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AG Frankfurt: Eine Maus in der Kabine eines Flugzeuges stellt keinen aussergewöhnlichen Umstand dar

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 20.04.2017, Az. 30 C 2105/16 (71) entschieden, dass eine Maus die in die Kabine eines Flugzeuges gelangt ist, keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Fluggastrechteverordnung darstellt, der die Fluggesellschaft von ihrer Verpflichtung einer Entschädigung befreit, wenn der Maus-Vorfall eine Annullierung oder größere Verspätung eines Fluges zur Folge hatte.

Amtsgericht Frankfurt am Main

Im Namen des Volkes
Urteil

Aktenzeichen: 30 C 2105/16 (71)

In dem Rechtsstreit

Klägerin

gegen

Beklagte

hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch die Richterin am Amtsgericht Kielmann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2017 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.07.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil Ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung In Höhe von 110% des aus dem Ur-teil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ausgleichszahlung nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (im Folgenden: FluggastrechteVO) aus abgetretenem Recht des Fluggastes XX in Anspruch.

Der Fluggast hatte bei der Beklagten einen Flug von Bangkok über London (BA10) nach Frankfurt am Main (BA916) mit planmäßiger Ankunft am 22.04.2016 um 22.15 Uhr gebucht. Der Flug nach London hätte planmäßig um 18.25 Uhr landen sollen, landete tatsächlich aber erst um 20.42 Uhr. Dadurch versäumte der Fluggast seinen Anschlussflug nach Frankfurt am Main. Schließlich erreichte der Fluggast Frankfurt am Main erst am 23.04.2016 um 13.25 Uhr.

Die Klägerin hat die Beklagte unter Beifügung der Abtretungsanzeige mit Schreiben vom 01.07.2016 zur Zahlung aufgefordert. Mit Schreiben vom 06.07.2016 wurde die Zahlung endgültig abgelehnt.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt unter Berufung auf einen außergewöhnlichen Umstand nach der FluggastrechteVO vor, auf dem Vorflug des Fluges BA10 von London nach Bangkok mit der Flugnummer BA9 sei während des Boardings der Passagiere eine Maus an Bord gesichtet worden. Da eine Maus ein hohes Sicherheitsrisiko für die Elektronik und ein Infektionsrisiko darstelle, habe das Fluggerät fluguntauglich geschrieben und untersucht werden müssen. Die Maus sei am späten Abend in der Bordküche im Heck gefunden worden. Anstelle des vorgesehenen Fluggerätes sei ein Ersatzfluggerät bereitgestellt worden, wobei dieses Fluggerät erst betankt und mit Catering hätte versorgt werden müssen. Der Austausch des Fluggerätes einschließlich des Umladens des Gepäcks habe letztlich die verspätete Ankunft des ersten Teilfluges in London nach sich gezogen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstige Aktenbestandteile Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenen Recht einen Anspruch auf Zahlung en Ausgleichsleistung in Höhe von 600,00 € gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c), Art. 6 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Satz 1 lit. c), Satz 2 FluggastrechteVO, denn der Fluggast erreichte das Endziel Frankfurt am Main erst mit einer Verspätung von mehr als 3 Stunden. Bei einer großen Verspätung, welche bei einem Erreichen des Endziels später als 3 Stunden nach der geplanten Ankunftszeit - wie vorliegend - vorliegt, steht dem Flugpassagier bzw. der Klägerin aus. abgetretenem Recht des Fluggastes ein Ausgleichsanspruch entsprechend Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO zu (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2010, Aktenzeichen: Xa ZR 95/06; EuGH, Urteile vom 19.11.2009, Aktenzeichen: Rs. C-402/07, und 23.10.2012, Aktenzeichen: Rs. C-581/10 und Rs. C-629/10, jeweils zitiert nach juris), die im vorliegenden Fall aufgrund der maßgeblichen Entfernung 600,00 € beträgt.

Die Klägerin kann entgegen den Ausführungen der Beklagten die Ausgleichszahlung aus abgetretenem Recht beanspruchen. Denn die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände gemäß Art 5 Abs. 3 FluggastrechteVO berufen. Dabei kann der Vortrag der Beklagten als gegeben unterstellt werden. Bei außergewöhnlichen Umständen handelt es sich um solche, die sich außerhalb der normalen Betriebstätigkeit des Luftfahrtunternehmens ereignen und die von dem Luftfahrtunternehmen nicht zu beherrschen sind (vgl. Urteil des BGH vom 21.8.2012, Aktenzeichen: X ZR 138/11, juris). Es handelt sich um Ereignisse, die „nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. Es sollen Ereignisse erfasst werden, die nicht zum Luftverkehr gehören, sondern als - jedenfalls in der Regel von außen kommende - besondere Umstände seine ordnungs- und plangemäße Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können. Umstände, die im Zusammenhang mit einem den Luftverkehr störenden Vorfall ... auftreten, können nur dann als außergewöhnlich im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung qualifiziert werden, wenn sie auf ein Vorkommnis zurückgehen, das wie die in Erwägungsgrund 14 der Verordnung aufgezählten nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und aufgrund seiner Natur oder Ursache von diesem tatsächlich nicht zu beherrschen ist“ (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2008 - C549/67, NJW 2009, 347 = RRa 2009, 35 Rn. 23 - Wallentin-Hermann/Alitalia; Urteil vom 19. November 2009 - C-402/07, NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 - Sturgeon u.a./Condor; Urteil vom 31. Januar 2013- C-12/11, NJW 2013, 921 = RRa 2013, 81 - McDonagh/Ryanair).

Unter Beachtung dieser Grundsätze führt eine Maus an Bord, die zur Fluguntauglichkeit des Fluggerätes führt, nicht zu einem entlastenden außergewöhnlichen Umstand, auch nicht unter dem Aspekt, dass es sich hierbei um ein seltenes Ereignis handelt. Entscheidend ist vorliegend, dass die Maus ihren Weg ins Fluggerät innerhalb der Betriebstätigkeit der Beklagten gefunden hat. Die Maus kann ihren Weg an Bord denknotwendig nur während geöffneter Türen und damit während eines Beladungsvorgangs oder während des Boardings der Passagiere gefunden haben. Dies ereignete sich somit während der Betriebstätigkeit der Beklagten und innerhalb des laufenden Flughafenbetriebes. Soweit die Beklagte argumentiert, eine Maus an Bord entspreche nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge spricht dies nicht gegen ein Geschehnis innerhalb der Betriebstätigkeit, denn die Beladung und Bestückung eines Fluggerätes ist Teil der Betriebstätigkeit der Beklagten (vgl. auch W. Sauer, RRa, 2014, S. 266 ff., S. 271, zu dem dort erwähnten Umstand einer Maus an Bord unter Hinweis auf ein Urteil der 24. ZK des LG Frankfurt am Main vom 12.06.2012, Az.: 2-24 S 227/11). Auch selten vorkommende Ereignisse werden nicht dadurch zu einem außerhalb der Betriebstätigkeit liegendes Ereignis, weil sie in zeitlicher Hinsicht nicht oft vorkommen (vgl, BGH, Urteil vom 20. Dezember 2016 - X ZR 77/15 -, juris), zumal das vorliegende Ereignis nicht außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit liegt (vgl. auch zu einem „Maus-an-Bord-Fall“ AG Düsseldorf, Urteil vom 08.10.2014, - 47 C 17099/13-, juris). Abgesehen davon, dass die Gefahr, dass eine Maus oder auch andere Tiere während eines Beladungsvorgangs an Bord gelangen, durch geeignete durch einen Kammerjäger zu treffende Maßnahmen verhindert oder zumindest Minimiert werden können, hängt die Entscheidung, ob ein Ereignis als außergewöhnlicher Umstand zu werten ist, nicht davon ab, ob das Ereignis verhindert werden kann, sondern ob es sich als ein sich innerhalb der Betriebstätigkeit ereignender oder ein von außen kommender Umstand darstellt (vgl. BGH .a.a.0).

Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus § 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

Unterschriften