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AG Frankfurt zur Frage wann ein Vogelschlag einen außergewöhnlichen Umstand iSd. FluggastrechteVO darstellt

Das Amtsgericht Frankfurt a.M. hat einem Kläger dessen Flug aufgrund eines am Vortag entdeckten Vogelschlages am Triebwerk annulliert wurde mit Urteil vom 17.01.2014 (Az. 30 C 2462/13) einen Ausgleichsanspruch i.S.d. EU-Fluggastverordnung sowie Ersatz von Rechtsanwaltskosten zur vorprozessualen Durchsetzung dieses Anspruches zugesprochen.

Obwohl die Fluggesellschaft zu ihrer Verteidigung vorgetragen hatte, dass die Annullierung auf einen Vogelschlag, der "offensichtlich" beim Landeanflug auf den Abflugflughafen am Vortag entstanden sein musste, zurückzuführen sei und deshalb auf einen Ausgleichsanspruch ausschließenden "außergewöhnlichem Umstand" im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Fluggastverordnung beruhe, entschied das Gericht zu Gunsten des Klägers.

Zum Verständnis: Begriff der „außergewöhnlichen Umstände“
Der Begriff der außergewöhnlichen Umstände, der weder in Art. 2 noch in sonstigen Vorschriften der Verordnung (EG) 261/04 definiert ist, bedeutet nach seinem Wortlaut, dass die gegebenenfalls zu einem Wegfall der Ausgleichspflicht führenden Umstände außergewöhnlich sind, d.h. nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. Ein technischen Defekt auftreten, kann nur dann als außergewöhnlich im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) 261/04 qualifiziert werden, wenn er auf ein Vorkommnis zurückgehen, das wie die in Erwägungsgrund 14 der Verordnung (EG) 261/04 aufgezählten nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und aufgrund seiner Natur oder Ursache von diesem tatsächlich nicht zu beherrschen ist" (vgl. BGH, Urteil vom 24.09.2013 - X ZR 160/12).

Das Gericht führte zur Begründung aus, dass die Fluggesellschaft zum einen nicht substantiiert vorgetragen noch bewiesen habe, dass der Vogelschlag auf dem unmittelbaren Vorflug am Abend des Vortages und nicht schon früher aufgetreten sei und zum anderen nicht deutlich gemacht habe ob dieser vermeintliche außergewöhnliche Umstand nicht durch zumutbare Maßnahmen hätten verhindert werden können. So könnte es der Fluggesellschaft schon aufgrund der Zeitspanne zwischen der vermeintlichen Schädigung des Triebwerkes und des Abflugs des annullierten Fluges am Morgen des folgenden Tages insbesondere möglich gewesen sein das Flugzeug rechtzeitig zu reparieren oder eine Ersatzmaschine einfliegen zu lassen. Die Fluggesellschaft beließ es lediglich bei der nicht belegten und nicht belegbaren Behauptung, die Beschädigung des Triebwerks durch den Vogelschlag sei „offensichtlich“ bei der Landung des Vorfluges entstanden. Dies sei nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend um sich auf „außergewöhnliche Umstände“  i.S.d. Art. 5 Abs. 3 der EU-Fluggastverordnung zu berufen.

Ferner hat das Gericht klargestellt, dass die Fluggesellschaft auch die Kosten des Klägers für die Beauftragung eines Rechtsanwaltes vor Klageerhebung zu tragen hat. Da eine Geltendmachung des Anspruches durch wiederholte Mahnungen unter Fristsetzung gegen die Fluggesellschaft durch den Kläger selbst erfolglos geblieben ist, war er berechtigt zur Durchsetzung seines Anspruches einen Anwalt auch bereits vor Klageerhebung zu beauftragen. Die entstandenen Kosten für seinen Rechtsbeistand sind zur zweckentsprechenden Durchsetzung seines Anspruches erforderlich gewesen und müssen ihm mithin durch die Fluggesellschaft ersetzt werden. Dies wird insbesondere dadurch verdeutlicht, dass die anwaltliche Beauftragung nur erforderlich wurde, weil die Fluggesellschaft nicht von sich aus auf die Mahnung des Klägers reagiert hat.


Orientierungssatz

1. Beruft sich ein Luftverkehrsunternehmen auf einen Vogelschlag als "außergewöhnlichen Umstand", so muss es substantiiert darlegen und beweisen, zu welchem Zeitpunkt der Vogelschlag
aufgetreten ist. Die geäußerte Vermutung, dass der Vogelschlag "offensichtlich" beim Landeanflug des Vorflugs aufgetreten sei, reicht nicht aus.(Rn.16)

2. Selbst bei Auftreten des Vogelschlags auf dem Vorflug obliegt dem Luftverkehrsunternehmen ein entsprechender Vortrag darüber, ob es nicht angesichts der Zeispanne zwischen der Landung des für den streitgegenständlichen Flug vorgesehenen Fluggeräts am Abend zuvor und dem geplanten Abflug am nächsten Morgen möglich gewesen wäre, das Flugzeug zu reparieren oder gar ein Ersatzflugzeug bereitzustellen.(Rn.18)

3. Im Hinblick auf die Flugannullierung handelt es sich bei vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten um keinen weitergehenden Schadensersatzanspruch i.S.d. Art. 12 EGV 261/2004.(Rn.23)


Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 400,- Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Kläger zu 1) bis 4) ab dem
12.10.2012 und für die Kläger zu 5) bis 8) ab 11.09.2012 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 5) bis 8) jeweils ¼ aus 229,55 Euro vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Die Kläger fordern die Zahlung einer Ausgleichsleistung nach der Fluggastverordnung in Höhe von jeweils 400,- Euro.

Die Kläger buchten jeweils einen Platz auf dem Flug Nr. ... von ... nach ... . Dieser sollte planmäßig am 04.08.2012 um 9.20 Uhr in München abfliegen und am 04.08.2012 um 13.50 Uhr in ...landen.

Nach der Landung des für den streitgegenständlichen Flug vorgesehenen Fluggeräts am Abend des 03.08.2012 entdeckten Techniker im Rahmen der täglichen Kontrolle Blutspuren am Motor, die auf einen Vogelschlag schließen ließen. Die Techniker nahmen eine Boroskop-Kontrolle vor.Der streitgegenständliche Flug wurde schließlich annulliert.

Die Kläger wurden mit Bussen nach ... überführt und flogen von dort nach ..., das sie erst mit einer Verspätung von 12 Stunden und 40 Minuten erreichten.

Die Kläger forderten die Beklagte vorgerichtlich mit Schreiben der Rechtsdienstleiste- ... zur Leistung von Ausgleichszahlungen in Höhe von jeweils 400,- Euro auf, die Kläger zu 1) bis 4) mit Schreiben vom 27.09.2012 unter Fristsetzung bis 11.10.2012 und die Kläger zu 5) bis 8) mitSchreiben vom 27.08.2012 unter Fristsetzung bis 10.09.2012. Die Kläger zu 5) bis 8) mahnten
die Zahlung anschließend noch einmal mit Rechtsanwaltsschreiben ihrer Prozessbevollmächtigten an.

Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen,

1. an sie jeweils 400,- Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Kläger zu 1) bis 4) ab dem 12.10.2012 und für die Kläger zu 5) bis 8) ab 11.09.2012 zu zahlen.

2. an die Kläger zu 5) bis 8) jeweils ¼ aus 229,55 Euro vorgerichtlich entstandenenRechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Vogelschlag habe die Hot-Section des Motors Nr. 1 in Flugrichtung betroffen und sei offensichtlich im Landeanflug auf ... aufgetreten. Bei der Boroskop-Kontrolle
habe sich herausgestellt, dass die Schaufel des Hockdruckkompressors derart beschädigt worden sei, dass sie habe repariert werden müssen.

Die Beklagte ist der Ansicht, das vorgerichtliche Rechtsanwaltsschreiben der Kläger zu 5) bis 8) stelle keine zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung dar. Sie erklärt vorsorglich die Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten auf eine etwaig zu zahlende Ausgleichsleistung gem. Art. 12 Fluggastverordnung.

Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 20.12.2013 durch Vernehmung des Zeugen .... Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 20.12.2013 auf Bl. 140 ff. d.A. verwiesen. Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Die Kläger zu 1) bis 8) haben gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichsleistung in Höhe von jeweils 400,- Euro aus Art. 5 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 b) VO EG Nr. 261/2004 (im Folgenden: Fluggast-VO).

Die Beklagte hat den durch die Kläger gebuchten Flug vom ... kurz vor dem Start annulliert, ohne die Kläger im Sinne des Art. 5 Abs. 1 c) Fluggast-VO rechtzeitig darüber zu informieren.

Es bestehen auch keine außergewöhnlichen Umstände, durch die sich die Beklagte gem. Art. 5 Abs. 3 Fluggast-VO enthaften könnte und leistungsfrei würde. Es kann dahinstehen, ob ein Vogelschlag auf dem unmittelbaren Vorflug des für den streitgegenständlichen Flug vorgesehenen Fluggeräts einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Fluggast-VO darstellen kann. Denn die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat weder substantiiert vorgetragen noch bewiesen, dass hier der Vogelschlag auf dem unmittelbaren Vorflug aufgetreten ist und nicht schon früher. Die Beklagte trägt - insoweit ihrer Sache selbst nicht sicher - lediglichvor, der Vogelschlag sei "offensichtlich" beim Landeanflug auf ... aufgetreten, ohne dies näher auszuführen und zu belegen.

Der Zeuge ..., der von den Vorgängen nur als Zeuge vom Hörensagen aufgrund der Einsicht in nicht selbst erstellte Unterlagen berichtete, konnte eine Beschädigung des Motors durch Vogelschlag beim Landeanflug auf ... nicht bestätigen. Er hat vielmehr bekundet, er könne nicht ausschließen, dass der Vogelschlag bereits auf dem Vor-vorflug oder einem noch früheren Flug aufgetreten sei.

Auch hat die Beklagte weder substantiiert vorgetragen noch bewiesen, dass sich die behaupteten außergewöhnlichen Umstände infolge von Vogelschlag auch dann nicht hätten vermeiden
lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Die Beklagte hätte insbesondere vortragen müssen, ob es nicht angesichts er Zeitspanne zwischen der Landung des für
den streitgegenständlichen Flug vorgesehenen Fluggeräts am Abend des 03.08.2013 und dem geplanten Abflug am Morgen des 04.08.2013 möglich gewesen wäre, das Fluggerät noch rechtzeitig zu reparieren oder eine Ersatzmaschine vom Heimatflughafen der Beklagten ... nach ...einzufliegen.

2. Die Kläger zu 5) bis 8) haben gegen die Beklagte zu je 1/4 Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,55 Euro (1,3 Geschäftsgebühr gem. Ziff. 2300 VV RVG aus Streitwert von 1.600,- Euro nebst Auslagenpauschale gem. Ziff. 7002 VV RVG und Mehrwertsteuer) gem. §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB. In dieser Höhe ist den Klägern ein Verzugsschaden entstanden.

a) Zum Zeitpunkt der Erstellung und Versendung des Rechtsanwaltsschreibens befand sich die Beklagte mit der Bezahlung der Entschädigung nach der Fluggastverordnung bereits in Verzug.
Denn die Ausgleichsforderung ist nach der klaren gesetzlichen Regelung in Art. 7 Fluggast-VO bezifferbar und mit Entstehen fällig (§ 271 BGB). Mit der Zahlung dieser fälligen Ausgleichsforderung ist die Beklagte spätestens mit Ablauf der in der Mahnung vom 27.08.2012 der durch die Kläger beauftragten ... bis 11.09.2012 gesetzten Frist in Verzug geraten (§ 286 Abs. 1 BGB).

b) Die vorgerichtliche Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs mit einem Rechtsanwaltsschreiben war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich (§ 249 BGB), nachdem
die Beklagte zuvor auf das Schreiben der ... vom 27.08.2012 hin nicht reagiert und die Schadensregulierung verzögert hatte (Palandt-Grüneberg, 71. Auflage 2012, § 249 Rn. 57). Die Kläger haben auch nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB verstoßen, indem sie ihre Prozessbevollmächtigten nicht sofort mit der Klageerhebung beauftragt haben.
Denn hier hatte zwar bereits die ... die Beklagte gemahnt. Dennoch war unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu erwarten, dass der Versuch einer außergerichtlichen Regulierung mit Hilfe eines vorgerichtlichen Rechtsanwaltsschreibens Erfolg bieten würde (so OLG Hamm NJW-RR 2006 S. 242). Denn die Beklagte hatte keine Einwendungen gegen den Anspruch vorgebracht und auch noch keine "endgültige und nicht mehr verhandelbare" Entscheidung getroffen. Daher war zu erwarten, dass bei kurzer Erläuterung von Gegenstand und Grund des erhobenen Anspruchs durch einen Rechtsanwalt in einem Forderungsschreiben unter Androhung der Klagedie Beklagte auch ohne sofortige Klage zahlen würde.

c) Den Klägern ist ein Schaden in Form eines Zahlungs- und nicht nur eines Freistellungsanspruchs entstanden (§ 250 S. 2 BGB). Denn in dem Klageabweisungsantrag der Beklagten betreffend
die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten liegt eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung, die eine vorherige Fristsetzung entbehrlich macht. Es kann auch
dahinstehen, ob die Prozessbevollmächtigen den Klägern zu 5) bis 8) eine Rechnung gestellt werden, da die Fälligkeit des Schadensersatzanspruchs davon nicht abhängt.

d) Der Schadensersatzanspruch ist auch nicht gem. Art. 12 Abs. 1 S. 2 Fluggast-VO auf die zu gewährende Ausgleichsleistung anzurechnen. Zum einen handelt es sich bei den vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten um keinen weiter gehenden Schadensersatzanspruch wegen der Flugannullierung. Zum anderen kann nach dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 S. 2 Fluggast- VO nur umgekehrt die bereits gewährte Ausgleichsleistung auf den weiter gehenden Schadensersatz angerechnet werden.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 3.200,- Euro