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EuGH: Cannabidiol (CBD) ist kein Betäubungsmittel

Bereits zu Beginn des Jahres hat die Europäische Kommission bekannt gegeben, Cannabidiol (CBD) als Betäubungsmittel einstufen zu wollen und hat die Entscheidung über die Zulassung von CBD-haltigen Produkten als neuartiges Lebensmittel (Novel Food)  vorerst vertagt. Umso freudiger wurde die Entscheidung des EuGH vom 19. November in der Rechtssache C-663/18 (ECLI:EU:C:2020:938) aufgenommen, in welcher CBD gerade nicht als Betäubungsmittel eingestuft wird. Entgegen der anfänglichen Euphorie, ergibt sich hieraus jedoch gerade kein Freifahrtsschein für den Vertrieb entsprechender Produkte.

Bei CBD handelt es sich um ein aus der weiblichen Hanf- beziehungsweise Cannabispflanze gewonnenes, nicht psychoaktives Cannabinoid. Aufgrund seiner positiven Auswirkungen auf die Schmerzwahrnehmung, das Angstempfinden und die Stimmungslage im Allgemeinen, erfreuen sich CBD-haltige Erzeugnisse zunehmender Beliebtheit. Besonders bestürzt wurde daher die Erwägung der Europäischen Kommission aufgenommen, CBD unter Verweis auf das Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 als Suchtmittel einzustufen, da die Klassifizierung als solches einer gleichzeitigen Vermarktung als Lebensmittel entgegenstünde. Umso optimistischer fiel wiederum die Resonanz auf die Entscheidung des EuGH aus, der zufolge es sich bei CBD gerade nicht zwingend um ein Betäubungsmittel handelt. Inhaltlich befasst sich der EuGH dabei zunächst mit der Frage der einschlägigen Rechtsgrundlage im Allgemeinen und anschließend mit Ihren konkreten Voraussetzungen.

Der EuGH stellt zunächst fest, dass CBD keinen speziellen Regelungen wie denen in Art. 35 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 (Übertragbare Befugnisse zum Schutz der öffentlichen Gesundheit) und Art. 189 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 (Bestimmungen für die Einfuhr von Hanf) unterfällt. Denn gem. Art. 4 Abs. 1 lit. d der erstgenannten Verordnung i.V.m. mit dem dazugehörigen Anhang I und Position 5302 der HS-Nomenklatur erstrecke sich der Anwendungsbereich der Verordnungen lediglich auf Hanf, welcher „roh, geröstet, geschwungen, gehechelt oder anders bearbeitet […]“ wurde. Vorliegend wurde das CBD jedoch durch Extraktion mittels Kohlendioxid (CO2) und damit aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze gewonnen.

Insofern falle der Handel mit CBD-haltigen Produkten in den Regelungsbereich der Warenverkehrsfreiheit aus Art. 34 AEUV. Hierbei sei zunächst unstrittig, dass die Warenverkehrsfreiheit nicht zur Vermarktung von Suchtstoffen -einschließlich solcher auf Hanfbasis- berechtige. Zur Beantwortung der Frage, ob CBD als Suchtstoff zu klassifizieren ist, hat auch der EuGH auf das Einheits-Übereinkommen zurückgegriffen. Dabei stellt er zunächst heraus, dass sich das Einheits-Übereinkommen gem. Art. 1 Abs. 1 lit. j auf jeden von Anhang I und II erfassten, natürlichen oder synthetischen Stoff erstrecke. Zwar seien in Anhang I auch „Cannabis“ und die „Cannabispflanze“ gelistet. Art. 1 Abs. 1 lit. b und c konkretisierten diese jedoch als „die Blüten- oder Fruchtstände der Cannabispflanze […]“. Bereits aus dieser Definition heraus könne CBD nicht als Suchtstoff i.S.d. Einheits-Übereinkommens betrachtet werden. Diese Wertung entspreche auch dem Telos. Denn in der Präambel sei die Rede vom Wohl und der Gesundheit der Menschen, wovon auch die Verhütung von und der Schutz vor Rauschgift umfasst sei. In Bezug auf CBD gebe es jedoch keine „bekannten psychoaktiven Wirkungen“. Vielmehr habe die WHO bereits im Jahres 2017 in einem Bericht empfohlen, CBD aus der Liste der Dopingsubstanzen zu streichen. Insofern kommt der EuGH -anders als die vorläufige Rechtsauffassung der Kommission- zu dem Ergebnis, dass es sich bei CBD gerade nicht um einen Suchtstoff handelt.

Aus dem Urteil resultiert - entgegen der ersten Lesart zahlreicher Artikel aus den ersten Tagen nach der Veröffentlichung der Entscheidung - jedoch kein Freifahrtsschein für die Vermarktung CBD-haltiger Waren. Denn die Warenverkehrsfreiheit wird in Art. 36 AEUV durch den Schutz der öffentlichen Gesundheit begrenzt. Dabei betont der EuGH den besonderen Beurteilungsspielraum der Mitgliedsstaaten, welcher sich aus den fehlenden wissenschaftlichen Forschungsergebnissen und den damit verbundenen Unsicherheiten in Bezug auf CBD ergibt. National fallen CBD-Produkte mit einem THC-Gehalt von nicht mehr als 0,2% zwar nicht automatisch unter das Betäubungsmittelgesetz. CBD-haltige Lebensmittel sind nach den Art. 10 ff. der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 (Novel-Food-Verordnung) jedoch zulassungs- und CBD-haltige Arzneimittel gem. § 48 Abs. 1 S. 1 AMG i.V.m. Anlage 1 zur AMVV verschreibungspflichtig.

Im Ergebnis hat die Entscheidung des EuGH die rechtliche Stellung CBD-haltiger Erzeugnisse gefestigt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Europäische Kommission Ihre frühere Rechtsauffassung bereits verworfen hat und schon laufende Zulassungsverfahren entsprechender Produkte nicht länger ausgesetzt sein dürften. Die Zulässigkeit von Produkten mit CBD-Anteil ist jedoch (auch weiterhin) einzelfallbezogen zu prüfen.

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Die entsprechenden (Gesetzes-) Materialien finden sich unter folgenden Links:

Urteil des Gerichtshofs (vierte Kammer) vom 19.11.2020:
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=2ECDF19FA7942D177326F971A287EC5D?text=&docid=233925&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=17765630 (zuletzt abgerufen am 14.12.2020)

Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Rates vom 17. Dezember 2013mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates
https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2013:347:0608:0670:DE:PDF (zuletzt abgerufen am 14.12.2020)

Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013R1308&from=DE (zuletzt abgerufen am 14.12.2020)

Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961:
https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/06/036/0603612.pdf (zuletzt abgerufen am 14.12.2020)

Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über neuartige Lebensmittel, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 1852/2001 der Kommission (Novel-Food-Verordnung):
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015R2283&from=DE (zuletzt abgerufen am 14.12.2020)

Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln(Arzneimittelgesetz -AMG)
https://www.gesetze-im-internet.de/amg_1976/AMG.pdf (zuletzt abgerufen am 13.12.2020)

Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (Arzneimittelverschreibungsverordnung - AMVV)
https://www.gesetze-im-internet.de/amvv/AMVV.pdf (zuletzt abgerufen am 13.12.2020)