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BGHS Wien: Annullierung wegen Fehlfunktion der Software MCAS bei der Boing 737 Max kann außergewöhnlichen Umstand darstellen

Das Bezirksgericht für Handelssachen Wien hat mit Beschluss vom 12.09.2019 (Aktenzeichen 16 C 120/19t-9) entschieden, dass ein versteckter Herstellerfehler an einem Flugzeug, wie etwa die Fehlfunktion der Software MCAS bei den Flugzeugen des Typs 737 Max des Flugzeugbauers Boing, einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO darstellen kann, der die Fluggesellschaft von der Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung im Falle einer Annullierung, Verspätung oder Nichtbeförderung befreit.

Grundsätzlich stellen technische Defekte, die beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, keine außergewöhnlichen Umstände dar. Solche Defekte sind Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens. Für das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände“ ist entscheidend, ob das zugrundeliegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit vorkommendes Ereignis darstellt oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft völlig entzogen ist.

Ein versteckter Herstellerfehler, der die gesamte Flotte eines Flugzeugtyps betrifft, kann grundsätzlich als ein außergewöhnlicher Umstand angesehen werden. Im Unterschied zum technischen Defekt handelt es sich bei einem solchen versteckten Herstellerfehler nicht um einen singulären Defekt, sondern um einen Fehler, der bei der Herstellung einer ganzen Serie von Maschinen aufgetreten ist. Auf einen versteckten Herstellerfehler kann sich eine Fluggesellschaft nach der Rechtsprechung des EuGH aber nur berufen, wenn der Hersteller der Maschinen, aus denen die Flotte des betroffenen Luftfahrtunternehmens besteht, oder eine zuständige Behörde entdeckt, dass diese bereits in Betrieb genommenen Maschinen mit einem versteckten Fabrikationsfehler behaftet sind, der die Flugsicherheit beeinträchtigt.

Da in dem vom Bezirksgericht für Handelssachen Wien entschiedenen Fall ein Flugzeug des Typs Boing 737 Max betroffen war und von den weltweiten Flugaufsichtsbehörden Flugverbote für sämtliche Flugzeuge des Typs Boeing 737 Max ausgesprochen worden waren, die vor allem auf eine Fehlfunktion der Software MCAS gründeten, ist das Bezirksgericht von einem versteckten Herstellerfehler asugegangen. Insoweit hätte sich die in Anspruch genommene Fluggesellschaft grundsätzlich auf einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO berufen und die Zahlung einer Entschädigung an die Passagiere wegen der Annullierung des mit einem Flugzeug des Typs Boing 737 Max geplanten Anschlussfluges verweigern können.

Da es der Fluggesellschaft im Prozess allerdings nicht gelungen ist, nachzuweisen, dass sie alle Ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Annullierung zu verhindern, hat das Bezirksgericht die Fluggesellschaft letztlich doch zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt.


Aus dem Urteil des Bezirksgerichts vom 12.09.2019 (Aktenzeichen 16 C 120/19t-9)

Tenor: 


Das Vorbringen vom 09. 09. 2019 betreffend den Sitz der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Begründung:

I. Das Vorbringen wurde zur Zuständigkeit im Zuge von Einwendungen gegen die Kostennote nach Schluss der mündlichen Verhandlung und somit verspätet erstattet.

II. erkennt in derselben Sache nach öffentlicher mündlicher Streitverhandlung, zu Recht:

1.) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei € 250,-- samt 4 % Zinsen seit 16.3.2019 zu zahlen.

2.) Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei ihre mit € 671,90 (darin enthalten € 104,48 USt und € 53,72 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu Handen des Klagevertreters zu ersetzen.

Gründe: 

D. T. buchte bei der beklagten Partei als ausführendem Flugunternehmen den Flug Nummer ... für den 15.3.2019, Abflug 13.25 Uhr (das ist 12.25 Uhr UTC-Zeit) in Wien-Schwechat und geplante Ankunftszeit in Istanbul am selben Tag 17.30 Uhr Ortszeit (das ist 14.30 Uhr UTC-Zeit) und dann den Anschlussflug ... am selben Tag vom Abflughafen Istanbul um 18.55 Uhr Ortszeit (das ist 15.55 Uhr UTC-Zeit) und geplanter Ankunftszeit in Izmir um 20.10 Uhr Ortszeit (das ist 17.10 Uhr UTC-Zeit). Der Flug ... wurde storniert. Für diese Strecke war eine Maschine eines anderen Flugzeugtypus als der Boeing 737 Max vorgesehen. Die gebuchte Flugstrecke beträgt aufgrund der Großkreisberechnung weniger als 1.500 Kilometer.

Die klagende Partei brachte vor, D. T. habe seinen Anspruch an sie abgetreten. Die unstrittige Flugannullierung sei alleine infolge eines von der beklagten Partei zu verantwortenden Umstands am Tag der geplanten Flugdurchführung, sohin weniger als zwei Wochen vor dem planmäßigen Abflugszeitpunkt, erfolgt. Trotz außergerichtlicher Aufforderung sei eine Ausgleichsleistung nicht erfolgt. Außergewöhnliche Umstände lägen nicht vor. Die beklagte Partei habe nicht alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung der Annullierung getroffen. Die Probleme bei der Maschine Boeing 737 Max würden ein technisches Gebrechen und keinen versteckten Fabrikationsfehler darstellen. So habe der Hersteller Boeing das MCAS, das die wahrscheinliche Ursache des Flugzeugabsturzes sei, bewusst in diesem Flugzeugtyp verbaut und hätten die Flugunternehmen dies auch gewusst. Wenn sich die beklagte Partei aus wirtschaftlichen Gründen eines Flugzeugs bediene, das technische Mängel aufweist, und trotzdem die bloßen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten an diesem Flugzeug vornehme, habe sie auch keine zumutbaren Maßnahmen im Sinne der Entschuldung nach der Fluggastrechteverordnung vorgenommen. Der Passagier habe sich deswegen nicht im Gate eingefunden, weil er zuvor eine Annullierungs-SMS erhalten habe, woraufhin er dann die Hotline der beklagten Partei angerufen habe. Dort sei ihm bloß mitgeteilt worden, er könne umbuchen, jedoch kein konkreter Ersatzflug angeboten worden, mit welchem er sein Endziel in weniger als zwei Stunden erreicht hätte. Das Vorbringen der beklagten Partei zu den zumutbaren Maßnahmen sei auch insofern widersprüchlich, als sie einerseits vorbringe, noch vor den behördlich verhängten Flugverboten freiwillig auf den Einsatz der Maschine Boeing 737 Max verzichtet zu haben, andererseits, dass sie mit der Annullierung bestimmter Flüge bis zur letzten Minute abgewartet hat. Sie hätte bereits zu dem Zeitpunkt, zu welchem sie das interne Verbot der Nutzung des Flugzeugs verhängt hatte, Maßnahmen setzen müssen, um die Annullierung von Flügen hintanzuhalten. Da es für eine Zession keine Formerfordernisse gibt, sei durch die Abtretungserklärung Beilage ./C die Abtretung des Anspruches gültig zustande gekommen.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde nach, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und wendete die fehlende Aktivlegitimation mit der Begründung ein, dass mangels einer nachvollziehbaren Unterschrift des Passagiers keine gültige Abtretung der Forderung vorliege. Dem Passagier sei zudem ein Alternativflug angeboten worden, bei welchem er mit weniger als zwei Stunden Zeitverzögerung das Endziel erreicht hätte, was dieser jedoch abgelehnt habe und ausdrücklich gewünscht habe, statt dessen den Ticketpreis zurückerstattet zu erhalten. Der Alternativflug hätte noch freie Plätze gehabt. Zudem liege ein außergewöhnlicher Umstand vor, weil infolge des Absturzes des Flugzeugs Boeing 737 Max der Flotte der beklagten Partei sieben Flugzeuge weniger zur Verfügung gestanden hätten. Die beklagte Partei habe folglich versucht, die Auswirkungen auf die Passagiere möglichst gering zu halten und daher die stark frequentierten Flüge beizubehalten, wodurch jedoch andere storniert werden mussten wie eben auch der hier gegenständliche Flug. Es sei ein hoher Organisationsaufwand betrieben worden, um zu erreichen, dass nur jene Flüge, die nur eine geringe Auslastung aufweisen, zu stornieren und sei die Notwendigkeit einer Reorganisation der Flotte als außergewöhnlicher Zustand zu werten. Sowohl die technischen Probleme der Boeing 737 Max als auch das deshalb durch die beklagte Partei schon vor der behördlich aufgetragenen Verhängung des Grounding vorgenommene Entscheidung zur Nichtverwendung dieses Flugzeugtypus stellten zumindest kumulativ einen außergewöhnlichen Umstand dar. Grund für die technischen Sicherheitsprobleme bei der Boeing 737 Max sei nicht der Einbau des MCAS-Systems, sondern ein technischer Fehler darin gewesen. Technische Schäden, die nicht in der Sphäre des Flugunternehmers liegen, stellten sehr wohl einen außergewöhnlichen Umstand dar. Jedenfalls, wenn ein Fabrikationsfehler einen gesamten Flottenteil betreffe, weil dies von der Fluglinie überhaupt nicht beherrscht werden könne und sie keine sinnvolle Möglichkeit habe, auf derartige großflächige Flottenausfälle vorsorglich einzugehen. Die beklagte Partei habe jedenfalls alle ihr zumutbaren Maßnahmen getroffen. Die Umplanungsmaßnahmen hätten nicht sofort mit dem Verzicht auf den Einsatz der Boeing 737 vorgenommen werden können, weil sie von den tatsächlichen Buchungsumständen abhängig gemacht werden mussten. Die Dauer bis zur Lösung dieses technischen Problems habe anfangs auch gar nicht abgeschätzt werden können. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung brachte der Beklagtenvertreter im Zuge von Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis des Klagevertreters vor, es bestehe keine Niederlassung der beklagten Partei in Österreich.

Beweis wurde erhoben durch:

Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden ./A bis ./D und ./1 bis ./2 sowie durch Einvernahme der Zeugen Mag. Ü. K. und D. T.

Folgender Sachverhalt steht fest:

D. T. unterschrieb am 15.3.2019 die Abtretungserklärung Beilage ./C, die unter anderem folgenden Text enthält „[…] Abtretungserklärung/Forderungskauf, mit welcher ich, D. T., geboren am ...1994, meinen Ausgleichsanspruch gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen nach der sogenannten Fluggastrechteverordnung (EG 261/2004) aus der Buchung für den Flug ... am 15.3.2019 an die FP P2. Service GmbH abtrete […]“. A. S. unterzeichnete diese Erklärung ebenfalls im Namen der klagenden Partei. Die klagende Partei vereinbarte mit D. T., ihm hierfür einen Teilbetrag der Klagssumme umgehend zu überweisen, was sie auch tat.

D. T. erhielt am Morgen des 15.3.2019 ein SMS der beklagten Partei mit der Information, dass der Flug ...storniert wurde und dem Ersuchen, sich entweder persönlich oder telefonisch bei der beklagten Partei zu melden. Er rief dann die dort genannte Servicenummer an und wurde von der Mitarbeiterin der beklagten Partei gefragt, ob er seine Buchung auf einen anderen Flug umbuchen wolle oder aber sein Geld zurückhaben wolle. Er antwortete darauf, dass er lieber sein Geld zurückhaben wolle, was ihm zugesagt wurde. In der Folge überwies auch die beklagte Partei den Flugticketpreis an ihn zurück.

Es kann nicht festgestellt werden, dass vonseiten der beklagten Partei dem Zeugen T2. ein konkreter Ersatzflug angeboten wurde, der ihn mit weniger als zwei Stunden Zeitverzögerung an die gewünschte Destination gebracht hätte.

Die Entscheidung für die Streichung des gegenständlichen Fluges fiel am selben Tag um 7.55 Uhr UTC-Zeit. Fünf Tage davor stürzte eine Maschine des Typus Boeing 737 Max ab, der Flugzeugabsturz hatte verheerende Folgen. Am Tag des Flugzeugabsturzes war die Ursache noch nicht klar, insbesondere war noch nicht klar, ob es nur an diesem einen Flugzeug Probleme gab oder ob dies grundsätzliche Probleme des gesamten Typus waren. In der Folge stellte sich jedoch heraus, dass nicht bloß die abgestürzte Maschine einen Defekt aufwies, sondern es Probleme bei der vom Hersteller Boeing neu eingesetzten Software, dem „Maneuvering Characteristics Augmentation System“ (MCAS), gab, weshalb ein weltweites Flugverbot über diesen Flugzeugtypus verhängt wurde.

Drei Tage nach dem Flugzeugabsturz und noch vor Verhängung des weltweiten Flugverbotes für Maschinen der Boeing 737 Max, entschied die beklagte Partei, sämtliche Maschinen dieses Typus aus ihrer Flotte zu nehmen. Betroffen waren zwölf Flugzeuge aus der Flotte der beklagten Partei. Infolge dessen nahm sie eine Neuorganisation sämtlicher Flugverbindungen weltweit vor und mussten 30 bis 40 Flüge gestrichen werden. Zu dem Zeitpunkt stand noch nicht fest, was der Grund des Flugzeugabsturzes war. Bei der Umorganisation wurde die Entscheidung darüber, welche Flüge gecancelt werden, danach getroffen, wie viele Reservierungen es gibt, sohin wie ausgelastet die Flüge sind, und ob es für die gebuchten Passagiere Möglichkeiten an Ersatzflügen gibt. Da es von Wien nach Istanbul Ersatzmöglichkeiten gibt, wurde der gegenständliche Flug gestrichen.

Die beklagte Partei mietete keine anderen Flugzeuge an, um die Ausfälle zu kompensieren. Alle Flugzeuge in der Flotte der beklagten Partei werden im täglichen Betrieb gehalten. Auch im Zuge der Umstrukturierung nach der Verkleinerung der Flotte wurden keine externen Maschinen angemietet.

Die klagende Partei forderte die beklagte Partei zur Zahlung eines Ausgleichsanspruchs auf und brachte infolge der Nichtzahlung am 25. 04. 2019 beim Bezirksgericht für Handelssachen die gegenständliche Mahnklage ein, in welcher sie die Zuständigkeit mit der Zweigniederlassung der beklagten Partei an der im Spruch genannten Adresse angab. An dieser Adresse wurde der Zahlungsbefehl auch durch Übernahme durch einen Arbeitnehmer der beklagten Partei zugestellt.

Beweiswürdigung:

Die Feststellung zur Forderungsabtretung war der unbedenklichen Urkunde Beilage ./C in Zusammenschau mit den Ausführungen des Zeugen T2. zu entnehmen, der glaubwürdig aussagte, diese Urkunde unterschrieben zu haben und dafür von der klagenden Partei ein Geld erhalten zu haben.

Glaubwürdig sagte er auch aus, dass ihm kein konkreter Ersatzflug, der mit weniger als zwei Stunden Verspätung das Endziel erreicht hätte, bei seinem Telefonat im Call Center der beklagten Partei angeboten wurde. Da die Beweislast hiefür die beklagte Partei trifft, war mit einer Negativfeststellung vorzugehen.

Die Feststellungen zum Flugzeugabsturz wurden weitgehend übereinstimmend vorgebracht. Im Übrigen schilderte der Zeuge K. nachvollziehbar und glaubwürdig, dass am Tag des Absturzes gar nicht vorhersehbar war, was der Grund war und ob der auch andere Flugzeuge betraf und wie dann die Umstellungen und die Neuorganisation des Flugplanes stattfanden. Der Zeuge sagte selbst aus, dass dies ein großes Problem sei und die Entscheidung getroffen werden musste, welche Flüge beizubehalten sind und welche zu stornieren sind. Er sagte auch selbst aus, dass vonseiten der beklagten Partei sämtliche Flugzeuge im Einsatz sind und es keine Ersatzmaschine gibt.

Aus dem Akt waren die Feststellungen zu Klage und Zustellung zu entnehmen. Rechtlich folgt:

Nach den getroffenen Feststellungen hat D. T. seine Forderung gültig an die klagende Partei zediert, weshalb die Aktivlegitimation zu bejahen war.

Zwischen D. T. und der beklagten Partei ist ein Beförderungsvertrag gültig zustande gekommen, weshalb grundsätzlich ein Anspruch nach der Fluggastrechteverordnung wegen der Annullierung des Fluges zusteht, außer es liegen außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechte-VO vor.

Der Oberste Gerichtshof führt in seiner Entscheidung vom 3.7.2014 (7 Ob 65/13d) mit Verweis auf die EuGH-Entscheidung W.-H./A. (EuGH 22.12.2008, C-549/07 an, dass Ziel der Verordnung ein hohes Schutzniveau für die Fluggäste ist und den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen Rechnung zu tragen ist, da die Annullierung für die Fluggäste ein Ärgernis ist und Unannehmlichkeiten verursacht, weshalb es Luftfahrtunternehmen aufgebürdet werden soll, Annullierungen im Voraus anzukündigen und unter bestimmten Umständen eine anderweitige Beförderung anzubieten, die bestimmten Kriterien entspricht, sodass der Gemeinschaftsgesetzgeber gewollt hat, dass für den Fall, dass solche Maßnahmen nicht ergriffen wurden, eine Ausgleichsleistung zu tragen ist, sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen. Es obliege demjenigen, der sich darauf berufe, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, nachzuweisen, dass sämtliche zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden und sei daher durch das Flugunternehmen nachzuweisen, dass es auch unter Einsatz aller ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel offensichtlich nicht in der Lage gewesen sei, die außergewöhnlichen Umstände zu vermeiden. Der EuGH nimmt nämlich eine enge Auslegung vor, wonach als Ursache nur eine solche in Betracht kommt, die „nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens ist und aufgrund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist“.

Zur Frage des technischen Defekts führte der BGH aus, dass unter Beachtung der vom EuGH entwickelten Grundsätze diejenigen technischen Defekte, die beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine außergewöhnlichen Umstände begründen, und zwar auch dann nicht, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat. Solche Defekte sind Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens (BGH 12.11.2009, Xa ZR 76/07, Rra 2010, 34). Wenn sich die beklagte Partei auf „versteckte Fabrikationsmängel“ als außergewöhnliche Umstände beruft ist auszuführen, dass - nach deutscher Rechtsprechung - versteckte Produktionsfehler an Flugzeugen, die zu einem Flugabbruch führen, keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechte-VO begründen (LG Darmstadt 16.4.2014, 7 S 161/13, RRa 2014, 137), da diese gelegentlich auftreten können und somit auch zum normalen Betrieb eines Luftfahrtunternehmens gehören. Es handelt sich quasi um einen Ausfall eines „Arbeitsgeräts“. Für das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände“ ist danach - unabhängig von der Kategorisierung als „technischer Defekt“ oder „unerwarteter Sicherheitsmangel“ - entscheidend, ob das zugrundeliegende Geschehen ein typisches und in Ausübung der betrieblichen Tätigkeit vorkommendes Ereignis darstellt oder ob es der Beherrschbarkeit der Fluggesellschaft völlig entzogen ist.

Indes kann nach der Rechtsprechung des EuGH ein versteckter Herstellerfehler, welcher die ganze Flotte betrifft, möglicherweise als ausreichend für einen außergewöhnlichen Umstand angesehen werden. Im Unterschied zum technischen Defekt handelt es sich beim versteckten Herstellerfehler, nicht um einen bei einer einzelnen Maschine auftretenden, somit singulären, Defekt, sondern vielmehr um einen Fehler, der bei der Herstellung einer ganzen Serie von Maschinen begangen wurde. Dies nimmt der EuGH jedoch nur dann an, wenn der Hersteller der Maschinen, aus denen die Flotte des betroffenen Luftfahrtunternehmens besteht, oder eine zuständige Behörde entdeckt, dass diese bereits in Betrieb genommenen Maschinen mit einem versteckten Fabrikationsfehler behaftet sind, der die Flugsicherheit beeinträchtigt (EuGH 22.12.2008, C-549/07, Rn 26,).

Da im gegenständlichen Fall nach den getroffenen Feststellungen von den weltweiten Flugaufsichtsbehörden Flugverbote für sämtliche Flugzeuge des Typs Boeing 737 Max ausgesprochen wurden und diese vor allem auf eine Fehlfunktion der Software MCAS gründen, liegt hier sehr wohl ein versteckter Herstellerfehler vor.

So ist zwar folglich ein außergewöhnlicher Umstand zu bejahen, die beklagte Partei vermochte jedoch nicht nachzuweisen, alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen zu haben, gerade den gegenständlichen Flug beizubehalten. Nach den getroffenen Feststellungen handelte die beklagte Partei, die im Übrigen den sie entschuldenden Ersatzflug nicht anbot, nach rein wirtschaftlichen Erwägungen, nämlich danach, die nicht allzu frequentierten Flugstrecken zu streichen und keine Ersatzflugzeuge anzumieten oder in Reserve zu halten. Sind diese Kriterien zwar wirtschaftlich nachvollziehbar, so muss die beklagte Partei doch die Abwägung treffen, dass es für sie dann wirtschaftlich sinnvoller ist, Ausgleichsleistungen nach der Fluggastrechteverordnung zu zahlen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs. 1 ZPO, wonach die im Verfahren unterliegende Partei der obsiegenden Partei sämtliche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu ersetzen hat. Gegen die Kostennote des Klagevertreters hat der Beklagtenvertreter fristgerecht Einwendungen dahingehend erhoben, dass keine Mahnklage, sondern eine Volltextklage einzubringen gewesen wäre und daher bloß der einfache Einheitssatz zustehe. Er begründet dies mit dem - neuen - Vorbringen, entgegen der Klagserzählung liege keine Niederlassung der beklagten Partei in Österreich vor, das als verspätet zurückzuweisen war. Die Einbringung als Mahnklage war wegen der bestehenden Zweigniederlassung der beklagten Partei richtig und stand folglich auch der doppelte Einheitssatz zu. Die Kosten des Klagevertreters wurden daher nach Ansatz und Höhe richtig verzeichnet, weshalb sie in der beantragten Höhe zuzusprechen waren.