Die Bewerbung von Nahrungsmitteln und insbesondere Nahrungsergänzungsmitteln mit gesundheitsbezogenen Angaben ist allgegenwärtig. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der gesetzlichen Zulässigkeit derartiger Angaben am Beispiel des Stoffes Cranberry.
Man muss zugeben, sie hat die Lebensmittelbranche in Aufruhr gebracht: die Health Claim-Verordnung (Verordnung (EG) 1924/2006). Marktbeherrschende Grundsätze wurden über den Haufen geworfen. Plötzlich sollen nur noch solche gesundheitsbezogenen Aussagen zulässig sein, die seitens der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), in Form einer weiteren Verordnung, ausdrücklich erlaubt wurden. Ruhe brachte alleine das Warten auf diese. 6 Jahre dauerte es, bis die erste Verordnung verkündet wurde in Form der Verordnung (EU) 432/2012 (zwischenzeitlich ergänzt durch die Verordnungen (EU) Nr. 440/2011 sowie Nr. 536/2013). Für die ersten 69 Stoffe bzw. Substanzen, Lebensmittel oder Lebensmittelkategorien bestand nun Klarheit in Form von zugelassenen Claims. Damit ging auch die Gewissheit darüber einher, für welche Stoffe keine Claims zugelassen wurden. Den Unternehmen blieb nach Veröffentlichung der Liste genau 6 Monate Zeit, um die Werbeaussagen (Claims) umzustellen. Aus Sicht einiger Unternehmen blieb der Bereich der pflanzlichen Stoffe und pflanzlichen Zubereitungen (Botanicals) ungewiss. Daher warb man weiter mit den altbekannten Claims. Dass die Ungewissheit ein Trugschluss in sich birgt, soll nachfolgender Beitrag an einem prägnanten Beispiel des Stoffes Cranberry aufzeigen.
I. Die Übergangsvorschrift
Für alle Botanicals, zu denen auch Cranberry gehört, hat die EU-Kommission das Genehmigungsverfahren zeitgleich zur VO (EU) 432/2012 ausgesetzt. Für diese Stoffe soll eine weitere Übergangsfrist im Sinne des Art. 28 Abs. 5 der VO (EU) 1924/2006 gelten. Diese Übergangsfrist führt jedoch nicht dazu, dass für Botanicals aus der Health Claims-Verordnung noch keine Regelungen zur Anwendung kommen können.
Denn auch diese Stoffe unterliegen bis zum Abschluss der Verfahren in Form der Veröffentlichung einer ersten Liste als Verordnung, der Regelung des Art. 13 Abs. 1 Lit. a) der VO (EG) 1924/2006. Hiernach dürfen gesundheitsbezogene Angaben bis zur Annahme der in Art. 13 Abs. 3 der VO (EG) 1924/2006 genannten Liste unter Verantwortung von Lebensmittelunternehmern nur verwendet werden, wenn diese Angaben der Health Claim-Verordnung und den einschlägigen einzelstaatlichen Vorschriften entsprechen.
II. Die Folgen
In der Folge ist die Übergangsvorschrift für Botanicals zwar anwendbar. Sie stellt aber keinen Erlaubnistatbestand dar, sondern ein Verbot, das lediglich einen Erlaubnisvorbehalt enthält. Nicht ausdrücklich zugelassene Claims sind im Kontext der Botanicals nur erlaubt, wenn diese Claims – neben den nationalen Regelungen – den besonderen Vorgaben der Health Claims-Verordnung entsprechen. Zu beachten ist insbesondere Art. 5 der VO (EG) 1924/2006. So ist gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a) der VO (EG) 1924/2006 die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben nur zulässig, wenn anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen ist, dass der Wirkstoff, auf den sich die jeweiligen Angaben beziehen, die beworbene positive physiologische Wirkung hat.
Dieser Wirksamkeitsnachweis obliegt nicht nur dem herstellenden sondern auch dem werbenden Unternehmen. Die Nachweispflicht obliegt all denen, die sich die gesundheitsbezogenen Angaben im Rahmen der Werbung oder auf der Produktverpackung zu Nutze machen. Dabei handelt es sich um einen Grundsatz, der seit jeher in der Rechtsprechung gelebt wird.[1]
Im Rahmen der Health-Claim-Verordnung wird dieser Grundsatz in der Regelung des Art. 6 bekräftigt und entspricht dem Leitbild des europäischen Verbrauchers. So sind überall dort, wo in der Werbung auf die Gesundheit Bezug genommen wird, besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen. Dies ergibt sich auch aus dem Erwägungsgrund Nr. 16 der VO (EG) 1924/2006.[2]
Letztlich hat der Anbieter des jeweiligen Lebensmittels die ausgelobte Wirksamkeit bzw. die Wirkungen nach der Maßgabe der Regelung der Art. 5 Abs. 1 lit. a), 6 der VO 1924/2006 zu erbringen und die Beweislast zu tragen.[3] Der Anbieter muss daher zum Zeitpunkt der Verwendung der einzelnen Aussagen (Claims) in der Lage sein, diese nach dem in der Health-Claims-Verordnung normierten Regel-Ausnahmeverhältnis (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt) mit allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu belegen.
III. Wissenschaftlicher Erkenntnisse
Problematisch ist, dass in einer Vielzahl von Fällen dieser Nachweispflicht nicht nachgekommen werden kann. Zahlreiche Anbieter stützen ihre Claims auf Angaben oder allgemeine Erfahrungswerte oder gar historisch Überliefertem. Dies reicht jedoch – unabhängig von der Frage der Anforderungen an Studien an sich - nicht aus, um einen wissenschaftlichen Nachweis zu erbringen. Ein wissenschaftlicher Nachweis bspw. zu dem Stoff Cranberry kann auch nicht auf allgemeine Angaben zu dem Stoff Cranberry an sich gestützt werden. Vielmehr ist erforderlich, dass Daten vorliegen, die entweder das in Rede stehende Produkt betreffen oder dass die Zusammensetzung des beworbenen Produkts genau der des untersuchten Produktes/Extraktes entspricht oder es muss wissenschaftlich gesichert belegt werden können, dass die inhaltliche Unterscheidung keinen Einfluss auf die Wirkungsweise hat.
Dass allgemein gehaltene Ausführungen im Bereich der Botanicals als wissenschaftliche Nachweise nicht ausreichen, hat bereits das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in seinem Vorwort zur Stoffliste der Kategorie „Pflanzen und Pflanzenteile“ festgestellt:
"In der hier vorliegenden Stoffliste der Kategorie „Pflanzen und Pflanzenteile“ wurden diese nur als solche betrachtet und kategorisiert. Dies entspricht der üblichen Praxis in Fachbüchern bzw. in vergleichbaren Listen anderer Mitgliedsstaaten. Die vorgenommenen Einstufungen gelten insofern nicht für Zubereitungen aus diesen Pflanzen(teilen), wie z. B. Extrakte oder Isolate, da diese in ihrer Zusammensetzung, insbesondere bezogen auf die ernährungsphysiologischen und toxikologischen Eigenschaften, nicht mehr ohne Weiteres mit den Ausgangsstoffen vergleichbar sind. Ob die Einstufung der Pflanzen(teile) dennoch auf Zubereitungen daraus übertragbar ist, muss für jede Zubereitung im Einzelfall geprüft werden."[4]
Selbst wenn also allgemein festgestellt sein mag, dass ein bestimmter Bestandteil einer Pflanze eine bestimmte Wirkung auf den Organismus hat, bedeutet dies nicht, dass die Wirkung auch in einem bestimmten Produkt vorliegt.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Zeitpunkt zu dem die wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen müssen. Der Werbende kann sich nur auf solche gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse berufen, die im Zeitpunkt der Werbung bereits vorlagen. Sie müssen ihm mit der Freigabe der Werbung also bekannt gewesen sein. In der Folge reicht es nicht aus, wenn ein wettbewerbsrechtliches Verfahren abgewartet wird, um in diesem dann die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu beantragen. Eine Beweisführung durch erst zu gewinnende wissenschaftliche Erkenntnisse kommt nicht in Betracht. Wäre dies erlaubt, hätte der Werbende die Möglichkeit, Behauptungen zu Wirkungen seines Produkts zunächst ohne eine derartige Absicherung aufzustellen. Eben dies ist unzulässig[5]. Dies gilt entsprechend, wenn als Beweis die Vernehmung eines sachverständigen Zeugen angeboten wird.
IV. Die Einschätzungen der EFSA
Selbst wenn die Übergangsfrist läuft, darf nicht vergessen werden, dass die EFSA ihre Prüfungen fortsetzt bzw. zum Teil bereits abgeschlossenen hat. Ihre Erkenntnisse sind im Internet abrufbar. Die Prüfungen der EFSA basieren auf den im Zuge der Anträge eingereichten Studien, aber auch auf der Unterstützung externer Sachverständigen. Allein in der Bundesrepublik Deutschland stehen mehr als 300 unabhängige Gutachter zur Verfügung, die die bei der EFSA eingehenden Anträge bewerten.
Kommt die EFSA zu dem Ergebnis, dass ein bestimmter Claim wissenschaftlich nicht nachweisbar ist, wird es für den Anbieter schwer. Denn für die entscheidenden Richter haben Entscheidungen von unabhängigen Behörden und Stellen ein großes, mithin ein größeres Gewicht, als dies u.U. dem Sachvortrag einer Partei zukommt.
V. Cranberry
Als bei Beispiel sollen hier einmal die Prüfergebnisse der EFSA zu dem Stoff Cranberry dienen.
Fragt man den Verbraucher, welchem Teil des Körpers Cranberry helfen kann, wird die überwiegende Anzahl der weiblichen Verbraucher sagen: Blase und Harnwege. Die Zahl der Produkte, die in diesem Kontext auf dem Markt ist, ist kaum zu überblicken. Nahrungsergänzungsmittel jeglicher Couleur schmücken sich im Zusammenhang mit der Einnahme von Cranberry mit einer Wirkung auf die Blase und die Harnwege. Wer auch immer die dahingehenden Claims in die Welt gesetzt hat, er war erfolgreich: Cranberry = Blase (laut einer Vielzahl der Verbraucher). Dass dies ein Trugschluss ist, zeigte nun die EFSA mit eindeutigen Ergebnissen auf.
Bislang wurden alle beantragten Claims von der EFSA als unzulässig, da unbegründet abgewiesen. Die abgelehnten Claims erfassen nicht nur solche, die eine antibakterielle Wirkung (Blasenentzündung) versprechen. Es wurden auch solche Claims abgelehnt, die nur einen eher „weichen“ Aussagekern haben, wie bspw. die „Blasengesundheit“.
Claim type | Nutrient, substance, food or food category | Claim | Conditions of use of the claim / Restrictions of use / Reasons for non-authorisation | Health relationship | EFSA opinion reference / Journal reference | Status |
Art.13(1) | Phenol compounds of cranberry and lingonberry (catechins, flavonoids, phenolic acids, anthocyanins, lignans) + ascorbic acid | Cranberry-lingonberry juice contains natural phenolic compounds that are health-promoting antioxidants. | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed, this claimed effect for this food is not a beneficial physiological effect as required by the Regulation. | Antioxidant, antioxidant content, and antioxidant properties | 2010;8(2):1489 | Non-authorised |
Vaccinium macrocarpon (Common Name : Cranberry) | Contains antioxidant/s; Is a source of antioxdiant/s. With antioxidant/s. Contains naturally occuring antioxidants Antioxidants help protect you from free radicals Antioxidants help protect your cells and tissues from oxidation | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed, this claimed effect for this food has not been substantiated. | Protection of DNA, proteins and lipids from oxidative damage | Non-authorised | ||
Vaccinium macrocarpon (Common Name : Cranberry) | - Contributes to the natural defences of the body - support of the body´s defence - supports the immune system | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed, this claimed effect for this food is not sufficiently defined to be able to be assessed and the claim could not therefore be substantiated. | “Immune function/immune system” | Non-authorised | ||
Flavonoids in cranberry juice | Flavonoids are natural, health-promoting antioxidants. | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed, this food is not sufficiently characterised for a scientific assessment of this claimed effect and the claim could not therefore be substantiated. | not validated | Non-authorised | ||
Proanthocyanidins in cranberry juice | Cranberry helps to inhibit the attachment of certain E-coli bacteria to the urinary tract | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed, the evidence provided is insufficient to substantiate this claimed effect for this food. | Defence against bacterial pathogens in the lower urinary tract | Non-authorised | ||
Cranberry extract powder (Vaccinium macrocarpon) | Helps to increase growth of beneficial microflora. | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed, the evidence provided is insufficient to substantiate this claimed effect for this food. | Defence against bacterial pathogens in the lower urinary tract | Non-authorised | ||
Vaccinium macrocarpon, oxycoccus (Common Name : Cranberry) | Helps to maintain the health of the urinary system / contributes to urinary tract health / has a beneficial effect on the urinary system / canneberge or Vaccinium macrocarpon by concentrated juices, by food supplements and a juice cocktail/nectar). | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed, the evidence provided is insufficient to substantiate this claimed effect for this food. | Defence against bacterial pathogens in the lower urinary tract | Non-authorised | ||
Food supplement /Food ingredient : Whole cranberry powder from North American Cranberry (Vaccinium macrocarpon) Early Black species. | Helps to maintain the health of the urinary system. Contributes to urinary tract health. Has a beneficial effect on the urinary system. Helps to eliminate pathogenic bacteria from urinary tract. | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed, the evidence provided is insufficient to substantiate this claimed effect for this food. | Defence against bacterial pathogens in the lower urinary tract | Non-authorised | ||
Vaccinium macrocarpon, oxycoccus (Cranberry) | Helps maintain a healthy heart and blood vessels. | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed, this claimed effect for this food is not sufficiently defined to be able to be assessed and the claim could not therefore be substantiated. | “Heart health” | Non-authorised | ||
Name of Food product: Sqeez Cranberry Juice Drink Description of food in terms of food legislation categories: food not covered by specific food legislation Was food on Irish market before 1st July 2007: Yes | Exact wording of claim as it appears on product: More recently, emerging research suggests that cranberries may also be powerful protectors of our health in other areas of the body, such as the stomach, gums and even the heart. Is claim a picture: No. | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed, this claimed effect for this food is not sufficiently defined to be able to be assessed and the claim could not therefore be substantiated. | “Powerful protectors of our gums” | Non-authorised | ||
Name of Food product: Sqeez Cranberry and Orange Juice Drink, Sqeez Light Cranberry Juice Drink Description of food in terms of food legislation categories: food not covered by specific food legislation Was food on Irish market before 1st July 2007: Yes | Exact wording of claim as it appears on product: More recently, emerging research suggests that cranberries may also be powerful protectors of our health in other areas of the body, such as the stomach, gums and even the heart. | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed, this claimed effect for this food is not sufficiently defined to be able to be assessed and the claim could not therefore be substantiated. | “Powerful protectors of the stomach” | Non-authorised | ||
Cranberry (Lingonberry) juice, (Vaccinium vitis idaea, Vaccinium macrocarpon) | Cranberry juice helps to keep the urinary system in a healthy condition; Lingonberry juice has a positive efect on the urinary tract; | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed, this food is not sufficiently characterised for a scientific assessment of this claimed effect and the claim could not therefore be substantiated. | not validated | Non-authorised | ||
Cranberry (Lingonberry) juice, (Vaccinium vitis-idaea, Vaccinium macrocarpon) | Cranberry juice helps to keep the urinary system in a healthy condition; Lingonberry juice has a positive effect on the urinary tract; Cranberry juice has a beneficial effect on the urinary system | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed, this food is not sufficiently characterised for a scientific assessment of this claimed effect and the claim could not therefore be substantiated. | not validated | Non-authorised | ||
Cranberry extract powder (Vaccinium macrocarpon) | natural antioxidant, protect organism from oxidative demage, natural way to avoid risks caused by oxidation and peroxidation process | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed, this claimed effect for this food has not been substantiated. | protection of DNA, proteins and lipids from oxidative damage | Non-authorised | ||
Ocean Spray Cranberry Products®, juice drinks and sweetened dried berries Craisins® | Regular consumption of 2 servings per day of an Ocean Spray product each containing typically 80 mg cranberry proanthocyanidins helps reduce the risk of urinary tract infection in women by inhibiting the adhesion of certain bacteria in the urinary tract | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed,<br />this claimed effect for this food has not been substantiated |
| Non-authorised | ||
Uroval®, food supplement containing cranberry extract and D-mannose | Cranberry extract and D-mannose, the main active ingredients of the food supplement Uroval®, eliminate the adhesion of harmful bacteria to the bladder wall. The adhesion of harmful bacteria to the bladder wall is the main risk factor in the development of urinary tract infections | Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed,<br />this claimed effect for this food has not been substantiated |
| Non-authorised |
Die Übersicht macht deutlich, dass die EFSA insbesondere solche Angaben abgelehnt hat, die einen Zusammenhang von Cranberry mit der allgemeinen Gesundheit und -erhaltung von Blase und Harnwegen herstellen.
In der Folge sind alle Claims, die eine Verbindung der Substanz Cranberry mit der Kräftigung der Blasenmuskulatur, der Beruhigung der nervösen Blase, der Stärkung des Abwehrsystems von Blase und Harnwegen und der Unterstützung bzw. Stärkung des Blasen-Beckenboden-Systems herstellen, äußerst kritisch um nicht zu sagen unzulässig. Lehnt die EFSA eine wissenschaftliche Nachweisbarkeit ab, stellt sich die Frage, wie dieser Nachweis nun – entgegen der Einschätzung der EFSA – durch einen einzelnen Anbieter geführt werden können soll. Denkbar wäre nur, dass diesem Anbieter Studien vorliegen, die der EFSA im Zuge der Genehmigungsverfahren nicht bekannt geworden sind [6]. Da die EFSA jedoch basierend auf studienbasierten Anträge unter Hinzuziehung von externen Sachverständigen agiert, ist dies relativ unwahrscheinlich.
Für den unwahrscheinlichen Fall des Wissensvorsprungs eines einzelnen Anbieters, bedarf es daher der genauen Durchsicht der Einschätzungen der EFSA. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die dem Anbieter vorliegende (positive) Studie berücksichtigt wurde und wenn ja, warum diese abgelehnt wurde.
VI. Gegenwart und Zukunft
In der Zukunft werden auch Verordnungen, die uns Listen zu zulässigen Angaben für Botanicals schenken, auf uns warten. Wann wir auf diese treffen werden ist ungewiss. Sicher ist nur, dass die EFSA nicht aufhören wird, Anträge zu bearbeiten. Auch wenn für Botanicals eine Übergangsvorschrift gilt, muss die Arbeit der EFSA in kurzen Zeitabständen beobachtet werden, um kurzfristig reagieren zu können; schlimmstenfalls sind einzelne Claims zu streichen. Denn die Einschätzungen der EFSA stehen für jeden zugänglich im Raum. Bei abschlägigen Ergebnissen wird es schwer, die geforderten wissenschaftlichen Erkenntnisse nachzuweisen.
Ein Hoffnungsschimmer bleibt: ist man mit dem Bereich der Health Claims vertraut, lassen sich mitunter auch Türen öffnen, die Produkte wieder claimfähig machen.
Fussnoten:
[1] BGH, Urteil vom 7. 3. 1991, I ZR 127/89, GRUR 1991, 848 - Rheumalind II; Senat, Urteil vom 16. 12. 2010, 3 U 161/09, GRUR-RR 2011, 376 - Thromboseprophylaxe der Extraklasse; Urteil des Senats vom 18. 9. 2003, 3 U 70/02, GRUR-RR 2004, 88 - Chitosan; Urteil des Senats vom 26. 8. 2010, 3 U 158/09, PharmR 2011, 24 - "Die Salzform spielt keine Rolle"; KG Berlin, Beschluss vom 11. 8. 2011, 5 U 115/09, MD 2011, 714 - VitalfeldTherapie; OLG Frankfurt, Urteil vom 21. 07. 2005, 6 U 48/05, GRUR-RR 2005, 394 – Bluttest.
[2] OLG Zweibrücken, Beschluss vom 16. 12. 2011, 4 U 148/11, MD 2012, 328 - Unterstützt den Abbau von Körperfett.
[3] vgl. auch OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 10. 11. 2011, 6 U 174/10, MD 2012, 291; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. 3. 2011, 20 U 85/10, BeckRS 2011, 14102; KG, Beschluss vom 2. 11. 2010, 5 U 83/09, BeckRS 2011, 00956; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 2. 7. 2010, 4 U 184/09, MD 2010, 883; OLG Hamm, Urteil vom 29. 9. 2011, 4 U 71/11, MD 2012,57 - Collagen - Lift - Drink). Insofern gilt nichts anderes als für den Nachweis wissenschaftlicher Absicherung gem. § 11 Abs. 1 LFGB.
[4] www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/01_Lebensmittel/stoffliste/stoffliste_vorwort.pdf
[5] KG, Beschluss vom 2. 11. 2010, 5 U 83/09; BeckRS 2011, 00956; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. 3. 2011, 20 U 85/10.
[6] LG München I, Beschluss vom 30.04.2010 – 33 O 5489/10.