Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) haben Arzneimittelgroßhändler beim Vertrieb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Apotheker grundsätzlich preisliche Obergrenzen zu beachten. Ob es hierbei auch preisliche Untergrenzen gibt, die mittels Rabatten und insbesondere der Gewähr von Skonti unterschritten werden können, war Gegenstand verschiedener Gerichtsverfahren. 2017 hatte der BGH allerdings entschieden, dass die Gewährung von echten Skonti, die als Gegenleistung für eine in einem vereinbarten Zeitraum erfolgte Zahlung gewährt werden, zulässig sind. Nunmehr hat der BGH seine Rechtsprechung geändert und auch die preisliche Untergrenze bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vom Großhandel an die Apotheken festgesetzt. Die bislang handelsübliche Gewähr von echten Skonti ist damit Geschichte. Apotheker befürchten jetzt Verschärfungen ihrer ohnehin schon angespannten finanziellen Lage.
§ 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV regelt, dass Arzneimittelgroßhändler Apotheken auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers einen Festzuschlag von 73 Cent sowie die Umsatzsteuer erheben müssen; zusätzlich darf auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer höchstens ein Zuschlag von 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro erhoben werden.
Bislang war es den Arzneimittelgroßhändlern zusätzlich möglich, den Apotheken darüberhinausgehende Skonti für vorfristige oder fristgerechte Zahlung zu gewähren (sogenannte „echte Skonti“). Diese Gewährung von echten Skonti hatte das OLG Brandenburg mit Urteil vom 06.06.2023 – Az. 6 U 86/21 als rechtswidrig angesehen und den beklagten Arzneimittelgroßhändler auf Antrag der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) zur Unterlassung verurteilt. In dem vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall hatte der Arzneimittelgroßhändler seinen Kunden, den Apotheken, ein prozentuales Skonto bei Zahlung innerhalb von 14 Tagen gewährt. Die Entscheidung des OLG Brandenburg hat der BGH nun mit Urteil vom 08.02.2024 (Az. I ZR 91/23) bestätigt.
Die Entscheidung dürfte die Apotheken wirtschaftlich hart treffen, denn durch die Kombination aus Rabatten und Skonti konnten sie beim Einkauf von Rx-Medikamenten Geld einsparen. Aufgrund der Entscheidung des BGH könnte eine Apotheke von durchschnittlicher Umsatzgröße laut Berechnungen der Treuhand Hannover nun jährlich ca. 22.000 Euro Betriebsergebnis einbüßen (1). Der Bundesverbands Deutscher Apothekerkooperationen (BVDAK) bezeichnete die Entscheidung als „eine historische-wirtschaftliche Katastrophe“ für Apotheken (2).
Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung ist § 2 AMPreisV.
Bis zur Novellierung der AMPreisV im Zuge des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) hatte § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisG folgenden Wortlaut:
„Bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch den Großhandel an Apotheken oder Tierärzte darf auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer höchstens ein Zuschlag von 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro, zuzüglich eines Festzuschlags von 70 Cent sowie die Umsatzsteuer erhoben werden.“
Der Wortlaut („darf“) zeigt, dass es dem Arzneimittelgroßhändler freistand, ob er einen Zuschlag bzw. Festzuschlag auf den Abgabepreis erhebt.
Der BGH hatte im Lichte dieses Wortlauts in einem vergleichbaren Fall (Urteil vom 5.10.2017 – I ZR 172/16) zum damaligen Zeitpunkt selbst noch die Gewähr von echten Skonti für zulässig erachtet.
So entschied der BGH damals, dass der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür biete, dass eine Belieferung von Apotheken durch den pharmazeutischen Großhandel zu Preisen, die unter dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zuzüglich eines Festzuschlags von 70 Cent liegen, unzulässig sei. Denn nach dem Wortlaut in § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV („darf […] höchstens […] erhoben werden“) sei nicht ein Fest- oder Mindestpreis, sondern lediglich ein Höchstpreis festgelegt worden. Für die Festlegung eines Mindestpreises hätte der Gesetzgeber Begriffe verwenden müssen, aus denen sich ergibt, dass der Großhandel auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers „mindestens“ den genannten Festzuschlag aufschlagen „muss“.
Seit dem Inkrafttreten des TSVG am 06.05.2019 hat § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV allerdings folgenden Wortlaut:
„Bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch den Großhandel an Apotheken oder Tierärzte sind auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ein Festzuschlag von 70 Cent sowie die Umsatzsteuer zu erheben; zusätzlich darf auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer höchstens ein Zuschlag von 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro erhoben werden.“
Die Formulierung „darf“ wurde gestrichen und durch eine zwingende Formulierung „sind…zu erheben“ ersetzt.
§ 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV bestimmt folglich nun, dass bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch den Großhandel an Apotheken oder Tierärzte auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ein Festzuschlag von 70 Cent sowie die Umsatzsteuer zu erheben sind; zusätzlich darf auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens ohne die Umsatzsteuer höchstens ein Zuschlag von 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 EUR erhoben werden. Dabei ist der Berechnung der Zuschläge der Betrag zugrunde zu legen, zu dem der pharmazeutische Unternehmer das Arzneimittel nach § 78 Abs. 3 oder Abs. 3a AMG abgibt (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AMPreisV). Es ergibt sich daraus eine Preisspanne, innerhalb derer das vom pharmazeutischen Unternehmer geforderte Entgelt angesiedelt sein muss, wobei der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AMPreisV zu erhebende Betrag den Mindestpreis bildet.
Fraglich war hierbei, ob dieser Mindestpreis durch die Gewährung von echten Skonti unterschritten werden darf. Dies hat das OLG Brandenburg – und nun auch der BGH – verneint.
Nach Auffassung der beiden Gerichte ist eine Belieferung von Apotheken durch den pharmazeutischen Großhandel zu Preisen, die unter dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zuzüglich eines Festzuschlages von 70 Cent liegen, unzulässig. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 AMPreisV, auch wenn dort Skonti nicht ausdrücklich erwähnt werden.
Das OLG Brandenburg argumentierte vor allem mit dem Sinn und Zweck der Norm. Demnach komme eine Unterschreitung der in § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV bezeichneten Preisuntergrenze durch die Einräumung eines Skontos nicht in Betracht. Die arzneimittelpreisrechtlichen Vorschriften sollen im Allgemeinen gewährleisten, dass die im öffentlichen Interesse gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt ist. Nach der Intention des Verordnungsgebers sei der Festzuschlag ein aus Anlass des Verkaufs eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels an die Apotheke zu zahlender Beitrag für die besondere Funktion des Arzneimittelgroßhandels und weniger ein Entgelt für das Arzneimittel. Das zeige sich auch daran, dass der Beitrag als „Festzuschlag“ seiner Höhe nach vom Preis des Arzneimittels entkoppelt ist. Damit sei der Festzuschlag der Disposition der Partien entzogen und könne folglich auch nicht Gegenstand eines Nachlasses für vorfristige Zahlungen sein. Denn sonst würde er seiner Funktion als Finanzierungsbeitrag zur Sicherung der im öffentlichen Interesse der allgemeinen Gesundheitsversorgung liegenden Existenz und Funktionsfähigkeit des Großhandels beraubt.
Ließe man einen Skonto zwar nicht auf den Festzuschlag, wohl aber auf die anderen in § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV genannten Preisbestandteile (insbesondere den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers) zu, würde deshalb auch der Festzuschlag, ggf. anteilig –indirekt – nicht mehr „erhoben“. Stattdessen könne es entgegen der gesetzlichen Zielsetzung zu dem ruinösen Wettbewerb zwischen Großhändlern kommen, welchen der Verordnungsgeber mit der Einführung des Festzuschlages gerade vermeiden wollte.
Die aktuellen Entscheidungen des OLG Brandenburg und des BGH zu dieser Thematik verstärken die ohnehin schon schwierige finanzielle Situation vieler Apotheken, da nunmehr auch sämtliche Ersparungen durch die Gewährung von Skonti wegfallen. Diese Entscheidung kann einen weiteren Beitrag zum bereits erheblichen Apothekensterben leisten und so gerade eine Beeinträchtigung der flächendeckenden Versorgung zur Folge haben, welche durch die AMPreisV gerade sichergestellt werden soll. Der Gesetzgeber ist daher gehalten, für spürbare finanzielle Entlastungen der Apotheken zu sorgen und so die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV bietet diese Möglichkeit nicht (mehr).
(1) https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/149183/Bundesgerichtshof-verbietet-Skonto-auf-verschreibungspflichtige-Arzneimittel
(2) https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/02/08/bgh-keine-skonti-ueber-3-15-prozent-bei-rx-arzneimitteln#comments.
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BGH: Arzneimittelgroßhändler dürfen Apotheken keine echten Skonti auf RX (mehr) gewähren
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