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Rechtliche Fehleinschätzung von Petonline und ZZA-online zum erforderlichen Sachkundenachweis beim Einzelhandel mit Tierarzneimitteln

Mit Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2019/6 (Tierarzneimittelverordnung) und dem Tierarzneimittelgesetz (TAMG) sind Fachpresse verschiedene Artikel zu der Frage erschienen, ob und in welchem Umfang im Einzelhandel mit Tierarzneimitteln ein Sachkundenachweis erforderlich ist. Einige Artikel bedürfen einer Klarstellung, da in diesen juristische Schlüsse gezogen werden, die nicht haltbar sind.

Stein des Anstoßes sind ein Artikel der von der Dähne Verlag GmbH herausgegebenen Fachzeitschrift "PetOnline", welcher unter dem Link https://www.petonline.de/daten/news/2022/01/26/ausnahmen-im-tierarzneimittelgesetz-bleiben-bestehen.html abrufbar ist und ein Artikel des vom Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. (ZZF) herausgebenen Zoologischen Zentral Anzeigers (zza), welcher unter dem Link https://www.zza-online.de/marktplatz/marktplatz/article/neues-tierarzneimittelgesetz-das-muessen-einzelhaendler-grosshaendler-und-hersteller-nun-beachten.html abrufbar ist. Beide Fachartikel berücksichtigen nur teilweise den Wortlaut und die damit einhergehenden Regelungen des am 28.01.2022 in Kraft getretenen Tierarzneimittelgesetzes (TAMG) und kommen dadurch zu einem fehlerhaften Ergebnis im Hinblick auf die Frage, ob auch für die Abgabe von Tierarzneimitteln, die gemäß § 4 TAMG von der Zulassungspflicht freigestellt sind, ein Sachkundenachweis erforderlich ist. 
 
Der ZZF führt in seinem Artikel zutreffend aus, dass künftig für den Betrieb eines Einzelhandels, der Tierarzneimittel abgibt, ohne Einschränkung ein Sachkenntnisnachweis erbracht werden muss. In diesem Zusammenhang ist aber zu berücksichtigen, dass im Sinne einer Verkaufsabgrenzung die Kategorien der apothekenpflichtigen und freiverkäuflichen Tierarzneimittel (und veterinärmedizinischen Produkte) voneinander unterschieden werden (vgl. § 40 TAMG). Weitere Kategorien zur Differenzierung gibt es nicht. Wie der Name schon sagt, dürfen apothekenpflichtige Tierarzneimittel (und veterinärmedizinischen Produkte) nur durch Apotheken auf dem Markt bereitgestellt werden (gem. § 43 TAMG). Ob ein Produkt der Apothekenpflicht unterliegt oder aber frei verkäuflich ist, wird grundsätzlich in Anwendung des § 41 iVm. § 40 Abs. 3 TAMG festgelegt. Im Sinne des § 40 Abs. 2 TAMG unterliegen allerdings verschreibungspflichtige Tierarzneimittel und veterinärmedizinischtechnische Produkte immer der Apothekenpflicht, nicht zulassungs- oder registrierungspflichtige Arzneimittel sind per se frei verkäuflich. Letzteres definiert dann das über den Einzelhandel abgabefähige Sortiment. Der/die Einzelhandel:händlerin, der/die mit Tierarzneimitteln handelt, bezieht diese Produkte vom entsprechenden Großhandel (gem. Art. 103 der Verordnung (EU) 2019/6). Die Regelung von Einzelheiten hierzu obliegt den Mitgliedstaaten (Art. 103 Abs. 1 der VO (EU) 2019/6). Dies führt uns zum entscheidenden Punkt in Bezug auf die (uneingeschränkt) seitens des Einzelhändlers/der Einzelhändlerin geforderte Sachkenntnis: Der deutsche Gesetzgeber hat flankierend zur unmittelbar anwendbaren europäischen Verordnung im TAMG ausdrücklich festgelegt, dass Einzelhändler:innen nur dann durch den pharmazeutischen Großhandel oder alternativ Hersteller:innen mit frei verkäuflichen Tierarzneimitteln und veterinärmedizintechnischen Produkten beliefert werden können, wenn Einzelhändler:innen die sogenannte erforderliche Sachkenntnis besitzen. In § 45 Abs. 8 S. 1, 2 TAMG heißt es diesbezüglich:
 
„Inhaberinnen und Inhaber einer Großhandelsvertriebserlaubnis dürfen nach § 40 Absatz 1 frei verkäufliche Tierarzneimittel und veterinärmedizintechnische Produkte im Geltungsbereich dieses Gesetzes an Einzelhändlerinnen und Einzelhändler abgeben, sofern diese die erforderliche Sachkenntnis besitzen. Die erforderliche Sachkenntnis besitzt, wer Kenntnisse und Fertigkeiten über das ordnungsgemäße Abfüllen, Abpacken, Kennzeichnen, Lagern und Bereitstellen von freiverkäuflichen Tierarzneimitteln und veterinärmedizintechnischen Produkten sowie Kenntnisse über die für diese Tierarzneimittel und veterinärmedizintechnischen Produkte geltenden Vorschriften nachweist.“
 
Die Sachkenntnis ist also eine Element der Kundenqualifizierung durch den Verkäufer (und muss im Übrigen im Zuge der Anzeige nach § 79 Abs. 1 TAMG zur Aufnahme der Einzelhandelstätigkeit nachgewiesen werden). Kann der Einzelhandel/die Einzelhändlerin nicht nachweisen, dass die Sachkenntnis besteht, darf er/sie per Gesetz nicht beliefert werden. Hierzu gibt es auch keine vorgesehene Einschränkung im TAMG. Da es dem Einzelhändler/der Einzelhändlerin per se nur möglich ist, frei verkäufliche Produkte zu handeln und zu diesen stets nicht der Zulassungs- oder Registrierungspflicht unterliegende Tierarzneimittel und veterinärmedizinischtechnische Produkte gehören (siehe § 40 Abs. 2 S. 2 TAMG), muss auch für den Einzelhandel mit letzteren ein Sachkenntnisnachweis vorliegen. Die Ausführungen des zza sind insoweit zutreffend und folgerichtig. Dies gilt auch für die Ausführungen zur Frage, ob sich auch ein Sachkenntnisnachweis für den Handel mit Produkten, die nicht dem TAMG unterliegen, ergibt (wie z.B. dem Biozidrecht unterliegende Produkte, siehe § 3 Abs. 2 Nr. 2 TAMG). Für diese Produkte bedarf es in Ermangelung der Anwendbarkeit des TAMG keiner entsprechenden Sachkenntnis.
 
Soweit PetOnline in seinem Artikel unter Berufung auf den ZZF ausführt, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) habe mitgeteilt, „dass die Ausnahme des § 60 AMG von dem Erfordernis eines Sachkenntnisnachweises im TAMG in analoger Weise fortgeführt [wird], soweit es den Einzelhandel mit Tierarzneimitteln für bestimmte Heimtiere, die nach § 4 TAMG von der Pflicht zur Zulassung freigestellt sind, betrifft“, widerspricht dies dem Wortlaut der vorbenannten Regelungen des TAMG in Gänze. Es wird bei den Lesern vielmehr der unzutreffende Eindruck erweckt, dass die Gruppe der „Tierarzneimittel für bestimmte Heimtiere nach § 4 TAMG“ eine weitere Kategorie der Verkaufsabgrenzung darstellen würde. Dies ist unzutreffend. Nicht der Zulassungs- oder Registrierungspflicht liegende Tierarzneimittel zählen per Definition in § 40 Abs. 2 S. 2 TAMG per se zur Kategorie „frei verkäuflich“ und gehören daher zu dem dem Einzelhändler/der Einzelhändlerin zugewiesenen Sortiment (in Abgrenzung zu dem den Apotheken zugewiesenen apothekenpflichtigen Sortiment). Zudem ist die beschriebene „analoge Anwendung“ im Rechtssinne aus unserer Sicht nicht möglich. Diese erfordert das Vorliegen einer Regelungslücke. Der Gesetzgeber muss also quasi vergessen haben, einen regelungsbedürftigen Fall tatsächlich zu regeln. Die Rede ist von einer planwidrigen Unvollständigkeit eines Gesetzes. Sodann darf die Analogie nicht per se verboten sein. Zudem muss es für eine im Wesentlichen vergleichbare Situation eine gesetzliche Regelung geben, die man dann für die Regelungslücke heranzieht. Auf diese Weise schließt man eine Lücke „in analoger Anwendung“. Aus unserer Sicht besteht bereits aus folgenden Gründen für die von pet (unter Berufung auf den ZZF) angesprochene Analogie kein Raum.
 

  • § 60 AMG ist mit Inkrafttreten des TAMG außer Kraft getreten. D.h. § 60 AMG (außer Kraft) stellt per se keine gesetzliche Regelung dar, auf die man sich zur Schließung einer Regelungslücke berufen kann. (Exkurs: Ein Ansatz wäre es daher sich auf § 50 AMG „Einzelhandel mit freiverkäuflichen Arzneimitteln“ für eine analoge Anwendung zu beziehen – diese sieht aber in Abs. 3 keine für den Veterinärbereich tragfähigen Ausnahmen vom Erfordernis der Sachkenntnis vor, die im Zuge einer Analogie entsprechend angewendet werden könnten. Vielmehr wird grundsätzlich für alle freiverkäuflichen Arzneimittel seitens des Einzelhandels Sachkenntnis gefordert – zudem ist eine analoge Anwendung aus unserer Sicht bereits wegen des Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke nicht möglich, siehe hierzu letzter Spiegelstrich).
     
  • Der Gesetzgeber hat also sehenden Auges auf die Übernahme der vormals in § 60 AMG (außer Kraft) enthaltenen Einschränkung in Bezug auf die vorzuhaltende Sachkenntnis im Zuge des Entwurfs des TAMG (bei dem das BMEL im Übrigen beteiligt war und gehört wurde und somit die Gelegenheit gehabt hätte, auf diesen Umstand hinzuweisen) verzichtet. Es darf also nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber eine Regelung aus den Augen verloren und letztlich vergessen hat.
     
  • Mithin besteht schon keine Regelungslücke, da im TAMG klar geregelt wurde, welche Produkte über den Einzelhandel abgegeben werden können (siehe vorstehende Ausführungen).

 
Irritierend ist ein Verweis des ZZF auf ein offizielles Schreiben des BMEL, aus dem die mögliche Analogie hervorgehen soll (siehe hierzu unter https://www.zzf.de/themen/tiergesundheit/tiergesundheit/article/ausnahmen-fuer-sachkenntnisanforderungen-gemaess-tierarzneimittelgesetz-vom-28012022.html). Dieses wird sodann jedoch leider nicht verlinkt. Auf der Seite des BMEL ist keine entsprechende Veröffentlichung zu finden. Im Gegenteil: Es findet sich eine aktuelle Pressemitteilung vom 28.01.2022, in der sich das BMEL mit dem TAMG auseinandersetzt und Position bezieht. Mit keinem Wort wird das Thema Sachkenntnis und § 60 AMG (außer Kraft) zur einschränkenden Auslegung des §§ 40 Abs. 1, Abs. 2, 45 Abs. 8 TAMG erwähnt (siehe die Pressemitteilung unter https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/11-neues-tierarzneimittelrecht-2022.html). Selbst wenn sich das BMEL zu der durch das ZZF mitgeteilten Auffassung hat hinreißen lassen, ist eine entsprechende Vorgehensweise aus unserer Sicht rechtlich nicht haltbar. Für eine analoge Anwendung des § 60 AMG (außer Kraft) besteht kein Raum. Soll für den Einzelhandel mit bestimmten frei verkäuflichen Tierarzneimitteln und veterinärmedizinischtechnischen Produkten die Sachkenntnis nicht erforderlich sein, müsste das TAMG entsprechend angepasst werden, zumindest in der Regelung des § 45 Abs. 8 TAMG.

Nach alledem ist die rechtliche Einschätzung von PetOnline und ZZF, wonach die Ausnahme des § 60 AMG von dem Erfordernis eines Sachkenntnisnachweises im TAMG in analoger Weise fortgeführt [werde], soweit es den Einzelhandel mit Tierarzneimitteln für bestimmte Heimtiere, die nach § 4 TAMG von der Pflicht zur Zulassung freigestellt sind, nicht zu teilen. Ein Sachkundenachweis ist auch bei derartigen Tierarzneimitteln im Einzelhandel verpflichtend.