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Tabakrichtlinie unterliegt erneuter Überprüfung durch den EuGH

Erneut wird die Vereinbarkeit der Tabakproduktrichtlinie (Richtlinie 2014/40/EU) mit höherrangigem EU-Recht durch den EuGH überprüft. Das Verwaltungsgericht Berlin hat dem EuGH mit Beschluss vom 21.04.2017, Az. 14 K 172.12 verschiedene Fragen zur Tabakprodukterichtlinie zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Europäische Gerichtshof soll erneut klären, ob die Tabakrichtlinie mit höherrangigem EU-Recht übereinstimmt.

Zuletzt hatte sich der Europäische Gerichtshof bereits vor der Einführung des deutschen Tabakerzeugnisgesetzes mit der Konformität der Richtlinie beschäftigen müssen, da gleich mehrere Tabakkonzerne gegen die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht vorgingen. Das Tabakerzeugnisgesetz und die darauf aufbauende Tabakerzeugnisverordnung finden ihren Ursprung in der Richtlinie, die bis heute umstritten ist. Literaturstimmen argumentieren, dass die Beschränkung der Werbung, der Zusatzstoffe und Packungsaufmachung gegen die Freihandelsgrundsätze der Europäischen Union verstoße, statt diesen zu entsprechen. Insbesondere das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen mit einem charakteristischen Aroma, deren unionsweite Verkaufsmengen weniger als 3% einer bestimmten Erzeugniskategorie darstellen, stößt in diesem Zusammenhang auf Widerspruch. Diese Frage stellt sich offenbar auch das Verwaltungsgericht Berlin, denn es verweist in den Vorlagefragen für den EuGH mehrfach auf den freien Warenverkehr, der mit Artikel 34 AEUV garantiert werden soll. Ein Verstoß hiergegen wäre ein Verstoß gegen höherrangiges Unionsrecht und würde womöglich zur Aufhebung von zumindest Teilen der Tabakproduktrichtlinie führen.

Ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung des EuGH, wäre ein solcher Ausgang aber mehr als überraschend. In den drei Verfahren, die sich bereits vor der Umsetzung in nationales Recht gegen die Tabakrichtlinie wandten, bestätigte der EuGH die Rechtmäßigkeit dieser uneingeschränkt.

Die Klägerin im jetzigen Verfahren war bereits im April 2016 mit einem Eilrechtsschutzverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert und ein entsprechender Antrag wurde auch von der Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin abgelehnt. Nun scheint es, dass die Klägerin mit ihrer jetzt anhängigen Klage zumindest in Berlin ihr Ziel erreicht hat. Die Klägerin ist ein in Berlin ansässiges Familienunternehmen, welches Tabakprodukte herstellt und vertreibt. Spezialisiert ist das Unternehmen auf die Herstellung aromatisierten Tabaks zum Selbstdrehen, dem sogenannten Feinschnitt, aromatisierten Pfeifentabaken und Zigaretten. Mit Umsetzung der Tabakproduktrichtlinie in deutsches Recht musste dieses enorme Einbußen in seinem Vertriebsbereich einstecken, da das sogenannte „Aromaverbot“ in Kraft trat. Zudem enthält die Umsetzung der Tabakrichtlinie auch Vorgaben zu erweiterten Werbeverboten, sodass in den Produktnamen kein werblicher Hinweis auf das Aroma des Tabaks enthalten sein darf („Aromawerbeverbot“). Im Übrigen enthält die Tabakrichtlinie auch die Vorgaben für die Gestaltung der Verpackung von Tabakprodukten, darunter die Pflicht zur Anbringung kombinierter Text-Bild-Warnhinweise, den umgangssprachlichen „Schockfotos“. Basierend auf der Richtlinie trat im Mai 2016 das Tabakerzeugnisgesetz in Deutschland in Kraft.

Ziel der Klage vor dem Verwaltungsgericht ist die Feststellung, dass einzelne Vorschriften des Tabakerzeugnisgesetzes auf die Klägerin nicht anwendbar sind. Insbesondere soll das Fehlen von Übergangsvorschriften gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit verstoßen. So hätte die Klägerin nicht genügend Zeit gehabt, ihre Produktionsanlagen auf die neuen Anforderungen des Tabakerzeugnisgesetzes umzustellen und alle Markennamen abzuschaffen oder zu ändern, die einen Hinweis auf eine Aromatisierung enthielten. Viele der eingetragenen Marken wären nunmehr für die Klägerin überhaupt nicht mehr nutzbar. Als kleines oder mittleres Unternehmen, das sich auf die Produktion und den Vertrieb von Nischen- und Liebhaberprodukten spezialisiert habe, werde sie, so die Klägerin, durch die übergangslose Neuregelung im Kern ihrer unternehmerischen Tätigkeit betroffen. Zwar habe man schon vor dem 20. Mai 2016 Kenntnis von den kommenden Neuregelungen gehabt. Die ab Erlass der Durchführungsbestimmungen der Kommission im Herbst 2015 bzw. ab Erlass des deutschen Umsetzungsrechts im Frühjahr 2016 verbleibende Zeit zur Umsetzung dieser sei aber zu kurz gewesen.

Dieser Auffassung scheint sich das Verwaltungsgericht Berlin überwiegend anzuschließen. Jedenfalls hatte die Kammer „erhebliche Zweifel“ an der Vereinbarkeit einzelner Normen der Richtlinie mit höherrangigem EU-Recht, wie die ausführliche Beschlussbegründung erkennen lässt. Ferner will das Gericht wissen, wie einzelne Bestimmungen der Tabakrichtlinie auszulegen sind. (Die beiden britischen Vorabentscheidungsverfahren Rs. C-477/14 (Pillbox 38), insbes. zu den Richtlinienregelungen zu elektronischen Zigaretten, und Rs. C-547/14 (Philip Morris u. a.), u. a. zu Art. 114 AEUV als Rechtsgrundlage. Mit Urteilen vom 4.5.2016 hat der EuGH in beiden Verfahren die Richtlinie für insgesamt gültig befunden, einschl. des Aromaverbots und der Regelungen zur Kennzeichnung und Verpackung von Tabakerzeugnissen, C-358/14, Polen/Parlament und Rat)

Der Ausgang der Sache vor dem Europäischen Gerichtshof bleibt abzuwarten, jedoch ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Berlin die erste signifikante Abweichung vom Kurs der sonstigen Rechtsprechung, die fast ausnahmslos die Umsetzung der Tabakrichtlinie in deutsches Recht in ihrer jetzigen Form bestätigt hat.