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BGH: Zur Zulässigkeit einer Gewinnspielwerbung für Arzneimittel bei Fachkreisen nach dem Heilmittelwerbegesetz (HWG)

a) Die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG, wonach außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel nicht mit Preisausschreiben, Verlosungen oder anderen Verfahren geworben werden darf, deren Ergebnis vom Zufall abhängt, sofern diese Maßnahmen oder Verfahren einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten, rechtfertigt nicht den Umkehrschluss, dass Preisausschreiben innerhalb der Fachkreise generell erlaubt sind.

b) Das in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG geregelte grundsätzliche Verbot der Wertreklame soll Verkaufsförderungspraktiken verhindern, die geeignet sind, bei den Angehörigen der Gesundheitsberufe ein wirtschaftliches Interesse an der Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln zu wecken. Damit nicht vergleichbar ist eine mögliche Beeinflussung der Werbeadressaten, die sich daraus ergibt, dass sie sich mit den Angaben in einer Werbebeilage näher befassen müssen, wenn sie mit Aussicht auf Gewinn an einem vom Werbenden durchgeführten Gewinnspiel teilnehmen wollen (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 17. August 2011 I ZR 13/10, GRUR 2011, 1163 Rn. 15 und 18 bis 20 = WRP 2011, 1590 Arzneimitteldatenbank; Urteil vom 25. April 2012 I ZR 105/10, GRUR 2012, 1279 Rn. 24 und 28 = WRP 2012, 1517 DAS GROSSE RÄTSELHEFT, mwN).

BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - I ZR 83/12 - Testen Sie Ihr Fachwissen

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2013 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. März 2012 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 17. August 2011 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.


Von Rechts wegen


Tatbestand:

Die Beklagte warb für das von ihr vertriebene Arzneimittel Aspirin mit einer an das Apothekenpersonal gerichteten sechsseitigen Beilage zur Ausgabe 19/2010 der Apothekenfachzeitschrift "PTAheute". Die Beilage enthielt Informationen über die Entstehung von Schmerzen, deren Behandlung und den in Aspirin enthaltenen Wirkstoff Acetylsalicylsäure. Auf der nachstehend wiedergegebenen Rückseite der Beilage wurden unter der Überschrift "Gewinnen Sie mit Aspirin®" acht Testfragen gestellt und als Belohnung für die richtige Beantwortung dieser Fragen die Verlosung von zehn Damen-Geldbörsen der Marke Esprit unter den Einsendern angekündigt.

Der Kläger, der Verband Sozialer Wettbewerb e.V., sieht in dieser Gewinnauslobung einen Verstoß gegen das heilmittelwerberechtliche Verbot von Werbegaben. Er hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Arzneimittel mit der Ankündigung eines Gewinnspiels und dem Versprechen zu werben

„Testen Sie Ihr Fachwissen.
Gewinnen Sie mit Aspirin …
Als Belohnung verlosen wir unter allen richtigen Einsendungen 10 Damen-Geldbörsen von Esprit.“

wie nachstehend wiedergegeben:



Darüber hinaus hat der Kläger Abmahnkosten in Höhe von 166,60 € nebst Zinsen erstattet verlangt.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Köln, MD 2012, 754). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.


Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat die Klage als aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 HWG begründet angesehen und dazu ausgeführt:

Bei einer Werbung für ein Medikament innerhalb der Fachkreise stelle § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG keine gegenüber § 7 Abs. 1 HWG vorrangige Sonderregelung dar. Da im Streitfall bei den verlosten Geldbörsen der für die Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 2 HWG erforderliche Bezug zur beruflichen Tätigkeit fehle und auch sonst keine Ausnahme vom in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG geregelten grundsätzlichen Verbot des Anbietens, Ankündigens oder Gewährens von Werbegaben eingreife, komme es darauf an, ob die Auslobung der Gewinne eine Werbegabe im Sinne dieser Vorschrift sei. Der Begriff der Werbegabe sei wegen des Zwecks des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG und des Art. 94 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung bei Arzneimitteln durch weitgehende Eindämmung von Werbegeschenken zu begegnen, weit auszulegen. Er erfasse grundsätzlich jede im Zusammenhang mit der Werbung für Arzneimittel gewährte unentgeltliche Vergünstigung.

Danach unterfalle die Verlosung von Geldbörsen einer bekannten Marke, die aus Sicht der Adressaten weder erkennbar geringwertig seien noch in Beziehung zu ihrer beruflichen Tätigkeit stünden, auch unter Berücksichtigung der Berufsausübungsund Werbefreiheit der Beklagten dem Schutzzweck des § 7 Abs. 1 HWG. Der hervorgehobene Text auf der Titelseite der Beilage "Gewinnen Sie durch Wissen" und die Überschrift auf der Seite "Gewinnen Sie mit Aspirin" setzten aleatorische Anreize, die in sachfremder Weise zur intensiven Beschäftigung mit dem Inhalt der Beilage motivieren sollten. Die Werbeadressaten wüssten zwar, dass die Zuwendung nur bei richtiger Beantwortung der Testfragen und entsprechendem Losglück zu erlangen sei. Das schließe aber nicht aus, dass die Gewinne als unentgeltliche Werbegaben der Beklagten aufgefasst würden. Ein nicht unbedeutender Effekt der Werbung trete bereits dadurch ein, dass deren Adressaten die Werbeschrift gründlich durchlesen müssten. Darin liege keine die Unentgeltlichkeit der Vergünstigung ausschließende wirtschaftlich adäquate Gegenleistung. Unerheblich sei, dass die Fragen vorliegend höhere Anforderungen an die Aufmerksamkeit und Auffassungsgabe der Gewinnspielteilnehmer stellten als in anderen Fällen.

Die durch den aleatorischen Anreiz geförderte intensive Beschäftigung des Apothekenpersonals mit dem beworbenen Präparat verstärke eine vorhandene positiv geprägte Beziehung zu dem Produkt und seinem Anbieter und begründe die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung. Da eine Imagewerbung genüge, sei es unerheblich, dass die Gewinnspielteilnahme nicht unmittelbar an den Erwerb des Produkts oder seine Abgabe an Apothekenkunden gekoppelt sei. Eine bei verfassungskonformer Auslegung des § 7 Abs. 1 HWG möglicherweise auch erforderliche wenigstens mittelbare Gesundheitsgefahr folge daraus, dass die Werbeadressaten das beworbene Mittel in der Meinung, seine Vor- und Nachteile nun genau zu kennen, auch in Fällen empfehlen könnten, in denen ein Arzt konsultiert werden sollte.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage. Das Berufungsgericht hat zwar mit Recht angenommen, dass sich aus der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG nicht im Umkehrschluss ergibt, dass innerhalb der Fachkreise mit Gewinnspielen geworben werden darf (dazu unter II 1). Die auf §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 HWG und § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG gestützte Klage hat aber deshalb keinen Erfolg, weil die Gewinne, die die Beklagte bei dem von ihr veranstalteten Gewinnspiel ankündigt, keine Werbegaben im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG darstellen (dazu unter II 2).

1. Aus der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG, wonach außerhalb der Fachkreise im Sinne des § 2 HWG für Arzneimittel nicht mit Preis-ausschreiben, Verlosungen oder anderen Verfahren geworben werden darf, deren Ergebnis vom Zufall abhängt, sofern diese Maßnahmen oder Verfahren einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten, lässt sich nicht der Umkehrschluss ziehen, dass Preisausschreiben innerhalb der Fachkreise generell erlaubt sind (vgl. OLG Hamburg, GRUR 1979, 726, 727; OLG Karlsruhe, WRP 2001, 562, 566; OLG Köln, GRUR-RR 2011, 380; OLG Koblenz, MD 2012, 212; OLG Nürnberg, WRP 2012, 739; Doepner, HWG, 2. Aufl., § 7 Rn. 27; Pelchen/Anders in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 175. Lief. Mai 2009, § 7 HWG Rn. 3; aA Brixius in Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 4. Aufl., § 7 Rn. 23; Kleist/Albrecht/Hoffmann, HWG, 1998, § 7 Rn. 18 und § 11 Rn. 49; Glaab, PharmR 1979, 48, 49).

Das Heilmittelwerbegesetz, das dem Schutz der Verbraucher vor Fehlentscheidungen beim Arzneimittelgebrauch und vor wirtschaftlicher Übervorteilung dient (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. März 2007 1 BvR 1226/06, GRUR 2007, 720, 721 Geistheiler; BGH, Urteil vom 29. Mai 1991 I ZR 284/89, BGHZ 114, 354, 358 Katovit; Urteil vom 3. Dezember 1998 I ZR 119/96, BGHZ 140, 134, 139 f. Hormonpräparate; Urteil vom 26. März 2009 I ZR 213/06, BGHZ 180, 355 Rn. 17 Festbetragsfestsetzung; Doepner aaO Einl. Rn. 39; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4 Rn. 11, 133, jeweils mwN), enthält in seinem § 11 Abs. 1 Satz 1 einen Katalog von Werbemaßnahmen, die bei ihrer Anwendung gegenüber Personen, die nicht den Fachkreisen angehören, schon von ihrer Art her die durch das Heilmittelwerbegesetz geschützten Interessen beeinträchtigen. Darin erschöpft sich aber auch der Regelungsbereich des § 11 Abs. 1 Satz 1 HWG. Deshalb ist in dem durch seinen § 1 geregelten sachlichen Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes jeweils noch zu prüfen, ob die betreffende Werbemaßnahme gegen eine andere im Gesetz enthaltene Reglementierung des Werbeverhaltens verstößt.

2. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG seien erfüllt, hält dagegen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen oder sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, wenn nicht einer der Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 HWG eingreift.

b) Davon ist im rechtlichen Ansatz auch das Berufungsgericht ausgegangen und hat zutreffend angenommen, dass eine Werbegabe im Sinne dieser Bestimmung nur dann vorliegt, wenn ihr Anbieten, Ankündigen oder Gewähren zumindest die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten begründet (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2011 I ZR 13/10, GRUR 2011, 1163 Rn. 15 = WRP 2011, 1590 Arzneimitteldatenbank; Urteil vom 25. April 2012 I ZR 105/10, GRUR 2012, 1279 Rn. 24 = WRP 2012, 1517 DAS GROSSE RÄTSELHEFT, mwN). Zu Unrecht hat es aber angenommen, bereits die Teilnahme an dem in Rede stehenden Gewinnspiel habe die Teilnehmer unsachlich beeinflussen können, weil diese in der Meinung, die Vor- und Nachteile des Mittels Aspirin nunmehr genau zu kennen, es ihren Kunden auch in Fällen empfehlen würden, in denen die Konsultation eines Arztes angezeigt sei, um gesundheitliche Nachteile zu vermeiden. Das auf der Grundlage des Art. 94 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG geregelte grundsätzliche Verbot der Wertreklame soll (nur) solche Verkaufsförderungspraktiken verhindern, die geeignet sind, bei den Angehörigen der Gesundheits-berufe ein wirtschaftliches Interesse an der Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln zu wecken (BGH, GRUR 2011, 1163 Rn. 18 Arzneimitteldatenbank; GRUR 2012, 1279 Rn. 28 - DAS GROSSE RÄTSELHEFT). Im Streitfall ist jedoch weder festgestellt noch sonst ersichtlich, dass die beanstandete Werbung deren Adressaten veranlassen könnte, ihr Verhalten bei der Beratung der Kunden gerade im Blick auf die Gewinnchance, die sie durch die Teilnahme an dem Gewinnspiel der Beklagten erlangten, zu deren Gunsten unsachlich zu ändern (vgl. BGH, GRUR 2011, 1163 Rn. 19 f. Arzneimitteldatenbank).

Nicht ausreichend ist demgegenüber die vom Berufungsgericht als maßgeblich angesehene mögliche Beeinflussung der Werbeadressaten, die sich daraus ergab, dass diese sich mit den Angaben in der Werbebeilage näher befassen mussten, wenn sie mit Aussicht auf Gewinn an der Verlosung der Geldbörsen teilnehmen wollten. Diese Einflussnahme bewirkt nur, dass die Werbeadressaten den Inhalt der Werbebeilage zur Kenntnis nehmen. Dadurch wird aber kein wirtschaftliches Interesse an der Abgabe des beworbenen Arzneimittels geweckt, dem das in § 7 Abs. 1 HWG geregelte grundsätzliche Verbot der Wertreklame entgegenwirken soll.

Die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 2 HWG, wonach Werbegaben an Angehörige der Heilberufe unbeschadet des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG nur zulässig sind, wenn sie zur Verwendung in der ärztlichen, tierärztlichen oder pharmazeutischen Praxis bestimmt sind, knüpft an die Regelung im vorangehenden Satz 1 an. Sie setzt deshalb nicht anders als diese Regelung das Vorliegen einer Werbegabe voraus und ist damit im Streitfall, in dem es - wie ausgeführt - an einer solchen Werbegabe fehlt, nicht anwendbar.

III. Nach allem erweist sich die Klage als unbegründet. Aus diesem Grund ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 17.08.2011 - 84 O 77/11 -
OLG Köln, Entscheidung vom 23.03.2012 - 6 U 189/11 -