Seit über zwei Jahrzehnten basierte das europäische Medizinprodukterecht auf den Richtlinien 90/385/EWG (Richtlinie über medizinische Geräte), 93/42/EWG (Richtlinie über Medizinprodukte) und 98/79/EG (Richtlinie über In-vitro-Diagnostika). Zur Neustrukturierung und Vereinheitlichung der Materie hat die Europäische Union im Jahr 2017 die Verordnungen (EU) 2017/745 (Verordnung über Medizinprodukte) und (EU) 2017/746 (Verordnung über In-vitro-Diagnostika) angenommen. Damit die Neuerungen ordnungsgemäß umgesetzt werden können, wurde ein Übergangszeitraum bis zum 26.05.2021 beziehungsweise bis zum 26.05.2022 vorgesehen. Unvorhersehbar war bei der Planung jedoch die gegenwärtige pandemische Lage sowie die damit verbundenen Belastungen der Mitgliedstaaten, Ihrer nationalen Stellen und wirtschaftlicher Akteure. Um diesen Herausforderungen zu begegnen und den von der Reform Betroffenen die nötige Zeit zu geben, zunächst die Pandemie und dann die Neuerungen des Medizinprodukterechts zu handhaben, wurde auf Europäischer Ebene die (EU) Verordnung 2020/561 (Verordnung zur Änderung der Verordnung 2017/746) verabschiedet. Diese verschiebt nun auch den Geltungsbeginn der Verordnung über Medizinprodukte um ein Jahr auf den 26.05.2022.
Auf Bundesebene wurde das Inkrafttreten der Verordnung 2017/745 am 26.02.2021 jedoch bereits durch das Medizinprodukterecht-Durchsetzungsgesetz (MPDG) konkretisiert und ergänzt, so dass der verschobene Geltungsbeginn der Verordnung auch ein erneutes gesetzgeberisches Tätigwerden auch nationaler Ebene erfordert. Hierzu wurde ein Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes in den Bundestag eingeführt. Der Bundesrat hat sich dabei bereits mit der Bundesregierung verständigt.
Sofern der Gesetzesentwurf verabschiedet wird, würde zum Teil lediglich das Inkrafttreten bereits verabschiedeter Normen um ein Jahr auf den 26.05.2022 verschoben, so beispielsweise bei Änderungen des Arzneimittelrechts, des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches und des Produktsicherheitsgesetzes. Es gibt jedoch auch inhaltliche Neuerungen.
So regelt § 63 MPDG bislang eine allgemein geltende generelle Meldepflicht des Prüfers von Medizinprodukten gegenüber dem Sponsor. Ab dem 26.05.2021 soll zwischen einer unverzüglichen Meldepflicht bei schwerwiegenden und unerwünschten Ereignissen oder aber Produktmängeln i.S.d. Art. 2 Nr. 59 der Verordnung (EU) 2017/745 und Meldepflichten entsprechend der zeitlichen Vorgabe des Prüfplans bei unerwünschten Ereignissen jeder Art differenziert werden.
Darüber hinaus trifft § 72 MPDG bereits Aussagen zur Risikobewertung von Medizinprodukten. In einem neu einzufügenden Abs. 6 soll künftig geregelt werden, dass Medizinprodukte im Eigentum von Patientinnen und Patienten ab dem 26.05.2021 nur nach deren vorheriger Einwilligung zur Risikobewertung an den Hersteller oder aber die Bundesoberbehörde übergeben werden darf. Verantwortlich für die Zustimmung sollen die Hersteller oder aber die Bundesoberbehörden selbst sein, wobei sie sich jedoch der Mitwirkung von Anwendern und Betreibern bedienen können. Mit dieser Regelung würde die BRD über die Anforderungen des Unionsrechts hinausgehen.
Gemäß des neu einzufügenden § 85 Abs. 1b MPDG sollen diejenigen Behörden für die Überwachung von im Fernabsatz vertriebenen Medizinprodukten zuständig sein, in deren Bezirk das jeweilige Produkt geliefert wurde. Diese Normierung würde bereits am 16.07.2021 Wirkung entfalten.
Des Weiteren wird § 96 MPDG zum 26.05.2021 um eine Übergangsregelung zur Erfassung der Bescheinigungen der Benannten Stellen erweitert, so dass das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz bereits vor Inkrafttreten der unionsrechtlichen Verordnungen an diese angepasst ist.
Auch § 99 MPDG soll einen neuen Absatz erhalten. So soll es gem. Abs. 5a ab dem 01.04.2021 möglich sein, für klinische Prüfungen mit Beginn nach dem 26.05.2021 bereits vorzeitig einen Antrag bei der Ethik-Kommission zu stellen.
Zudem wird der Rechtsrahmen für In-vitro-Diagnostika konkretisiert. Bis die unmittelbare Wirkung der Verordnung (EU) 2017/746 am 26.05.2022 greift, sind das Medizinproduktegesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 2002, die Medizinprodukte-Verordnung vom 20. Dezember 2001 und die Verordnung über klinische Prüfungen von Medizinprodukten vom 10. Mai 2010 anzuwenden.
Nachdem die Bundesregierung den Gesetzentwurf dem Bundesrat zugeleitet hat, haben diese sich zudem auf neu zu fassende §§ 17a-19c MPDG verständigt. Diese sollen die Tätigkeiten der Benannten Stellen regeln.
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Der Entwurf des Änderungsgesetzes findet sich unter folgendem Link:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/M/MPDG-AEnderungsgesetz.pdf (zuletzt abgerufen am 16.03.2021)
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Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz - Überblick zu aktuellen Änderungen und Neuerungen
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