpauschale in Höhe von 267, 50 EUR nebst Zinsen für die demnach berechtigte Abmahnung vom 11.7.2017 (K 3) zu. Zwar war die Abmahnung zu weit gefasst; ihre Formulierung ist aber grds. Sache des Schuldners (Köhler/ Bornkamm, UWG, 37. Aufl. 2019, § 12 Rn 1.122). Auf die rechtliche Bewertung unter dem Aspekt, es handele sich um ein Arzneimittel, kommt es nicht an, weil die Beklagte jedenfalls in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Kenntnis vom Vorwurf hatte (Ohly/Sosnitza, a. a. O., § 12 Rn. 15).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Senat bemisst das Unterliegen der Klägerin mit dem zu weit gehenden Hauptantrag auf 1/3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Streitwertfestsetzung liegt die von beiden Seiten unbeanstandete Festsetzung in erster Instanz zugrunde, § 51 Abs. 2 GKG.

Für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO besteht keine Veranlassung. Das Urteil beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf einen Einzelfall. Die entscheidungserheblichen rechtlichen Probleme sind höchstrichterlich geklärt. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.