Europarechtliche und völkerrechtliche Grenzen der Cannabis-Legalisierung
Die Ampel-Koalition hat sich mit dem Koalitionsvertrag vom Dezember 2021 das Ziel gesetzt, einen kontrollierten Genussmittelmarkt für Cannabis zu schaffen, ein erster Gesetzesentwurf dazu wurde bereits im Frühjahr 2022 noch für dieses Jahr angekündigt. Jedoch stößt die Verwirklichung eines solchen kontrollierten Genussmittelmarktes für Cannabis auf verschiedene völkerrechtliche und europarechtliche Grenzen, da der deutsche Markt für Cannabis zu Genusszwecken wohl nur durch einen Import aus Drittstaaten zu ermöglichen sein wird.
Zunächst einmal hat sich Deutschland als Vertragspartei mehrerer Völkerrechtsverträge, namentlich des Einheits-Übereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961, des Übereinkommens über psychotrope Stoffe von 1971 und des Übereinkommens gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen von 1988, verpflichtet, gewerbliche Aktivitäten in Verbindung mit Cannabis außerhalb medizinischer und wissenschaftlicher Zwecke zu unterbinden. Sowohl Deutschland als auch das Exportland, sofern es die völkerrechtlichen Übereinkommen ratifiziert hat, würden diese Pflicht durch den Import von Cannabis verletzen. Als Folge dessen könnten unter bestimmten Umständen die Vereinten Nationen in Form des Internationalen Suchtstoffkontrollrats (INCB) die Herstellungs- und Einfuhrquote Deutschlands für Cannabis beschränken.
Auch auf europarechtlicher Ebene existiert mit dem Schengener-Durchführungsabkommen und dem EU-Rahmen-Beschluss zur Bekämpfung des illegalen Drogenhandels von 2004 eine Verpflichtung zur Untersagung gewerblicher Aktivitäten mit Cannabis außerhalb wissenschaftlicher oder medizinischer Zwecke. zudem ist die EU selbst Vertragspartei des Völkerrechtsübereinkommens von 1988. Würde Deutschland entgegen dieser europarechtlichen Pflichten Cannabis importieren, droht Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 258, 259 AEUV. In Bezug auf den Ausgang eines solchen Verfahrens lässt sich, aufgrund der bisherigen Haltung des EuGH im Umgang mit Cannabis, vermuten, dass Deutschland unterliegen würde und sich dann mit noch folgenreicheren Konsequenzen konfrontiert sähe, als dies bei der Verletzung eines völkerrechtlichen Vertrags der Fall wäre.
Lediglich durch einen Austritt Deutschlands aus den einschlägigen völkerrechtlichen Übereinkommen und ein Wiedereintritt unter Vorbehalt der Legalisierung des innerstaatlichen Anbaus zu Genusszwecken könnte ein Völkerrechtsverstoß vermieden werden. Ein solcher Vorbehalt genügt zwar für den Aufbau eines nationalen Industriezweigs für Cannabis-Produkte und den innerstaatlichen Anbau, jedoch nicht für einen Import von Cannabisprodukten aus Drittstaaten. Eine Einfuhr von Cannabisprodukten aus nicht EU-Staaten ist aufgrund der ausschließlichen Zuständigkeit der EU für Außenhandel ohne Zustimmung der EU nicht möglich. Die EU ist aber selbst Vertragspartei der entsprechenden Völkerrechtlichen Übereinkommen und somit verpflichtet den Handel mit Cannabis zu unterbinden. Auch eine Einfuhr aus EU-Mitgliedsstaaten ist nicht möglich, ohne dass auch das Ursprungsland einen solchen Vorbehalt zu den völkerrechtlichen Übereinkommen formuliert hat. Ein notwendigerweise eher weit gefasster Vorbehalt könnte zudem unzulässig sein, wenn er den Grundgedanken des Vertrags entgegensteht (vgl. Art. 19c des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge von 1969). Hinzu kommt, dass die europarechtlichen Regelungen keine einseitigen Vorbehalte einzelner Mitgliedsstaaten erlauben, sodass die europäischen Verpflichtungen in Bezug auf nicht-medizinisches und nicht-wissenschaftliches Cannabis nachverhandelt werden müssten. Auch müsste die EU ihrerseits aus den einschlägigen völkerrechtlichen Verträgen austreten und mit entsprechendem Vorbehalt wiedereintreten. Andernfalls würde Deutschland die EU in ihrem Bestreben, den völkerrechtlichen Verbindungen nachzukommen, behindern und seine Treuepflichten gegenüber der EU verletzen.
Als Fazit lässt sich also sagen, dass eine rechtskonforme Cannabis-Legalisierung in Deutschland zwar möglich ist, ihr aber noch viele Hindernisse im Weg stehen, die es zu überwinden gilt.
Der Kauf und Besitz von 20 Gramm Cannabis soll zukünftig ab einem Alter von 18 Jahren straffrei sein – so eine verfrühte Meldung des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND)
Untermauert wird diese Aussage durch das Eckpunkte-Papier des Bundesgesundheitsministeriums zur geplanten Cannabis-Legalisierung. Ziel ist es, eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizensierten Geschäften“ zu ermöglichen, so lauten die Vereinbarungen im Ampel-Koalitionsvertrag. Dazu sieht das Eckpunktepapier unter anderem besondere Vorgaben für junge Leute und ein generelles Werbeverbot vor.
Jedoch ist der durch die Meldung des RND ausgelöste Aufruhr verfrüht. Die Abstimmung zwischen den beteiligten Ministerien für Gesundheit, Justiz, Wirtschaft, Ernährung sowie des Auswärtigen Amts über die Regelungen im Eckpunktepapier ist noch nicht abgeschlossen. Auch wird es noch einige Zeit dauern, bis ein erster Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht wird, so ist ein Gesetzgebungsverfahren nach den Plänen Lauterbachs erst 2023 vorgesehen.
Entscheidung der EU über Cannabis-Legalisierung in Deutschland? Vorlage des Eckpunktepapiers zur Cannabis-Legalisierung an die EU-Kommission
Auf dem Weg zur Cannabis-Legalisierung hat das Bundeskabinett sich auf ein Eckpunktepapier geeinigt, welches jedoch auf viele völkerrechtliche und europarechtliche Bedenken hinsichtlich seiner Umsetzbarkeit stößt. So würde eine Legalisierung, wie die Ampel-Koalition sie plant, gegen einige UN-Abkommen sowie auch gegen europarechtliche Maßgaben verstoßen. Eine Umsetzung der Cannabis-Legalisierung mit dem Schwerpunkt auf Eigenanbau und Eigenkonsum würde jedoch hinter dem Auftrag des Koalitionsvertrags zurückbleiben. Lauterbach kündigte nun an, in einem ersten Schritt, das Eckpunkte-Papier im Rahmen einer Vorabprüfung der Europäischen Kommission vorzulegen. So wolle man die Kommission davon überzeugen, dass die geplante Legalisierung in Deutschland mit den Zielen der internationalen Abkommen und Verträge vor allem im Hinblick auf den Gesundheitsschutz im Einklang steht und diese sogar fördern würde. Bei positivem Ausgang des Vorabprüfungsverfahrens sei ein Vertragsverletzungsverfahren vor der EU ausgeschlossen und es würde innerhalb des ersten Quartals 2023 zur Ausarbeitung eines ersten Gesetzesentwurfs kommen. 2024 sei dann mit einer Legalisierung zu rechnen.
Inhaltlich wurden im neuen Eckpunktepapier ein straffreier Besitz und Erwerb von 20 bis 30 Gramm Cannabis, ein Besitz von 3 weiblich blühenden Pflanzen und eine Beendigung von laufenden Ermittlungs- und Strafverfahren zu dann nicht mehr strafbaren Handlungen festgeschrieben.
Ebenso neu eingeführt würde dann eine Mindestaltersgrenze für den Verkauf und Erwerb von 18 Jahren, ein staatlich kontrollierter Vertrieb von Cannabis zu Genusszwecken in lizensierten Fachgeschäften und ggf. Apotheken sowie ein Werbeverbot für Cannabis-Produkte.
Eine Obergrenze des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) solle es zumindest für Erwachsene ab dem 21. Lebensjahr nicht geben. Die Festlegung eines THC-Grenzwertes für Cannabis-Produkte, welche an unter 21-Jährige abgegeben werden, wird aufgrund möglicher Gesundheitsrisiken noch diskutiert.
Auch in Bezug auf die Strafbarkeit des Anbaus, Besitzes und Erwerbes sollen für Minderjährige Sonderregelungen gelten: Anbau, Besitz und Erwerb sind weiterhin verboten, jedoch würden solche Verhaltensweisen, die für Erwachsene erlaubt wären auch bei Minderjährigen straffrei bleiben. Stattdessen könne bspw. das Jugendamt Minderjährige zur Teilnahme an einem Frühinterventionsprogramm oder Präventionsprogramm oder ähnlichen Beratungs- und Behandlungsangeboten verpflichten. Bei einem heimischen Anbau der Pflanzen müssten Minderjährige vor dem Zugriff auf solche geschützt werden.
Steuerrechtlich wird neben der Umsatzsteuer eine gesonderte Cannabis-Steuer auf den Verkauf in Erwägung gezogen, welche sich am THC-Gehalt orientieren soll.
Dass das Eckpunktepapier nun im Vorabentscheidungsverfahren der EU-Kommission vorgelegt werden soll, ist vielfach auf Kritik aber auch auf Zustimmung gestoßen. Der Sprecher des Deutschen Hanfverbandes Georg Wurth spricht gar von einer „Ausstiegsstrategie“ nach der man sich erst das Veto- der EU hole, um dann die Cannabis-Legalisierung fallen zu lassen. Die drogenpolitische Sprecherin der FDP kritisierte die weiterhin bestehen bleibende Obergrenze für den Besitz von Cannabis.
Ates Gürpinar, drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, lobte hingegen die geplante Aufhebung der THC-Obergrenzen. Prof. Günter Krings, rechtspolitischer Sprecher der Union hingegen äußerte Bedenken hinsichtlich des Umgangs mit Gesundheitsrisiken gerade in Bezug auf die Prüfung einer THC-Obergrenze für Menschen unter 21 Jahren, so könnten bei einem regelmäßigen Konsum Psychosen und damit einhergehende Straftaten beobachtet werden.
Trotz des vielfach vorgebrachten Lobes und der Kritik liegt nun erst einmal die Entscheidung über die Umsetzung der Cannabis-Legalisierung bei der EU-Kommission. Eine endgültige Entscheidung bleibt abzuwarten.
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Legalisierung von Cannabis in Deutschland - Europarechtliche und völkerrechtliche Grenzen und Stand des Verfahrens
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